Es sind auffällig viele Vermisstenfälle, die derzeit die Region beschäftigen: Mitte Februar suchte die Polizei nach einem Zehnjährigen, der im Überlinger Ortsteil Deisendorf aus einer Jugendhilfeeinrichtung entlaufen war, mittlerweile aber wieder wohlauf gefunden wurde. Weniger Erfolg hatten die Einsatzkräfte dagegen bislang im Fall der vermissten Jasmin M. aus Eigeltingen-Heudorf. Von ihr fehlt seit Fasnachtssonntag jede Spur, ebenso von Helmut M. aus Radolfzell.
Der 75-Jährige verließ am Morgen seine Wohnung, um spazieren zu gehen und tauchte nicht mehr auf. Wie Pressesprecher Dieter Popp vom Polizeipräsidium Konstanz mitteilte, liefen die Suchmaßnahmen am 28. Februar, also mehr als eine Woche nach seinem Verschwinden, weiter. „Wobei fast keine Hinweise mehr eingehen“, so Popp. Die Polizei bitte daher weiterhin Zeugen, sich zu melden.
Besondere Vorsicht bei Minderjährigen
Aber wie geht die Einsatzkräfte eigentlich vor, wenn ein Mensch bei der Polizei als vermisst gemeldet wird? Wann beginnen sie mit einer Suche? „Nach Prüfung, ob nach den einschlägigen Kriterien ein Vermisstenfall vorliegt, sofort, das gilt insbesondere bei Kindern und älteren Menschen“, teilt Dieter Popp mit.
Er verweist zudem auf die Internetseite des Bundeskriminalamts (BKA). Dort heißt es, die Polizei leite eine Fahndung nach einem Vermissten ein, wenn eine Person ihren gewohnten Lebenskreis verlassen hat, ihr aktueller Aufenthalt unbekannt ist und eine Gefahr für Leib oder Leben angenommen werden kann. Konkret also, ob sie zum Beispiel Opfer einer Straftat geworden, in einen Unfall verwickelt oder hilflos ist oder ob es eine Selbsttötungsabsicht gibt. Bei vermissten Minderjährigen wird laut BKA grundsätzlich „vorsichtshalber von einer Gefahr für das Leben oder die körperliche Unversehrtheit des Betroffenen ausgegangen“, sofern Ermittlungen nichts anderes ergeben.
Sind die Vermisstenkriterien nicht erfüllt, ist die Polizei nach Informationen des BKA auch nicht in der Lage, bei der Suche zu helfen. „Nicht selten haben sich die Gesuchten in derartigen Fällen bewusst aus ihrem Verwandten- und/oder Bekanntenkreis abgesetzt.“ In diesen Fällen verweise die Polizei dann an andere Institutionen, zum Beispiel Suchdienste.
Denn, so erklärt das BKA in Bezug auf vermisste Erwachsene: „Erwachsene, die im Vollbesitz ihrer geistigen und körperlichen Kräfte sind, haben das Recht, ihren Aufenthaltsort frei zu wählen, auch ohne diesen Angehörigen oder Freunden mitzuteilen.“
Wie geht die Polizei vor?
Wie eine Suche nach vermissten Personen abläuft und welche Mittel dabei eingesetzt werden, kann Dieter Popp pauschal nicht sagen, das sei vom Einzelfall abhängig. Generelle Auskunft gibt aber auch hier das BKA: Wie es berichtet, können insbesondere bei unmittelbarer Gefahr für Leib oder Leben eines Vermissten oder bei vermissten Kindern unmittelbar nach Eingang der Vermisstenmeldung auch groß angelegte Suchmaßnahmen eingeleitet werden.
Für großflächige Suchen reiche sehr oft das Personal der örtlichen Polizei nicht aus, so das BKA. „Deshalb werden in der Regel alle verfügbaren Kräfte aus den Hundertschaften der Bereitschaftspolizei und bei weiterem Bedarf auch die Hundertschaften anderer Bundesländer oder der Bundespolizei alarmiert.“ Auch die Verständigung lokaler Rettungsdienste wie DRK oder Feuerwehr sei unverzichtbar, da diese über die erforderliche Ortskenntnis verfügen.
Bei schlecht zugänglichem Terrain oder während der Nacht sei auch der Einsatz von Suchhunden, Hubschraubern mit Wärmebildkamera oder anderen Geräten denkbar. Im Fall von Helmut M. hatte die Polizei so etwa eine Hundestaffel und einen Polizeihubschrauber eingesetzt, allerdings ohne Erfolg.
Wie viele Menschen werden vermisst?
Aber wie häufig werden in der Region überhaupt Menschen als vermisst gemeldet? Aktuell kann Dieter Popp auch dazu keine Informationen liefern, das werde noch über die statistische Erfassung beim Führungs- und Einsatzstab geklärt. Das BKA liefert immerhin Zahlen für Deutschland: Am 1. Januar 2023 seien für das gesamte Land im polizeilichen Informationssystem INPOL rund 9300 vermisste Personen registriert gewesen.
Täglich würden etwa 200 bis 300 Fahndungen neu erfasst und zudem etwa die gleiche Anzahl wieder gelöscht, weil sich die Fälle erledigt haben. „Erfahrungsgemäß erledigen sich etwa 50 Prozent der Vermissten-Fälle innerhalb der ersten Woche. Binnen Monatsfrist liegt die ‚Erledigungs-Quote‘ bereits bei über 80 Prozent“, so das BKA. „Der Anteil der Personen, die länger als ein Jahr vermisst werden, bewegt sich bei nur etwa drei Prozent.“