Es steht nicht gut um die deutsche Innenstadt. Zumindest wenn man die Vertreter des Handels dazu befragt. Auch in Radolfzell kämpfen Einzelhändler und Gastronomen mit dem Online-Handel, Inflation und Fachkräftemangel. Und nun zieht sich auch noch die Sparkasse Hegau Bodensee aus der Innenstadt zurück. Statt der repräsentativen Filiale am Marktplatz möchte die Sparkasse in der Höristraße einen Neubau realisieren.

Ein wichtiger Anziehungspunkt verschwindet

In einem Schreiben kritisiert der Handeslverband Südbaden die Pläne. Mit dem Wegzug der Sparkasse aus der Innenstadt würde nicht nur ein wichtiger Anziehungspunkt in der Stadt verschwinden, auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die auch in der Stadt ihre Pause verbrächten, würden nicht mehr in die Innenstadt kommen.

Für Bürgerinnen und Bürger sowie für Besucher gebe es ohne Sparkasse einen Grund weniger in die Stadt zu kommen. Außerdem würde eine Filiale außerhalb nur für noch mehr Verkehr sorgen, da Kunden mit dem Auto hinfahren müssten.

„Die Standortentscheidung ist die falsche.“Siegfried Lehmann, FGL
„Die Standortentscheidung ist die falsche.“Siegfried Lehmann, FGL | Bild: DPA

Deswegen schlagen Roland Fitterer, Präsident des Handelsverband Südbaden, und Peter Spindler, Hauptgeschäftsführer sowie Abteilungsleiter Recht, vor, doch lieber alternative Standorte in Randlage zu prüfen, statt die Filiale komplett aus der Innenstadt zu ziehen. Das Kapuzinerareal oder die alten Pakethallen seien Bereiche, die schnell verfügbare wären. Dieser Meinung schließen sich die beiden Gemeinderäte Siegfried Lehmann (FGL) und Helmut Villinger (CDU) an.

„Sparkasse ist dem Gemeinwohl verpflichtet“

„Die Standortentscheidung ist die falsche“, so Lehmann. Es gebe genügend Standorte in der Nähe der Innenstadt, die für einen Neubau zur Verfügung ständen. Dort könnten auch die erforderlichen Parkplätze realisiert werden. Lehmann erinnert auch an die Aufgabe der Sparkasse für das Gemeinwohl. Die Kommunen seien die Träger der Sparkasse und aus diesem Grund sei die Sparkasse nicht irgendeine Privatbank.

Auch Helmut Villinger findet den ausgewählten Standort an der Höristraße für nur bedingt geeignet. „Es ist zwar näher für die Kundinnen und Kunden der Höri, doch haben wir jetzt schon ein Verkehrsproblem da draußen“, so Villinger. Die Sparkasse Hegau-Bodensee möchte nicht nur die Filiale am Marktplatz schließen, sondern auch alle Filialen auf der Höri. Dort soll es nur noch SB-Terminals geben, aber keine Beratungsdienstleistungen.

Sorge um die belebte Innenstadt wächst

Die Sorge um die Zukunft der Radolfzeller Innenstadt treibt Villinger um. „Früher hieß es immer ‚Der Handel belebt die Innenstadt‘, doch das stimmt nicht mehr“, sagt der CDU-Stadtrat und ehemalige Vorsitzende der Aktionsgemeinschaft.

Heute würde eher die Gastronomie die Besucher in die Stadt ziehen und auch da sei die Lage in Radolfzell nicht besser als in anderen Städten. Inflation und Fachkräftemangel würden auch hier den Wirten das Leben schwer machen. Erst vor wenigen Wochen hat die Weinstube Baum, einer der beliebtesten Treffpunkte in der Altstadt, für immer geschlossen.

„Früher hieß es immer ‚Der Handel belebt die Innenstadt‘, doch das stimmt nicht mehr.“Helmut Villinger, CDU
„Früher hieß es immer ‚Der Handel belebt die Innenstadt‘, doch das stimmt nicht mehr.“Helmut Villinger, CDU | Bild: Andreas Kochloeffel

Ist der Rückzug der Sparkasse aus der Altstadt also der Anfang vom Ende einer belebten Innenstadt? Für Villinger könnte es so sein. „Es ist ein langsamer Prozess, es macht ja nicht alles auf einmal zu“, sagt er. Die Stadt müsse sich mehr um die Gastronomen und Händler kümmern.

Oder den Wochenmarkt besser vermarkten, dass dieser als Alleinstellungsmerkmal die Einheimischen und Besucher in die Stadt lockt. „Zum Glück haben wir noch den See“, sagt Villinger. Und um zurück zur Sparkasse Hegau-Bodensee zu kommen: „Die Mitarbeiter der Bank verbringen ihre Pausen sicher lieber in der Stadt als draußen in der Höristraße.“

Sparkassen-Chefs verteidigen ihre Entscheidung

Die Vorstandsvorsitzenden der Sparkasse Hegau Bodensee, Alexander Endlich und Jens Heinert, verteidigen in einem Antwortschreiben an den Brief des Handelsverbandes Südbaden ihre Entscheidung. Monatelange Analysen des Kundenverhaltens und der Kundenwege seien die Grundlage für diese Entscheidung gewesen.

Und diese Untersuchung hätte ergeben, dass die Filiale in der Höristraße/Zeppelinstraße schon jetzt weit häufiger frequentiert werde als die Filiale am Marktplatz. Der Standort läge auch günstig an den Buslinien und sei bequem mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar.

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Den alternativ vorgeschlagenen Standort am Kapuzinerweg habe die Sparkasse während ihrer Planungen geprüft. „Hier sind für uns allerdings die baulichen Risiken im Hinblick auf etwaige Altlasten, weiterhin unsichere Abrissperspektiven sowie erhebliche baurechtliche Herausforderungen zu unwägbar, sodass wir von diesem Areal Abstand nehmen“, schreiben die Sparkassen-Vorstandsvorsitzenden in dem Antwortschreiben an den Handelsverband Südbaden.

Die alten Pakethallen am Kapuzinerweg sind schon lange auf der Abriss-Liste der Stadt. Hier, so der Vorschlag des Handelsverbandes, ...
Die alten Pakethallen am Kapuzinerweg sind schon lange auf der Abriss-Liste der Stadt. Hier, so der Vorschlag des Handelsverbandes, könnte die Sparkasse auch neu bauen. Diese lehnt dies aber aus verschiedenen Gründen ab. | Bild: Marinovic, Laura

Auch möchte die Sparkasse den Vorwurf, man werde mit dieser Entscheidung die Innenstadt schwächen, nicht auf sich sitzen lassen. Schon jetzt würden durch die Vermietung der leerstehenden Räume an die Stadtverwaltung mehr Menschen in dem Gebäude arbeiten als zuvor Mitarbeiter der Sparkasse. Und diese würden die Frequenz in der Stadt steigern. Für Bankkunden würde es in der Innenstadt weiterhin eine gesicherte Bargeldversorgung geben. Auch wenn sich jetzt schon abzeichnen würden, dass bargeldloses Bezahlen immer weiter zunehmen werde.