Im nahezu voll besetzten Milchwerk läuteten die Weibsbilder der Narrizella Ratoldi am Montag vor rund 400 Narren die Fasnacht ein – mit kritischen und lachtränenreichen Sketchen, mit erotischen und akrobatischen Tänzen, mit pointierten Büttenreden und einer aberwitzigen Quizshow rund um das Federvieh. Während der vier Stunden heizte in den Pausen und zwischen den Beiträgen die Narrenmusik dem närrischen Volk mit ihren Stimmungsliedern ein.

Ein Glanzlicht der diesjährigen Late-Night war die wortlose Anmoderation der Beiträge. Mit einem unerschöpflich erscheinenden Fundus an Mimik und Gestik führte Elsa Santinho-Reiser als Zilli Zeller Göre pantomimisch durch das Programm. Von der Lautstärke des einziehenden Fanfarenzugs erlitt sie bei jedem Ansatz einen bilderbuchreifen und gequälten Nervenzusammenbruch.
Ihr Versuch, sich als Barbie zu verkleiden, wird in die Geschichte der Weibsbilder genauso eingehen wie ihre missglückten Zauberkünste oder die Beschwörung einer Klapperschlange mit Flötentönen. Santhino-Reiser gehörte mit ihren Show-Einlagen samt einem Berg an Requisiten und mit ihrer Gesangsstimme definitiv mit zu den Zugpferden der Weibsbilder.
Ein Gebiss für die ganze Familie
Auf ebenso hohem Niveau stand Jutta Graf auf der Bühne. Das erfrischende Talent komödiantischer Unterhaltung zeigte keinerlei Scheu, sich selbst einer potenziellen Lächerlichkeit preis zu geben. Dieses Risiko zahlte sich nicht nur für sie selbst, sondern für das gesamte Publikum aus. Wortgewandt und stilsicher in den Pointen reizte sie in den Sketchen „Durstig“ und „Vögel raten“ das närrische Volk zu Lachsalven. Rund um dieses Showtalent fanden auch die Mitspielerinnen einen sicheren Hafen für deren sehr gutes Spiel auf der Bühne.

Zwei Bühnen-Duette zogen nicht nur die Blicke, sondern auch die Lacher an. Mit außergewöhnlicher Bühnendekoration und einen an den Film erinnernden Aufnahme-Trick erlebten die Narren hautnah die Flugangst einer Ente im Rundflug über Radolfzell mit. Karin Vögele flatterte mit unruhigen Flügelschwingen von einer Panikattacke zur nächsten und wurde von ihrer Copilotin-Ente Mareen Bromma mit wohlwollenden Worten in Schach gehalten, damit ihre Enten-Freundin keinem Herzinfarkt oder epileptischen Anfall zum Opfer fiele.

In dem Sketch „Das Gebiss“ loteten Elke und Chiara Lüber im wahrsten Sinne des Wortes Grenzen des guten Geschmacks aus. Sie entwickelten das Szenario einer Gesundheitsreform, bei dem dritte Zähne wegen hohen Kosten als Familiengebiss dienen können. Dafür gebe es nun ein europäisches Generationen-Normgebiss, das selbst der Opa mitbenutzen könne. Das närrische Publikum ergoss sich in Lachtränen, als das Duo sämtliche Szenarien und Anwendungsbeispiele durchdeklinierte.
Was Männer und Hunde gemeinsam haben
Allein auf der großen Bühne stehen und das Publikum dennoch in den Bann ziehen zu können, das gelang Christine Schünemann und Marlis Reining. „Auf den Hund gekommen“ war Christine Schünemann. Über dubiose Leute, undurchsichtige Wege und umständehalber wurde sie zur Besitzerin eines ganz manierlichen Hunds mit Platz und Sitz. Der Hund brauche Regeln – schließlich habe das auch bei ihrem Mann funktioniert, war sich Schünemann sicher. Lachtränenreich berichtete sie über die Gemeinsamkeiten und Maßnahmen bei beiden Wesen in einem Abwasch.

Marlis Reining hatte im jüngsten Urlaub ihre ganz persönliche Grenze gefunden: „Hör mir auf mit Camping“ lautete ihr Kehraus auf den Trend unter den Senioren. Mit viel Zwischenapplaus und vielen Lachern berichtete sie aus ihrem Tagebuch über eine Reise in die Toskana und ihren nervenaufreibenden Aufenthalt mit gleichgesinnten Campern.
Mit der Gitarre berichtete Barbara Drosdek über die „Fasnacht aus weiblicher Sicht“ mit all den Kollateralschäden – wenn man bei einem Narrentreffen zum Beispiel nicht trinkfest ist oder inmitten von 3000 Narren steht. In Anlehnung an Annett Louisans Ballade „Das Spiel“ begleitete sie Lioba Drosdek und Xenia Martin zu deren Lied: „Ich will doch nur Hansele sein“. Aus dem Publikum kamen begeisterte Rufe.

Mit authentischen Kostümen, viel Liebe für das Detail und einem großen Applaus brachten die Bailando-Tanzgruppe mit ihrer Frontsängerin Ines Ende den Tango auf die große Bühne im Milchwerk. Die Sirenas zogen mit einem orientalischen Tanz die neugierigen Blicke auf sich und verzauberten das Publikum mit farbenfrohem Schleier.
Einen rauschenden Beifall gab es auch für die „Elements Möggingen“. Sie nahmen den Barbie-Hype in ihre Tanz-Show auf und tanzten kraftvoll und in stilechten Kostümen zum Hit „Not your Barbie girl“.