Rekordjahr für die Freiwillige Feuerwehr: Noch nie gab es in der 161-jährigen Geschichte der Gesamtfeuerwehr Radolfzell so viele Einsätze wie im vergangenen Jahr. Waren es zuvor etwa 200 pro Jahr, so verzeichnet die Freiwillige Feuerwehr Radolfzell (FFW) seit drei Jahren einen stetigen Zuwachs auf nun 263 Einsätze im Jahr 2022 – ein Plus von mehr als 30 Prozent gegenüber dem Zehn-Jahres-Durchschnitt.
Tobias Oechsle, seit drei Wochen der neue Kommandant, zog dennoch ein beruhigendes Fazit: Die Stadt sei von größeren Bränden und Einsätzen verschont geblieben. „Glücklicherweise – muss man sagen. Die hohe Zahl kam hauptsächlich durch kleine Einsätze zustande“, erklärt er. Doch einige waren besonders.
84 Fehleinsätze im vergangenen Jahr
Es sei das Jahr der technischen Hilfsleistungen mit aufgerissenen Ölwannen und in Antennen eingeklemmten Vögeln gewesen. Zudem seien viele Türnotöffnungen, die Unterstützung der Rettungsdienste und die kleinen Missgeschicke der Bürger herausgestochen.

Hinzu seien die Einsätze des neuen Feuerwehrboots und ein Plus an Überlandeinsätzen gekommen – zum Beispiel auf der Höri. Von jeder Einsatzart hätte es ein bisschen mehr gegeben, aber keine, die ein Ausreißer darstellen würde, so sein analytischer Blick auf die Statistik mit 117 technischen Hilfsleistungen von insgesamt 263 Einsätzen. 41 Mal rückte die FFW zu einem Brand aus.
Dabei kam ein ganz neuer Brandtypus hinzu: Allein drei Mal rückte die Wehr an den Bahnhof zu einem Brand einer Weiche aus.
Von den 84 Fehleinsätzen sei lediglich ein Prozent böswillig gewesen, so Oechsle. Hinter 99 Prozent aller Fehlalarme stecke ein handfester Grund – zum Beispiel das Melden starker Rauchentwicklung oder die Bitte um eine Türnotöffnung. Doch manchmal stelle sich der Rauch als ein unsachgemäßes Grillen mit nasser Kohle heraus.
Starken Regenfälle beschäftigten die Feuerwehr
Sehr starke Regenfälle lösten im Juli die vorangegangene Periode der Trockenheit ab. Erst nahmen die ausgetrockneten Böden das Wasser nicht auf, dann waren sie überwässert. Beide Fälle führten dazu, dass über mehrere Wochen die Keller unter Wasser standen. Manchmal seien zehn bis 15 Meldungen gleichzeitig bei der FFW eingegangen, so Oechsle.
Ein Einsatz sei 2022 besonders herausgestochen: Nach einem Verkehrsunfall auf der B33 floss eine größere Menge an Öl und Betriebsstoffen in ein Regenrückhaltebecken in einem Wasserschutzgebiet. Die Öl-Wehr rückte mit ihrem Auffang-Abrollbehälter aus und nahm das verschmutze Wasser auf.
Übungen mit Theaternebel und echten Patienten
Damit die FFW mit ihren 218 aktiven Mitgliedern überhaupt funktionsfähig ausrücken kann, bedarf es hinter den Kulissen einer Werkstatt wie auch einem Ausbildungsteam und Lehrgängen. Seit Mitte 2022 können die wieder ohne Pandemie-Schutzmaßnahmen stattfinden.
Allein 3135 Mal prüfte, wartete und überholte die Atemschutz-Werkstatt die Masken und Automaten. Im Juli probte die Wehr auf der Mettnau Kur – mit echten Patienten und Theaternebel auf einer kompletten Station. Zudem sind die Radolfzeller im Landkreis für die Atemschutzlehrgänge zuständig.
An zwei neu angeschafften Löschfahrzeugen konnten 26 Maschinisten ausgebildet werden. Mit den Neuanschaffungen erhielt die Ortschaft Markelfingen durch einen Ringtausch zwei Fahrzeuge aus dem Radolfzeller Bestand, Böhringen bekam dafür zwei aus Markelfingen.
Neue Gruppe für Kinder gegründet
Im September sei zudem eine neue Gruppe hinzugekommen. Die „Lösch-Löwen“ für Kinder im Alter zwischen sechs und acht Jahren hätten inzwischen schon 13 Mitglieder. Die Resonanz sei enorm gewesen, so Tobias Oechsle. Aus Spendengeldern und Haushaltsmitteln schaffte die neue Abteilung ein eigenes führerscheinfreies Feuerwehrfahrzeug in kindgerechter Größe mit Blaulicht, Martinshorn und kleiner Beladung an.

Am Tag der Anlieferung sei die Freude und das Funkeln in den Augen bei den Erwachsenen mindestens genauso groß gewesen wie bei den Kindern, beobachtete der Kommandant.
Ehrung und Abschied
Geehrt wurde Michael Blender, der bereits 1975 in die aktive Abteilung eingetreten war. Der ehemalige stellvertretende Kommandant, Hauptbrandmeister und Maschinisten-Ausbilder wurde für seinen 52 Jahre andauernden Dienst von Oberbürgermeister Simon Gröger sowie vom Kommandanten Tobias Oechsle und einem lang anhaltenden stehenden Applaus verabschiedet.

Gröger schätzte in seiner Rede den großen Dienst der Feuerwehr für die Gesellschaft und die Stadt: „Ich bin sehr stolz Oberbürgermeister von Radolfzell zu sein mit so einer tollen Feuerwehr vor Ort.“