Es war das Prestige-Projekt des ehemaligen Oberbürgermeisters Martin Staab. Aber Jahre später ist es noch immer eine brachliegende Wiese in Verlängerung des Kasernenareals im Norden Radolfzells, die darauf wartet, aus dem Dornröschenschlaf erweckt zu werden. Das mutmaßlich erste klimaneutrale Gewerbegebiet Deutschlands macht seinem Namen alle Ehre, denn noch ist es für die Umwelt keine Belastung: Bisher hat sich kein einziges Unternehmen dort angesiedelt. Und das wird wohl auch in naher Zukunft nicht passieren.
Blurado ist bereit für die ersten Firmen
Stefan Hofmeister ist Pressesprecher des Unternehmens Getec, welches das Gewerbegebiet Blurado betreiben möchte. Er informiert über den aktuellen Stand, denn für die ersten Firmen sei schon alles parat: „Das Agrothermiefeld und die kalte Nahwärmetrasse wurden vollständig errichtet und an die Heizzentrale angeschlossen. Die Heizzentrale ist errichtet und wird nun technisch ausgestattet“, schreibt Hofmeister auf Nachfrage.

Anschließend werde mit dem Anschluss der Gebäude an das kalte Nahwärmenetz und dem Aufbau der Wärmepumpenanlagen in den Gebäuden begonnen. Doch dies geschehe erst, wenn die ersten Grundstückskäufer ihre Gebäude errichten.
Start war eigentlich 2024 geplant
Laut einem Imagefilm von Getec, der in dem sozialen Netzwerk LinkedIn zuletzt vor etwa einem Monat gepostet aber schon Sommer 2022 gedreht wurde, rechnet man 2024 mit den ersten Firmen, die ins Blurado einziehen wollten. Platz habe man für 13 Unternehmen, heißt es.
Doch muss Hofmeister die Aussagen aus dem Video etwas korrigieren: Aktuell plane keines der Unternehmen, im kommenden Jahr nach Radolfzell zu ziehen. „Seitens Getec steht einer Inbetriebnahme im kommenden Jahr grundsätzlich nichts im Wege. Allerdings hat die Stadt Radolfzell noch nicht alle Grundstücke verkauft. Da es sich abzeichnet, dass dieser Prozess noch eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen wird, ist mit einem Start in 2025 zu rechnen“, so der Pressesprecher der Blurado-Betreiberfirma.
Die Radolfzeller Stadtverwaltung sieht das Blurado ebenfalls startbereit. „Strategischer Vorteil von Blurado ist, dass sowohl kleine und mittlere Betriebsgrößen, wie auch Großansiedlungen möglich sind – und dies auch sofort, da es sich um ein fertig erschlossenes und baureifes Gewerbegebiet handelt“, schreibt die städtische Pressesprecherin Julia Frey auf Nachfrage. Mit dem Startzeitpunkt zeigt sich die Stadt allerdings optimistischer als die Betreiber von Getec: „Die Prognose erster Aufsiedlungen in 2024 ist nach aktuellem Verhandlungsstand mehr als realistisch“, so Frey.
Anfangs hatten sich 19 Firmen gemeldet
Geplant wird das klimaneutrale Gewerbegebiet, ehemals das Gewerbegebiet Kreuzbühl, seit 2018. Lange hatte man dann keinen Betreiber gefunden. 2020 stand dann mit dem Magdeburger Unternehmen Getec endlich einer fest. Bei der ersten Ausschreibung für Blurado sei die Anfrage erfreulich hoch gewesen, wie Julia Frey mitteilt. „Auf die erstmalige Ausschreibung im Herbst 2021 erfolgte eine solch große Bewerberlage, sodass die vorhandenen Flächen schnell überzeichnet waren und eine rasche Aufsiedlung des Gebiets in Aussicht stand“, teilt sie mit. In Zahlen gesprochen hätten sich insgesamt 19 Firmen beworben, von denen dann 13 den Zuschlag erhalten hatten.
Doch warum kam das Projekt dann ins Stocken? Julia Frey versucht, die Sachlage so zu erklären: „Mit Februar 2022 haben sich jedoch eine Vielzahl unerwarteter volkswirtschaftlicher Veränderungen ergeben.“ Darunter zählt sie Lieferengpässe, Preissteigerungen – insbesondere Baukosten und Rohstoffpreise -, Zinsveränderungen und Unsicherheiten in den Märkten.
Wirtschaftliche Lage soll Schuld sein
Dies habe dazu geführt, dass es für die Mehrheit der Betriebe seither kaum mehr möglich gewesen sei, eine entsprechend für bauliche Investitionen notwendige Planungssicherheit zu schaffen. Aus diesem Grund hat noch keine Firma in Blurado den Spatenstich gesetzt. Dennoch, so schreibt die städtische Sprecherin weiter, erfreue man sich einer steten Nachfrage. Für das Blurado stehe man aktuell mit drei Unternehmen in Verhandlungen. Einen Vertrag unterschrieben hat bisher aber noch keine der Firmen. Man rechne aber noch diesen Monat mit den ersten Vertragsabschlüssen.
Trotz schleppender Kundenakquise hält Getec an Blurado fest. Das Projekt sei nach wie vor ein Leuchtturmprojekt, das bundesweit seinesgleichen suche, so Stefan Hofmeister. Einer Umsetzung in absehbarer Zeit stünde man aber äußerst optimistisch gegenüber. An den Kosten wird es nicht liegen. Laut Stadtverwaltung kostet der Quadratmeter im Gewerbegebiet Blurado 120 Euro. Ein Quadratmeter im Gewerbegebiet Nord stünde aktuell bei 130 Euro.