Seit der Nachricht, dass das Singener Grundstück von der Grundstückskommission klar bevorzugt wird, sind ein paar Wochen vergangen. Wie bewerten Sie diese Entscheidung nun mit etwas Abstand? Können Sie diese nachvollziehen?
Ich kann die Entscheidung der Grundstückskommission nicht in allen Teilen nachvollziehen. Das Gutachten von Lohfert und Lohfert hat für den neuen Zentralstandort einen Suchradius definiert, der als idealen Bereich für den neuen Standort die Lage an der B33 vorsieht. Dieses Kriterium, aber auch weitere wie Grundstücksgröße und Erreichbarkeit, legten wir bei der Auswahl unserer Radolfzeller Grundstücke zugrunde.
Insbesondere ging es von Anfang an um die Reduzierung der Doppelstrukturen und um einen Standort der nahe Konstanz und dennoch zentral im Landkreis liegt. Die Mitglieder der Grundstückskommission empfahlen allerdings mit großer Mehrheit das Singener Grundstück, westlich von Singen. Die Kriterien des Lohfert und Lohfert Gutachtens finden sich jedoch nicht im Ergebnis wieder. Denn die Distanz zwischen dem Konstanzer Krankenhaus und dem Singener Standort für den Neubau ist recht groß. Die Doppelstrukturen werden uns im Landkreis somit weiterhin beschäftigen.
Gibt es in Radolfzell bereits einen Plan B, C oder D, wie man die medizinische Versorgung verbessern kann?
Die Bürgerschaft trägt an mich immer wieder heran, dass es zu wenige Hausärzte gibt und dass die Wartezeiten auf Facharzttermine deutlich zu lang sind. Noch können wir in Radolfzell nicht von einer Unterversorgung reden, laut aktuellen Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung droht diese auch noch nicht. Aber ich gehe davon aus, dass die ärztliche Versorgung bei uns im ländlichen Raum in Zukunft eine Herausforderung ist. Es wird daher wichtig sein, Anreize für eine Niederlassung von Ärztinnen und Ärzten zu setzen.
Die Frage der dauerhaften Sicherung der ärztlichen Versorgung beschäftigt uns auf vielen Ebenen – wir sind in engem Austausch mit unterschiedlichen Vertretern der Ärzteschaft und auch im Austausch mit den Bürgermeistern der Höri-Gemeinden zu den interkommunalen Möglichkeiten. Auch auf der Höri wird der ärztliche Versorgungsgrad als niedrig empfunden.
Was man in diesem Zusammenhang wissen muss: Die Bedarfsplanung der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg regelt, wo Ärzte und auch Psychotherapeuten gebraucht werden. Der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen prüft, welche Planungsbereiche über- oder unterversorgt sind. Neugründungen von Praxen sind nur möglich, wenn das Planungsgebiet offen ist. Ein Anreiz für Ärzte kann ein MVZ sein, weil in einem MVZ die Inhaberschaft organisatorisch von der ärztlichen Behandlungstätigkeit getrennt ist. Das heißt die Person, die ärztlich tätig ist, kann sich voll und ganz auf die Patienten konzentrieren und muss sich nicht um die Buchhaltung mit Abrechnung, Qualitätsmanagement, Hygieneanforderungen et cetera kümmern.
Allerdings kann ein MVZ nicht die Notfall-Ambulanz eines Krankenhauses ersetzen und auch nicht die Randzeiten abends und Wochenenden abdecken – ein MVZ hat praxisübliche Öffnungszeiten. Zum MVZ gibt es in der Bürgerschaft leider Irrtümer und zum Teil falsche Erwartungen. Wichtig ist in der derzeitigen Diskussion: Durch Gründung eines MVZ können leider keine neuen Arztsitze geschaffen werden.
Alle reden über den Standort, aber die Finanzierung des Neubaus könnte angesichts der allgemeinen wirtschaftlichen Lage für den Landkreis ein Problem werden. Wie sehen Sie dieses Thema?
Die Finanzierung des Klinik-Neubaus wird eine große Aufgabe werden. Das werden auch wir in Radolfzell deutlich über die Kreisumlage zu spüren bekommen.
Radolfzell scheint im GLKN nicht nur Junior-Partner, sondern auch noch Außenseiter zu sein. Wie empfinden Sie die Rolle der Stadt im Verbund?
Wir sind im Gesundheitsverbund leider nur Außenseiter; unsere Stimme hat kein Gewicht. Hier kann ich Ihnen nur beipflichten.