Die Kindertagesstätte Bullerbü im kleinen Möggingen sorgt gerade deutschlandweit für Schlagzeilen. Seit vier Wochen wird dort das aus der Not geborene neue Radolfzeller Modell ausprobiert. Eltern übernehmen dabei am Nachmittag nach der regulären Kita die Betreuung von bis zu 18 Kindern. An vier Tagen pro Woche sind sie für insgesamt maximal 10 Stunden im Einsatz. Denn wegen Personalmangels wäre eine Nachmittagsbetreuung sonst nicht mehr möglich.
Allerdings betreuen sie die Kinder nicht in der Kita selbst, wie es externe Kräfte beim so genannten Offenburger Modell machen würden, sondern in kostenfrei von der Kommune zur Verfügung gestellten Räumen – aktuell in der Gymnastikhalle der Mindelseehalle und im Gartenbereich der Kita.
Die Lösung ist nicht nur eine Entlastung für das Kita-Personal, sondern auch eine Möglichkeit, Beständigkeit in die Betreuung zu bringen – denn die war zuletzt nur eingeschränkt möglich, was einige Eltern in Bedrängnis brachte. Dass Eltern nun einspringen, ist einzigartig. Das Interesse daran ist entsprechend groß.
Sat1, ZDF und SWR waren schon da – RTL hat angefragt
Laut Natalie Reiser, Pressesprecherin der Stadt, seien der SWR, Sat1 und das ZDF vor Ort gewesen, um über die Mögginger Kita zu berichten. „Die Beiträge sind bereits erschienen“, berichtet Reiser. Der SWR verschaffte sich einen ersten Eindruck vom Modell, Sat1 hat einen Beitrag für das Frühstücksfernsehen am Dienstag, 11. April, gedreht und das ZDF berichtete am Mittwoch, 12. April, in der Sendung ‚Drehscheibe‘ darüber.
Bürgermeisterin Monika Laule erklärt die Aufmerksamkeit so: „Das Interesse ist der Tatsache geschuldet, dass es wohl bisher noch in keiner anderen Stadt so ist, dass die Kommune den Eltern für selbstorganisierte Kinderbetreuung Räume zur Verfügung stellt.“
Angesichts der vielen Kommunen, in denen wegen des Fachkräftemangels die Betreuungszeiten reduziert oder ganze Gruppen geschlossen werden oder neugebaute Kitas erst gar nicht in Betrieb gehen können, sei das Interesse verständlich. Könnte Möggingen also sogar zum Vorbild werden? Sie schätze das Interesse jedenfalls „sehr positiv ein“, sagt zumindest Monika Laule.
Wie gehen Kinder und Eltern mit dem Medienrummel um?
Doch was ist mit den Kindern und Eltern selbst? Wird denen der mediale Trubel nicht zu viel? „Die Eltern sind bereitwillig in die Interviews gegangen. Wir haben klare Regeln vereinbart, damit das Wohl der Kinder ausreichend berücksichtigt wurde“, versichert Laule. Zuletzt hätten jedoch einige Eltern angemerkt, dass es vor allem für die Kinder zu viel Rummel wird. „Sie wollen in Ruhe spielen und die Zeit mit den Erwachsenen genießen“, erklärt die Bürgermeisterin.

Isabelle Steidle vom Gesamtelternbeirat, die selbst eine Tochter im Bullerbü hat und die Elterninitiative mit ins Leben gerufen hat, sieht den medialen Rummel hingegen zwiegespalten. „Als GEB-Mitglied empfinde ich die Berichterstattung als sehr gut, da andere Gemeinden und GEBs darauf aufmerksam werden und davon lernen können“, sagt sie. Es gebe bereits zwei Anfragen, eine aus Schopfheim (Landkreis Lörrach) und eine aus Gäufelden (Landkreis Böblingen).
Zudem hätten sich die Eltern gefreut, dass ihr Aufwand und ihre Mühen gesehen werden. „Und für die Kinder war es wie Kindergeburtstag: Erst waren sie aufgedreht, aber nach zwei oder drei Stunden dann erschöpft“, berichtet sie.
Medienberichte brachten Unruhe ins Haus
Doch die Aufmerksamkeit habe auch Schattenseiten. „Das bringt natürlich etwas Unruhe ins Haus“, berichtet Steidle. Die betreuenden Eltern und die Kinder seien aufregt gewesen, als die Kameras da waren. Und Teile des Fachpersonals würden fürchten, die Berichterstattung könnte potenzielle Bewerber verschrecken. Daher sei es auch gut, wenn das Medieninteresse wieder abflache. Allerdings, sagt Steidle, stehe noch eine Anfrage von RTL im Raum. Was daraus wird, sei noch unklar.
Ungeachtet der Medienberichte funktioniere das Modell selbst bislang weitgehend gut. „Die Kinder haben es super angenommen und machen toll mit. Es ist wichtig, dass sie wieder eine feste Struktur haben. Und unter uns Eltern ist eine tolle Gemeinschaft entstanden, in der jeder voll mitzieht, weil wir im selben Boot sitzen“, sagt Steidle. Die Eltern seien froh und dankbar gegenüber Stadt und GEB, dass die schwierige Situation im vergangenen Herbst vorerst überwunden sei.
Räumlichkeiten reichen nur als Übergangslösung
Dennoch könne die Elterninitiative nur eine Lösung bis zum Sommer sein, findet Isabelle Steidle. „Wir haben in der Turnhalle nur einen Raum, der für 18 Kinder eigentlich nicht groß genug ist“, berichtet sie. Wenn manche Kinder müde sind und sich ausruhen oder essen wollen, während andere laut spielen, sei das ein Problem. Zudem gebe es keine Tische und Stühle, weswegen sie aktuell auf Turnmatten essen. „Für den Übergang und im Sommer, wenn wir auch nach draußen ausweichen können, ist das eine gute Lösung. Aber dauerhaft in den Winter hinein funktioniert es in der Halle nicht“, sagt sie.
Isabelle Steidle hofft daher auf zwei Dinge: Zum einen, dass bald die Malteser die Nachmittagsbetreuung nach dem Offenburger Modell in der Kita übernehmen dürfen. Und zum anderen, wünsche sie sich, dass andere GEBs durch die Berichte sehen, wie man trotz Personalmangel eine Übergangslösung finden kann – und dass die Kommunen sich dem nicht widersetzen.