Die Zahlen schrecken auf: Über 400 Ferienwohnungen sind im Internet für Radolfzell zu finden, informiert die Stadt in der Vorlage zur jüngsten Gemeinderatssitzung. Doch gerade einmal 245 davon seien offiziell als Ferienwohnungen bei der Tourismus- und Stadtmarketing GmbH registriert. Und davon seien nur 61 baurechtlich als solche genehmigt worden. Von den nicht angemeldeten seien weitere 45 Ferienwohnungen baurechtlich genehmigt, bei 61 laufe aktuell das Verfahren dazu. Der Verdacht, der sich aufdrängt: Viele Eigentümer vermieten regulären Wohnraum als deutlich lukrativere Ferienwohnungen. Potenzielle Mieter, die nach einer festen Bleibe suchen, gehen leer aus.

Als Reaktion darauf hatte der Gemeinderat die Stadt bereits im Sommer 2021 beauftragt, eine Satzung über ein Verbot zur Zweckentfremdung von Wohnraum erlassen. Dann drohen saftige Bußgelder, wenn jemand reguläre Mietwohnungen illegal als Ferienwohnungen anbietet. Die Stadt hat eine solche Satzung nun im Gemeinderat präsentiert, wo sie für widersprüchliche Meinungen und Diskussionen sorgte. Am Ende stimmte der Rat mit großer Mehrheit dafür. Welche Folgen hat das nun?

Wann darf eine solche Satzung erlassen werden?

Kommunen ist es laut Landesgesetz erlaubt, ein Zweckentfremdungsverbot per Satzung zu erlassen, um gegen Umnutzungen von Wohnungen vorzugehen, wenn sie durch keine anderen Maßnahmen den Wohnraummangel beseitigen können. Solche Maßnahmen wären zum Beispiel die Ausweisung neuer Baugebiete, Nachverdichtung oder soziale Wohnraumförderung.

Dafür müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein, zum Beispiel ein geringer Wohnungsversorgungsgrad von Neubürgern, eine gewisse Mietpreishöhe je Haushalt und eine Differenz zwischen Angebots- und Vergleichsmieten. Zudem darf durch Neubau keine Entlastung der angespannten Wohnungsmarktlage in den kommenden fünf Jahren zu erwarten sein.

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In Radolfzell ist dies laut Stadtverwaltung „zweifelsfrei gegeben“. Es herrsche ein Wohnraummangel, den die Stadt mit anderen zumutbaren Mitteln in den kommenden fünf Jahren nicht beseitigen könne. So stieg die durchschnittliche Nettomiete in Radolfzell von 7,41 Euro pro Quadratmeter im Jahr 2017 auf 8,86 Euro im Jahr 2021, erklärt die Stadt. Die Angebotsmieten lagen mit 10,28 Euro pro Quadratmeter im Jahr 2018 sogar rund 36 Prozent über den Vergleichsmieten.

Welche Folgen hat das Verbot für Eigentümer?

Durch die neue Satzung ist es künftig verboten, reguläre Wohnungen als Ferienwohnungen zu vermieten. Das bedeutet: Eigentümer, die an Touristen vermieten wollen, müssen ihre Wohnung als Ferienwohnung registrieren, um diese anbieten zu dürfen. Andernfalls müssen sie einen Ausgleich durch Ersatzwohnraum oder eine Zahlung in Höhe von einmalig 4900 Euro pro Quadratmeter schaffen. Zudem müssen Vermieter künftig die Registrierungsnummer bei der TSR angeben, wenn sie die Wohnung bewerben. Das soll zweckfremde Nutzungen schwieriger machen.

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Ein Verstoß gilt künftig als Ordnungswidrigkeit, die mit Bußgeldern bestraft wird, wenn der Vermieter vorsätzlich gehandelt hat. Die Höhe richtet sich laut Stadt dabei nach dem verursachten Schaden beziehungsweise der Höhe der illegalen Mieteinnahmen. Die Buße soll höher sein, maximal sind 100.000 Euro vorgesehen.

Ab wann gilt die neue Satzung?

Allerdings drohen diese Bußgelder Vermietern, die aktuell unerlaubt als Ferienwohnung vermieten, nicht sofort. Denn bis Ende des Jahres wird es eine Übergangsfrist geben, erst dann tritt die Satzung in Kraft. Wer nachweisen kann, seinen Wohnraum schon vor dem 13. Mai 2017 zu einer Ferienwohnung umgenutzt zu haben, ohne dies angemeldet zu haben, hat demnach keine Zweckentfremdung begangen. Denn erst 2017 war eine Ummeldung zur Pflicht geworden. Für solche Vermieter besteht nun die Chance, die Umnutzung nachzumelden.

Zudem liegt keine Zweckentfremdung vor, wenn Vermieter die Ferienwohnung vor Satzungsbeginn bei der TSR anmelden und nachträglich eine baurechtliche Genehmigung der Umnutzung bis zum 31. Dezember 2024 einholen. Diese kostet je nach Fall zwischen 200 und 500 Euro, so die Stadt. Mit einer positiven Entscheidung können Vermieter laut Stadt rechnen, wenn deren privates wirtschaftliches Interesse das öffentliche Interesse an Wohnraum übersteige. In Wohngebieten sei dies aber beispielsweise ausgeschlossen, erklärt die Stadt.

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So reagiert der Gemeinderat auf die Satzung

Unter den Stadträten sorgte die Vorlage für gemischte Reaktionen. Jürgen Keck (FDP) kritisierte, er sehe nicht, wie durch ein solches Verbot mehr Wohnraum geschaffen werden kann. „Ich bin immer für fördern statt fordern“, sagte er. Sein Fraktionskollege Richard Atkinson sagte, es gebe andere sinnvollere Mittel, wie den Bau neuer Wohnungen. Eigentümer würden durch die Satzung zu Tätern erklärt. Angesichts der bis zu 100.000 Euro hohen Bußgelder sprach er gar von Enteignung, obwohl sich die tatsächliche Höhe am begangenen Schaden orientieren wird.

„Ich bin immer für fördern statt fordern.“ Jürgen Keck, FDP-Stadtrat
„Ich bin immer für fördern statt fordern.“ Jürgen Keck, FDP-Stadtrat | Bild: Becker, Georg

Dietmar Baumgartner (FW) kritisierte den bürokratischen Aufwand, den die Satzung mit sich bringe.

Andere haben schon ähnliche Regelungen

Lob kam hingegen aus Reihen der FGL. Siegfried Lehmann sprach von einer „guten und richtigen“ Regelung, die angemessen sei. Gisela Kögel-Hensen berichtete von eigenen Erfahrungen auf dem angespannten Radolfzeller Wohnungsmarkt und häufigen Umnutzungsgesuchen im Gemeinderat. „Es muss sich dringend etwas ändern durch eine verbindliche Regelung“, bekräftigte sie. Andere beliebte Seegemeinden wie Konstanz, Bodman-Ludwigshafen, Sipplingen und Meersburg hätten bereits ähnliche Regelungen.

„Es muss sich dringend etwas ändern durch eine verbindliche Regelung.“ Gisela Kögel-Hensen, FGL-Stadträtin
„Es muss sich dringend etwas ändern durch eine verbindliche Regelung.“ Gisela Kögel-Hensen, FGL-Stadträtin | Bild: SK

Am Ende stimmte der Rat bei sechs Gegenstimmen aus Reihen der Freien Wähler und der FDP für die neue Satzung, die für zunächst fünf Jahre gilt. Vermieter haben nun bis Ende des Jahres noch Zeit, die Bestimmungen der Satzung zu erfüllen.