Es überrascht nicht, dass der Wechsel von Arbeiten im Büro zu Homeoffice beim Radolfzeller IT-Dienstleister Sybit völlig reibungslos vonstatten ging. Am 13. März 2020 waren die Mitarbeiter noch ganz normal in den Jahrhundertbau, in dem das Unternehmen seinen Hauptsitz hat, an ihren Schreibtisch gekommen. Am Nachmittag des selben Tages beschloss die Geschäftsleitung, dass alle ins Homeoffice gehen müssen. „Und am Montag waren alle daheim und es ging alles erstaunlich geräuschlos über die Bühne“, erinnert sich Thomas Regele, Geschäftsführer von Sybit. Das ist eine der Erinnerungen an den Beginn der Pandemie, auf die er mit einem gewissen Stolz zurückblicken kann. „Als Digitalagentur waren wir auf diese Entwicklung gut gewappnet“, sagt Regele.
Dann gibt es wieder andere Erinnerungen, die ihm zu diesem Zeitpunkt Sorgen bereitet hatten. Von Mai bis September 2020 musste der IT-Dienstleister für einen Teil seiner Belegschaft Kurzarbeit anmelden. Kunden zogen ihre Aufträge zurück, die allgemeine Unsicherheit erfasste auch Sybit. Doch unternehmerisch gesehen habe die Digitalagentur die Krisenmonate gut überstanden, so Regele. Man sei zwar nicht gewachsen, habe aber sein Niveau halten können und einen Gesamtumsatz von 32,6 Millionen Euro erwirtschaftet. Und auch die Kunden überwanden ihre Unsicherheit und die Auftragslage zog Anfang 2021 wieder ordentlich an. „Wir rechnen im Jahr 2021 mit einem Wachstum von etwa 15 Prozent und einem Umsatz von rund 38 Millionen Euro“, informiert Regele.
Das Team wird nicht wachsen
Gute Prognosen also für das Jahr 2022 könnte man meinen. Doch Thomas Regele dämpft die Aussicht auf noch mehr Gewinn, denn ein Bereich in dem IT-Unternehmen wachse nicht mit: das Personal. Eigentlich könne er noch 20 erfahrene Fachkräfte gebrauchen, doch finde die Firma nur sehr schwer neue Mitarbeiter. Die Nachwuchsarbeit klappe ganz gut, die Kooperation mit der HTWG Konstanz sei ein wahrer Gewinn für Sybit und viele Absolventen wären heute Mitarbeiter.
Doch sei es unfassbar schwierig erfahrene Mitarbeiter nach Radolfzell zu locken. Regele geht davon aus, dass die Belegschaft von rund 300 Mitarbeitern, 230 allein am Standort Radolfzell, in 2022 nicht weiter wachsen werde. Und noch mehr Projekte könne er seinem Team zeitgleich nicht zumuten, dieses sei bereits voll ausgelastet. Die vielen Anfragen, die gleichzeitig kämen, müsse man also „mit Fingerspitzengefühl“ bearbeiten, um nicht absagen zu müssen. „Ich bin sehr dankbar, dass die ganze Mannschaft so großen Einsatz gezeigt hat, als bei uns das Geschäft wieder anzog“, lobt Thomas Regele seine Mitarbeiter.
Prozess der Neustrukturierung
Doch befindet sich die Digitalagentur gerade wie viele andere Unternehmen in einem Prozess der Neustrukturierung. Eine Befragung der Sybit-Mitarbeiter habe ergeben, dass die meisten nicht wieder voll zurück ins Büro wollen. Ein Großteil würden am liebsten zwei Tage vor Ort in Präsenz arbeiten und drei Tage von zuhause. Aus diesem Grund werde im Jahrhundertbau aktuell ein neues Arbeitsplatzmodell etabliert. Flexible Arbeitsplätze sollen Mitarbeitern den Wunsch nach Homeoffice- und Bürotagen ermöglichen. Mit dieser neuen Arbeitskultur würden sich für Sybit auch neue Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt ermöglichen: „Mitarbeiter müssen nicht mehr zwingend in der Nähe einer unserer Standorte wohnen, sondern können dort leben und arbeiten, wo es ihnen gefällt“, erklärt Thomas Regele.
Eines vermisst der Gründer des Unternehmen durch diese Entwicklungen besonders: den Kontakt zu seinen Mitarbeitern. Ein wichtiger Teil der Unternehmenskultur von Sybit sei eine hohe Identifikation mit der Firma. Wie man diese herstelle, ohne in die Niederlassung zu kommen, ohne Kontakt zu Kollegen, ohne gemeinsame Veranstaltungen, sei eine wahre Herausforderung, so Regele. Wie in vielen anderen Betrieben hätten Firmenevents und Weihnachtsfeiern in den vergangenen 21 Monaten nicht stattfinden können. Man habe versucht das digital zu machen, aber „es ist einfach nicht das selbe“, so Regele. Man habe versucht, den Austausch im Team lebendig zu halten.
Sybit möchte in der Stadt bleiben
Auch mit weniger Mitarbeitern, die regelmäßig ins Büro kommen, stellt Thomas Regele den Standort Radolfzell nicht in Frage. „Wir haben in Radolfzell angefangen und werden hier bleiben“, sagt er. Einen Wechsel ins klimaneutrale Gewerbegebiet Blurado sei in der Geschäftsleitung diskutiert worden, man habe sich dann dagegen entschieden. „Die Kombination aus dem Preisgefüge und der Tatsache, dass wir dann nicht mehr zentral in der Stadt liegen würden, waren für uns die Gründe das Angebot auszuschlagen“, sagt der Sybit-Geschäftsführer. Die Innenstadtlage habe für viele Mitarbeiter, die mit Fahrrad, Bus und Bahn zur Arbeit kämen, viele Vorteile.
Um ihren Geschäftszweig weiter zu stärken wünscht sich Thomas Regele von der Politik einen schnelleren Ausbau der digitalen Infrastruktur. Da stünde Deutschland im internationalen Vergleich schlecht da und das bremse auch das Unternehmen aus, welches global tätig sei und die Unterschiede deutlich spüre. Und im lokalen Bereich wünscht sich Regele die Stärkung des Wirtschaftsstandortes Radolfzell und setzt viel Hoffnung auf den neuen Oberbürgermeister Simon Gröger, der noch Wirtschaftsförderer der Stadt Tuttlingen ist. Dieser habe das Thema Wirtschaftsförderung im Wahlkampf zur Chefsache erklärt. „Radolfzell ist und kann mehr als nur Tourismus und Kur“, sagt Thomas Regele. Er wünsche sich da mehr Austausch mit der Stadt Radolfzell, denn Sybit verstehe sich auch als Teil der Stadt. Mit mehr bezahlbarem Wohnraum und einer besseren Infrastruktur könne Radolfzell als Perle am See auch bei Fachkräften in der gesamten Bundesrepublik erkannt werden, ist sich der Geschäftsführer der Digitalagentur sicher.