Ein pflichtbewusster Vater oder doch ein angriffslustiger Geschäftspartner? Mit dieser Frage hat sich jüngst das Amtsgericht Radolfzell befasst. Vorgeworfen wurde einem 48 Jahre alten Angeklagten schwere Körperverletzung und die Äußerung von Morddrohungen. Der Angeklagte, der sich nur über seinen Anwalt gegenüber dem Gericht äußern wollte, plädierte hingegen auf Notwehr. Er gab an, er habe nur seine Kinder beschützen wollen.

Vor Gericht zeigte sich, dass Opfer und Angeklagter als Geschäftspartner einst gemeinsam ein Lokal führten. Ein Streit dort eskalierte jedoch derart, dass sie sich nun vor Gericht gegenüber standen.

Angeklagter hatte Angst um seine Kinder

Als der Geschädigte am Morgen des 21. Juli 2024 das gemeinsame Lokal betrat, war die Stimmung zwischen den beiden Familien bereits kühl. Die beiden Ehefrauen, ebenfalls im gemeinsamen Lokal tätig, hatten am vorigen Tag eine Absprache über die Arbeitszeiten getroffen, berichteten die Beteiligten in der Verhandlung. Doch diese scheinbar zu unklare Abmachung sollte nun der Katalysator für einen finanziell möglicherweise vernichtenden Streit werden, wie in der Verhandlung deutlich wurde.

Als die Diskussion immer hitziger wurde, habe der Geschädigte den kleinen Hund des Angeklagten aus dem Weg getreten, sagte dessen Verteidiger. Sein Mandant habe dies als eine direkte Gefahr für seine Kinder gesehen, die zu diesem Zeitpunkt vier und neun Jahre alt waren und nicht weit entfernt an einem Tisch saßen. Nach Aussage des 48-jährigen Angeklagten verstärkte sich dieses Gefühl, als der Geschädigte schließlich einen Tisch in Richtung der Kinder trat.

Er habe sich daher zum Handeln gezwungen gesehen, so der Angeklagte, um seine Familie zu beschützen. Deshalb habe er seinen Geschäftspartner in den Schwitzkasten gepackt und ihn zu Boden gerungen. Dort habe er ihn weiterhin umklammert, um die Situation zu deeskalieren. Von Schlägen oder gar Morddrohungen wollte der Angeklagte vor Gericht jedoch nichts wissen.

Geschädigter spricht von Würgen, Schlägen und Morddrohungen

Die Aussage des Hauptzeugen, des Geschädigten selbst, warf in der Verhandlung jedoch Fragen zu den Schilderungen des 48-Jährigen auf. Er beschrieb die Situation vor Gericht sehr aufgebracht, gestikulierte viel und wurde zunehmend lauter. Auch er habe, so berichtete er, nur aggressiv gehandelt, um seine Ehefrau zu schützen. Er gab zwar zu, den Hund getreten zu haben – allerdings aus Versehen. Eigentlich habe er einen Stuhl direkt daneben treffen wollen.

Als er sich dann bückte, um sich um den getroffenen Hund zu kümmern, habe der Angeklagte ihn von hinten gepackt und über einen Tisch auf den Boden geworfen, um dort auf ihn einzuschlagen und ihn bis zur Bewusstlosigkeit zu würgen. In dieser Situation habe der Angeklagte laut Morddrohungen in einer Fremdsprache geäußert.

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Aussage der Ehefrau sorgt für Zweifel

Die Situation konnte letztendlich nur durch die beiden Frauen gelöst werden, die die Männer voneinander trennten. Der Geschädigte verließ daraufhin das Lokal mit seiner Frau, suchte eigenständig Polizei und Krankenhaus auf und verließ wenige Monate später das Land – laut eigener Aussage aus Angst vor dem Angeklagten. Beweise hierfür lagen dem Gericht jedoch nicht vor. Zudem konnte der Mann weder von ihm erwähnte Polizeifotos der Verletzungen noch eine Bescheinigung des Krankenhauses vorweisen.

Weitere Ungereimtheiten traten auf, als die Verteidigung die Aussage des Geschädigten vor Gericht mit der Aussage von dessen Frau bei der Polizei verglich. Diese hatte damals gesagt, die Männer seien gemeinsam zu Boden gegangen. Auch das Würgen hatte sie bei der Polizei nicht erwähnt. Zudem hatte sie in ihrer polizeilichen Aussage berichtet, ihr Mann habe nicht nur den Hund getreten, sondern auch einen Stuhl.

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Richterin stellt Verfahren ein – gemeinsame Firma existiert weiter

Im Anschluss an diese Aussagen berieten die Prozessbeteiligten darüber, die Verhandlung abzubrechen. Der Grund: Der Geschädigte wirke sehr nervös. Seine Aussagen stimmten zudem weder mit denen seiner Frau noch der Beweislage überein. Da der Angeklagte weder vorbestraft ist, noch einen Nutzen aus dieser Tat hätte ziehen können, entschied sich das Gericht daher für die Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldauflage von 100 Euro.

Eine eindeutige Klärung könne nur mit der Ladung weiterer Zeugen, der jungen Tochter des Angeklagten sowie einer mittlerweile im Ausland tätigen Kellnerin, erreicht werden, begründete die Richterin. Diese schwierige Beweislage sowie der Interessenkonflikt beider Parteien rechtfertige diese Entscheidung.

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Die gemeinsame Firma besteht derweil bis heute. Während der Geschädigte vor Gericht äußerte, lediglich sein in die Firma investiertes Geld zurück haben zu wollen, besteht er über seinen Anwalt zusätzlich noch auf eine Ausgleichszahlung. Diese würde den finanziellen Ruin seines angeklagten Geschäftspartners bedeuten.

Wie es in dieser Frage weitergeht, wird in einer anderen Verhandlung entschieden werden. Fest steht jedoch: Für beide Seiten ist eine weitere Zusammenarbeit vollkommen ausgeschlossen.