Einer denkt schon ans Aufhören, einer ändert sein Konzept und schießt gegen die Stadt – doch ein Neuling bleibt trotz aller Probleme optimistisch: Nachdem bereits vor wenigen Wochen Daniel Stütz vom Restaurant an der Mole von Schwierigkeiten bei der Personalsuche und gestiegenen Preisen berichtete, sprechen nun drei weitere Radolfzeller Gastronomen über ihre aktuelle Lage. Und die ist bei allen dreien angespannt.

Gökalp Onay, Betreiber des Porterhouse am Seetorplatz, sitzt an diesem Vormittag im leeren Gastraum seines an diesem Tag geschlossenen Restaurants. Er ist enttäuscht und wütend – aber auch angriffslustig. Seine Lage ist zwar schwierig, aufgeben möchte er aber nicht. Stattdessen plant er ein neues Konzept – und zwar eines ohne Fleisch. Seit vielen Jahren versorgt Onay seine Gäste mit hochwertigem Rindfleisch aus Argentinien, erzählt er. Doch ab Mai ist das Geschichte, dann gibt es hier nur noch Burger, Pizza und Salate. „Wir müssen preiswerter werden“, erklärt Onay. Denn das Wasser stehe ihm bis zum Hals. „Es geht ums Überleben“, sagt er.

„Früher konnte man als Gastronom einfach irgendwo einkaufen, jetzt vergleiche ich jeden Morgen erst einmal die Preise aller ...
„Früher konnte man als Gastronom einfach irgendwo einkaufen, jetzt vergleiche ich jeden Morgen erst einmal die Preise aller Anbieter“, sagt Gökalp Onay, Inhaber des Porterhouse. | Bild: Mario Wössner

Hauptproblem seien die gestiegenen Einkaufspreise und die Rückkehr der Mehrwertsteuer. „Früher konnte man als Gastronom einfach irgendwo einkaufen, jetzt vergleiche ich jeden Morgen erst einmal die Preise aller Anbieter“, berichtet er. Doch die Kosten möchte er nicht direkt an seine Kunden weitergeben. Denn viele blieben schon jetzt weg.

„Die Lust, Essen zu gehen, ist kleiner geworden. Und wenn, dann bestellen die Leute viel mehr nach Preis als früher“, berichtet er. Menschen, die früher zweimal pro Woche auswärts gegessen hätten, kämen jetzt maximal noch einmal. Besonders Familien könnten sich seine teuren Fleischgerichte nicht mehr leisten. Die Folge: Es bleibt weniger hängen, besonders im Winter lohne sich das Restaurant kaum noch.

Tut die Stadt zu wenig für die Gastronomie?

Gökalp Onay gibt Stadt und TSR eine Mitschuld an der schwierigen Lage vieler Gastronomen. Es gebe keine Strategie, kein Konzept für die Innenstadt und zu wenig Absprachen mit den Wirten. „Der Fokus liegt viel zu sehr auf der Promenade, wo alle Touristen hingelenkt werden, obwohl sie nicht einmal schön gemacht ist“, sagt er.

Zudem fehle es in der Stadt an Attraktionen. „Ich liebe Radolfzell, aber hier ist kein Leben“, sagt er. Außerdem würden Stadtfeste wie das Altstadtfest zu früh enden. Er habe oft Gäste aus der Schweiz da, die dann früh gehen würden. Wenn er aber teure Musiker buche oder gutes Fleisch anbiete, würden oft erst die Einnahmen ab 21 Uhr Gewinn abwerfen. „Wenn Feste um 22 Uhr schon enden, verlassen Auswärtige viel zu früh die Stadt“, klagt er. Es fehle eine gemeinsame Absprache und Strategie zwischen TSR und Gastronomen.

