Das Radolfzeller Modell nimmt langsam Formen an. Nach der Dialogveranstaltung im Milchwerk, in der Eltern ihre Nöten und Sorgen zum akuten Betreuungsnotstand in städtischen Kitas geäußert haben, hat die Stadtverwaltung die einzelnen Lösungsvorschläge geprüft und im Ausschuss für Bildung, Soziales und Sicherheit einen ersten Zwischenbericht gegeben.
Ziel sind 30 Stunden pro Woche
Ziel sei es, flächendeckend eine zuverlässige Kinderbetreuung für 30 Stunden pro Woche einzurichten und je nach Personallage auch in einzelnen Einrichtungen mehr als die 30 Stunden. Dabei machte Bürgermeisterin Monika Laule im Ausschuss deutlich, dass der Rechtsanspruch, den Kinder auf einen Kita-Platz haben, nur bei 25 Stunden in der Wochen liege.

Um aber für die Familien, die eine längere Betreuung benötigen, eine Übergangslösung zu schaffen, haben Eltern vorgeschlagen, die Kinder selbst in den Räumen der Kita zu betreuen. Dies hatte die Stadtverwaltung anfangs abgelehnt mit der Sorge, die Einrichtung würde die Betriebserlaubnis des Kommunalverbands für Jugend und Soziales Baden-Württemberg verlieren. Doch die intensive juristische Prüfung habe ergeben, dass Eltern durchaus in den Einrichtungen Betreuung anbieten können.
Bis zehn Stunden ist es nicht genehmigungspflichtig
Voraussetzung sei, dass es nicht mehr als zehn Stunden in der Woche sind, die Eltern auf diesem Weg überbrücken können. Und dass es einen Mietvertrag zwischen Eltern und Stadt gebe und auch eine kleine Miete und Pauschale für die Nebenkosten entrichtet werden. Dieser Betrag sei aber wirklich überschaubar, versicherte Laule. Die beteiligten Eltern müssten auch notwendige Versicherungen abschließen. Genauere Kosten konnte Monika Laule noch nicht beziffern.
Außerdem sei der Bürgermeisterin eine klare Trennung zwischen Betreuung durch die Eltern und professioneller Betreuung durch städtische Fachkräfte wichtig. „Während der Elternbetreuungszeit werden keine Mitarbeiter der Stadt in der Einrichtung anwesend sein“, machte Monika Laule klar. Grundsätzlich werde man aber mit den interessierten Eltern die Details gemeinsam mit einem Juristen abstimmen und das Modellprojekt auf den Weg bringen, sofern der Gemeinderat diesem zustimmen sollte.

Für die Eltern ist diese Nachricht in der Tat eine gute. Annegret Allgaier, stellvertretende Vorsitzende des Gesamtelternbeirates Kita, sprach von guten Gesprächen zwischen Stadt und Elternschaft. Auch machte sie deutlich, dass es für Eltern durchaus wichtig sei, ob ihr Kind 25, 30 oder 35 Stunden betreut werde. Sie plädierte dafür, dass die Stadt eine Basis von 35 Stunden pro Wochen als Ziel ins Auge fassen sollte, vorausgesetzt es sei mit dem Personal machbar. Auch sollte das nächste Ziel sein, wieder mehr Kita-Plätze anzubieten. Dies sei aus Sicht des GEB Kita sogar wichtiger als der Ausbau von Ganztagesplätzen.
Gespräche mit externen Träger finden statt
Um in einzelnen Einrichtungen Ganztagesplätze einrichten zu können, erwägt die Stadt das sogenannte Offenburger Modell. In Offenburg wurde jüngst ein Konzept auf den Weg gebracht, das mit einem freien Träger zusätzliche Betreuungsstunden anbieten kann. Das bedeutet: Nach dem Ende des regulären Kita-Tages mit der Förderung und Ausbildung der Kinder durch Fachpersonal übernimmt ein freier Träger, in Offenburg ist es der Malteser Hilfsdienst, ein paar weitere Stunden der Kinderbetreuung, allerdings ohne gezielte pädagogische Förderung. Auch werde dieses Angebot Auswirkungen auf die Kita-Gebühren haben, so Laule. Auch hier waren genaue Kosten noch nicht absehbar.
Laut Bürgermeisterin Monika Laule habe die Stadt Radolfzell fünf potenzielle freie Träger in der Region angeschrieben und bereits zwei positive Rückmeldungen erhalten. Nun würden Gespräche geführt werden, ob das Offenburger Modell auch in Radolfzell möglich sei.
Stipendium für angehende Erzieherinnen und Erzieher
Das sogenannte Stuttgarter Modell beinhaltet eine Art Stipendium für angehende Erzieherinnen und Erzieher. Diese bekommen zwei Jahre lang einen Betrag in Höhe von 200 Euro im Monat, also 4800 Euro insgesamt, während ihrer schulischen Ausbildung. Im Gegenzug müssen sie nach Ende der Ausbildung das Anerkennungsjahr oder ihren Berufseinstieg in einer Einrichtung im Stadtgebiet Radolfzell absolvieren. Beginn dieses Fördermodells könnte das Ausbildungsjahr 2023 mit Beginn im September sein.
Dies alles wurde von den Ausschussmitglieder insgesamt positiv bewertet. Doch mit einer Bemerkung zur Dialogveranstaltung am 14. Februar im Milchwerk sorgte Bürgermeisterin Laule für Unverständnis bei den Stadträten. Es sei für sie überraschend gewesen, wie sehr Eltern ihre eigenen Bedürfnisse formuliert hätten, und wie wenig es um die Bedürfnisse der Kinder gegangen sei. Denn die Kinder hätten den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz, nicht die Eltern.
Martina Gleich (CDU) stellte dazu fest, dass es unterschiedliche Familienmodelle gebe und jede Familie für sich entscheiden müsse, wie sie ihren Alltag gestalten wollen. Siegfried Lehmann, Fraktionssprecher der Freien Grünen Liste, wies darauf hin, dass ein Kind diesen Rechtsanspruch nie für sich einklagen könnte, das ginge immer nur durch die Eltern. Und viele Familien hätten wegen des politischen Ziels, Familie und Beruf zu vereinbaren, ihre Lebensplanung so gewählt.