Es sei ein letzter Rettungsversuch angesichts steigender Preise, fehlendem Personal und ausbleibenden Gästen: Gökalp Onay hat das ehemalige Steakhouse am Seetorplatz in Radolfzell inzwischen zum Seetor Burgerparadies gemacht. Im Juni änderte er den Namen und warf das bisherige Konzept über den Haufen. Doch was hat es tatsächlich gebracht? Wie ist die Situation von Onay und weiteren Radolfzeller Gastronomen sechs Monate nachdem sei eine angespannte Lage beklagt haben und Schließungen in der Stadt fürchteten?

Tatsächlich meldet Onay deutlich weniger Kundschaft: „2024 war das schlimmste Jahr, das wir bislang erlebt haben. An manchen Tagen waren selbst mitten in der Saison nur ein Drittel aller Tisch draußen belegt. So etwas gab es noch nie bei uns.“ Und wenn Gäste da sind, würden diese eine Bestellung oft teilen. Teilweise würden selbst drei Erwachsene ein Burger-Menü zusammen bestellen. „Ich verstehe das, jeder ist unsicher und hat weniger zur Verfügung. Selbst die Menschen, die Geld haben, gehen heutzutage weniger essen. Aber uns Gastwirten macht das zu schaffen“, beklagt er.
Konzeptänderung war „überlebenswichtig“
Dennoch stellt er klar: „Ich bin froh über die Umstellung, sie kam gerade noch zur richtigen Zeit, weil wir uns dadurch Personal- und Fleischkosten sparen. Sie war überlebenswichtig.“ Anstatt teuren Rindersteaks gibt es seither Burger mit Salat oder Pommes, Familien könnten nun für insgesamt 60 bis 70 Euro bei ihm essen.

An der Gästezahl habe sich dadurch zwar wenig geändert. Doch zumindest die Kosten habe man reduziert, auch da man zwei Köche weniger brauche. „Um einen Burger zu braten, brauche ich keinen Koch für 3000 Euro im Monat“, sagt Onay. Nun würden ein Aushilfskoch und er selbst in der Küche stehen. Auch das teure Rindfleisch wäre heute „nicht mehr bezahlbar“.
Denn die Einkaufspreise seien unverändert hoch, die Personalsituation in der Gastronomie unverändert schlecht, vergleicht Onay die aktuelle Lage mit jener im März. Dazu waren Mai und Juni verregnet, was Gäste und Touristen am Bodensee verschreckt habe.
Werden Karte und Küche weiter schrumpfen?
Onays Zukunftsaussichten sind entsprechend trüb. „Wir wissen nicht, wie es weitergeht, aber es muss etwas passieren. Die Mehrwertsteuer muss zum Beispiel zurück auf sieben Prozent“, fordert er. Onay rechnet im Herbst und Winter mit noch schwierigeren Monaten, wenn das Wetter schlechter wird und weniger Touristen kommen. Die Talsohle sei noch nicht erreicht.
Dennoch gibt er sich kämpferisch: „Ich denke nicht ans Aufhören, aber vielleicht muss ich künftig noch mehr beim Personal sparen oder die Karte weiter verkleinern, sodass es gerade noch zum Überleben reicht.“ Langfristig sei die einzige Rettungsmöglichkeit jedoch eine Besserung der allgemeinen Wirtschaftslage, damit die Menschen wieder mehr ausgehen.
Durchwachsene erste Saison im La Terrazza
Die Familie Mahmudi, Betreiber des La Terrazza in der Teggingerstraße 5, waren im März noch optimistisch. Nur einen Monat zuvor hatten sie das ehemalige Il Postino übernommen und gaben sich überzeugt, dass die Saison trotz schwieriger Umstände ein Erfolg werden würde. Wie fällt ihr Fazit nach dem ersten Sommer aus?
„Der Juni war schlecht, das lag aber vor allem am Regenwetter und der Fußball-Europameisterschaft, die die Menschen eher in Bars gelockt hat“, sagt Mahmud Mahmudi. Ab Juli sei es dann „ganz okay“ gelaufen. Sein Eindruck: In diesem Jahr seien nur relativ wenige Touristen nach Radolfzell gekommen, worunter er und andere Wirte gelitten hätten. Vermutlich habe das Hochwasser viele abgeschreckt.

„Unsere Terrasse war abends im Sommer dennoch zu 90 Prozent gefüllt, damit sind wir sehr zufrieden“, sagt Mahmudi. Geholfen habe, dass man durch die zum Start vergleichsweise niedrigen Preise vor allem Radolfzeller Gäste habe gewinnen können. Die Preise wolle man daher bis Jahresende beibehalten, danach justiere man eventuell nach.
Denn obwohl er die hohen Einkaufspreise nicht komplett an die Gäste weitergebe, bleibe etwas hängen. „Es rentiert sich, auch wenn man mit einem Restaurant nicht mehr so verdient wie noch früher. Wir sind weiterhin optimistisch“, so Mahmudi.
Unter der allgemeinen Situation in der Gastronomie leide das La Terrazza aber auch. Wie schon vor einem halben Jahr sei es nahezu unmöglich, Mitarbeiter zu finden. Besonders im August hätte er sich Verstärkung gewünscht. Mahmudi sagt: „Wenn man einen Familienbetrieb hat oder zumindest viele Angestellte aus der Familie, so wie wir, dann geht es. Ansonsten macht es in der Gastronomie gerade sicherlich nicht so viel Spaß.“
Schlimmstes Jahr für Ristorante Tabu Art
Wenig Spaß hat aktuell auch Emilia Caivano, Chefin des Ristorante Tabu Art in der Seestraße 20. „Es ist noch schlimmer als vergangenes Jahr“, sagt sie. Es fehle in der gesamten Branche an Personal und die Einkaufspreise seien teils doppelt und dreifach so hoch wie vor der Corona-Pandemie. Deshalb habe auch sie die Preise erhöhen müssen. „Das nehmen die Gäste natürlich nicht gerne an und bleiben weg“, klagt sie.
Die Mehrwertsteueranpassung im vergangenen Januar von sieben zurück auf 19 Prozent habe sich nicht komplett an die Gäste weitergegeben, aber die Preise um jeweils 1 Euro erhöht. „Sonst kommt ja gar niemand mehr“, erklärt sie. An einem Abend habe sie nur etwa 90 Euro Umsatz. „Das tut sehr weh“, so Caivano.
Schadet der Abendmarkt den Wirten?
Zudem beklagt die Wirtin die Feste und Abendveranstaltungen im Sommer in der Stadt, die die Menschen an- und damit von den Restaurants weglocken würden. „Zum Beispiel der Abendmarkt: Früher war das ein normaler Markt, heute hat es dort viele kulinarische Angebote, sodass niemand mehr danach essen geht“, beschreibt sie. Ähnliche Vorwürfe hatte vor sechs Monate schon ihr Kollege Gökalp Onay geäußert, TSR-Leiterin Regina Brüsewitz widersprach damals deutlich.
Wie ihre Kollegen hat Emilia Caivano zudem den Eindruck, es seien in diesem Jahr weniger Touristen als gewöhnlich in Radolfzell gewesen, auf der Straße sei weniger los gewesen. Eine Beobachtung, die ihr aber auch Hoffnung auf ein besseres Jahr 2025 mache.