Der Himmel ist bewölkt. Das Licht fällt grau auf die Landschaft bei Reute, und kalter Wind fährt in die Glieder. Einige Raubvögel kreisen über dem Acker. Dort, am Rebberg zwischen Stahringen und Böhringen, soll ein Solarpark entstehen. Dass hier einmal ausgerechnet Wärme in Strom umgewandelt werden können soll, ist an diesem kalten Wintertag kaum vorstellbar. „Unter diesen Bedingungen könnte der Solarpark 300 bis 350 Kilowatt erzeugen“, schätzt Jörg Dürr-Pucher. Er ist Projektentwicklungsleiter der Solarcomplex AG, die den Solarpark Brandbühl bei Reute betreiben will.

Bei entsprechender Sonnenkraft könnten auf der sechs Hektar großen Fläche deutlich mehr Strom erzeugt werden, bis zu sechs Megawatt. Laut Dürr-Pucher sei das ausreichend, um Böhringen und Güttingen zu versorgen.

Auf dieser Fläche unweit des Hofguts Reute soll im Sommer der Solarpark Brandbühl entstehen.
Auf dieser Fläche unweit des Hofguts Reute soll im Sommer der Solarpark Brandbühl entstehen. | Bild: Rasmus Peters

Solarstrom lohnt sich finanziell

Einen Großteil der Fläche pachtet das Unternehmen von Familie Stumpf-Eiselein vom nahegelegenen Hofgut Reute. Über die vergangenen Jahre baute die Familie die erneuerbaren Energien am Hof aus: Solarthermie, Holzheizung oder Photovoltaik wurden erweitert. Das stellte sich als Glücksfall heraus, kommentiert Jörg Eiselein, als Energiepreise stiegen und sie davon unabhängig waren. Die Solartherme etwa decke den Warmwasserbedarf, so dass für den Eigenbedarf und den der Feriengäste keine fossilen Energie benötigt werden.

Dennoch ging die Energiekrise nicht spurlos vorbei: „Beispielsweise haben sich die Kosten für Diesel über den Sommer verdoppelt und die Preise für Mineraldünger stiegen von etwa 35 Euro je 100 Kilogramm im Januar 2022 auf etwa 104 Euro je 100 Kilogramm im Oktober 2022“, so der Landwirt.

Hier sind alle Module nach Süden ausgerichtet. Beim Brandbühlpark werden sie dachförmig nach Osten und Westen angebracht sein.
Hier sind alle Module nach Süden ausgerichtet. Beim Brandbühlpark werden sie dachförmig nach Osten und Westen angebracht sein. | Bild: Rasmus Peters

Auf Solarstrom zu setzen, lohne sich für die Landwirte, erklärt Bernhard Diehl, Ortsvorsteher Böhringens. „Vermutlich verdienen sie mehr Geld, als wenn sie die Fläche selbst bewirtschaften“, so Diehl. Das war auch die Motivation von Familie Stumpf-Eiselein, die auf Solarcomplex zugekommen sei, sagt der Projektleiter Jörg Dürr-Pucher. Die Verpachtung könne Risiko aus dem Betrieb nehmen, gibt Landwirt Jörg Eiselein an. Der Ertrag für diese Flächen sei damit abgesichert. „Das bringt uns mehr Flexibilität, andere Betriebszweige zu verändern oder umzubauen.“

Eine Wiese für Solarstrom, Schafe und Bienen

Sobald die Module dann installiert sind, könnte es aussehen wie eine lange Monopoly-Straße. Die Solar-Paneele sollen nicht wie oft üblich nach Süden ausgerichtet sein, sondern dachförmig je eines nach Osten, eines nach Westen, schildert Dürr-Pucher. Zwischen den Modulen wären je etwa vier Meter Platz. In den begrasten Zwischenräumen könnten Schafe weiden, sagt er.

Am Hof ist man da noch nicht sicher: „Die Flächen für den Solarpark sind im Vergleich zu anderen Feldern von uns eher trocken oder schwer zu bewirtschaften“, so der Landwirt Jörg Eiselein. Deshalb habe man entschieden, den Acker zu verpachten und dort hochwertige Wiese zu säen, fährt er fort, für eine möglichst große Artenvielfalt. „Sehr wahrscheinlich werden wir mit unserer Imkerei auf dem Gelände auch einen Standort einrichten“, ergänzt Eiselein.