„Beim Marketing fokussieren wir uns auf keinen Bereich. Wir bewerben Radolfzell als lebendige Innenstadt“, sagt ...
„Beim Marketing fokussieren wir uns auf keinen Bereich. Wir bewerben Radolfzell als lebendige Innenstadt“, sagt TSR-Geschäftsführerin Regina Brüsewitz zur Kritik an der Stadt. | Bild: Mario Wössner

Regina Brüsewitz, Leiterin der Tourismus und Stadtmarketing GmbH TSR, sagt zu der Kritik: „Beim Marketing fokussieren wir uns auf keinen Bereich. Wir bewerben Radolfzell als lebendige Innenstadt.“ Die TSR leite „federführend“ das Projekt Innenstadtoffensive Radolfzell. „Wir beschäftigen uns derzeit hauptsächlich mit der Innenstadtentwicklung„, stellt sie klar.

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Auch gebe es bei den Stadtfesten keine Vorgabe für Gastronomen, dass sie nach dem Veranstaltungsende auch ihren Betrieb und Verkauf enden lassen müssen. Den Abendmarkt beende die Stadt beispielsweise bewusst bereits um 21 Uhr, damit die Gäste danach noch in die Restaurants und Bars strömen können. „Wie man letztes Jahr beobachten konnte, klappt das auch sehr gut“, so Brüsewitz.

Unklare Zukunft für Zwirners Restaurant

Auch für Alberto Zwirner vom gleichnamigen Restaurant ist die Lage schwierig – wenn auch aus anderen Gründen. „Wir müssen schwer kämpfen. Wir können überleben, aber nicht mehr gut davon leben“, berichtet Zwirner. Doch die steigenden Kosten seien für ihn kein so großes Problem wie für manch anderen Wirt. „Bei unserem Klientel können wir das direkt an die Gäste weitergeben“, berichtet Zwirner. 4 oder 5 Euro mehr würden keinen seiner Gäste vertreiben. „Der Laden läuft gut, seit Ende der Corona-Beschränkungen haben wir sogar 25 Prozent mehr Gäste und Umsatz als vor der Krise“, sagt er.

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Das Problem sei ein anderes: „Heutzutage Fachkräfte zu finden, ist wie ein Sechser im Lotto – egal ob im Service oder in der Küche“, sagt Zwirner. Vor allem Nachwuchs sei Mangelware. „Es ist finanziell und personell mühsam. Auf lange Sicht lohnt es sich nicht mehr“, klagt Zwirner. Er denke deshalb darüber nach, das Restaurant irgendwann aufzugeben.

Neueröffnung mitten in der Krise – warum?

Optimistischer schätzen die Inhaber des seit Februar neu eröffneten La Terrazza, Nachfolger des Il Postino, die Situation ein. Und das trotz einiger Herausforderungen zum Start. Mahmud Mahmudi, Sohn beziehungsweise Schwager der beiden Inhaber Dzumali Mahmudi und Valon Ramadani, berichtet: „Wir sind optimistisch, sonst hätten wir gar nicht geöffnet.“ Doch hätten die drei nicht bereits mehrere Jahre Gastro-Erfahrung als Angestellte, hätten sie nicht sich im Dezember zur Selbstständigkeit entschlossen. „Wir waren aber schon so lange der Suche nach etwas Eigenem, dass wir diese Chance nutzen wollten“, erklärt Mahmudi.

Trotz der hohen Kosten setzen die neuen Inhaber zunächst auf günstige Preise. „Anders geht es am Anfang nicht“, sagt er. Im Februar seien auch direkt deutlich mehr Gäste gekommen als erwartet. Aber: „Mit dem Personal ist es sehr schwierig“, räumt Mahmudi ein. Sie seien auf der Suche nach einem Koch, Barkeepern und Kellnern.

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Die Eröffnung bereue der dennoch nicht. Mahmudi sieht sogar Anlass zu Optimismus. „Ich denke, dass es künftig wieder mehr Interessenten gibt. Zwar ist die Arbeit in der Gastronomie hart. Aber die Mieten und alle Kosten steigen, die Leute brauchen Geld. Und mit Trinkgeld verdient man in der Gastronomie mehr, als auf dem Bau oder im Einzelhandel“, ist er sich sicher.