Auch beim Solarpark in Rickelshausen sind Bienenstöcke angebracht worden. Ähnlich soll auch beim Solarpark Bradbühl verfahren werden.
Auch beim Solarpark in Rickelshausen sind Bienenstöcke angebracht worden. Ähnlich soll auch beim Solarpark Bradbühl verfahren werden. | Bild: Rasmus Peters

Ein Bauvorhaben als Geduldsprobe

Doch bevor man nutzen kann, was die Natur anbietet, wie es Ortsvorsteher Bernhard Diehl ausdrückt, liegt die Umsetzung des Parks in den Mühlen der Verwaltung – und die mahlen bekanntlich langsam: Baupläne, Umweltberichte, alle öffentlichen Belange anhören und Anträge stellen – über zwei Jahre gingen ins Land, bevor das Projekt umgesetzt werden konnte, schildert Diehl. Auch Eiselein spricht von „umfangreichen Auflagen“ und „langwierigen Genehmigungen“.

Derzeit haben sie noch mit dem Blendschutzgutachten zu kämpfen, berichtet Dürr-Pucher. Die Bahn und der Autoverkehr an der nahegelegenen Stahringer Straße könnten von den Modulen geblendet werden. Vermutlich werde es auf einen drei bis vier Meter hohen Blendzaun hinauslaufen, um das zu verhindern, so der Projektentwickler.

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Zwei-Prozent-Hürde gar nicht so einfach zu erfüllen

„Es ist in Zeiten des Klimawandels notwendig und absolut richtig, auf erneuerbare Energien zu setzen“, sagt Ortsvorsteher Diehl. Da Baden-Württemberg über mehr Sonnenstunde als andere Bundesländer verfüge, entschied man, vermehrt auf Solar zu setzen, skizziert Dürr-Pucher. Denn zwei Prozent der Flächen in Baden-Württemberg sollen für regenerative Energien zur Verfügung stehen. Mit der so genannten regionalen Planungsoffensive solle die Energiewende beschleunigt werden, kommentierte Ministerin für Landesentwicklung und Wohnen Nicole Razavi, als das Gesetz im März 2022 beschlossen wurde.

Beispielsweise in der Gemeinde Mühlhause-Ehingen bedeuten diese zwei Prozent rund 36 Hektar, erklärt Bürgermeister Patrick Stärk. Allerdings decke bereits der vorhandene Solarpark auf einer Fläche von zehn Hektar mehr als den Bedarf der Kommune. Der liege bei 8,6 Megawattstunden, der Solarpark leiste rund zehn Megawattstunden. Dennoch sind derzeit zwei weitere Solarfelder in Planung: ein kleines ein Hektar groß und ein 14 Hektar umfassendes nahe der Autobahn 81, so Stärk. Denn angesichts der sonnenreichen Ausgangslage betont Stärk: „Wenn wir nicht der Technologie offen gegenüber stehen, wer dann? Nur irgendwann verschandelt es die Landschaft, dann ist genug.“

Die Serie: Mit Energie aus der Krise

Die Serie „Mit Energie aus der Krise“ untersucht anlässlich der Energiekrise, wie die Energiewende in der Region bereits aussieht und künftig aussehen kann. Dafür beleuchtet der SÜDKURIER unterschiedliche Projekte und fragt auch, woher die Energie kommt, die wir für unseren täglichen Bedarf brauchen.

Bild 4: Lieber Solarpark statt Acker? Wie Photovoltaik Landwirten aus der Krise hilft – und für Honig sorgt
Bild: Symbolbilder SK

Ein Vorteil von Photovoltaik sei ihre Energieeffizienz, gibt Jörg Dürr-Pucher an: Während Biogas je Hektar 20.000 Kilowattstunden produzieren könnte, käme eine Solaranlage auf derselben Fläche auf eine Million, also eine Megawattstunde. Die Kosten für die sechs Hektar große Anlage schätzt Dürr-Pucher auf viereinhalb bis fünf Millionen Euro. Der Bau soll dann im Sommer beginnen.