Die Unterbringung und Versorgung Geflüchteter ist für die Kommunen eine der aktuell größten Herausforderungen. Es gilt nicht nur, neu ankommenden Geflüchteten ein Dach über dem Kopf zu verschaffen, sondern sie auch so gut wie möglich in die Stadtgesellschaft zu integrieren.

Doch wie viele Geflüchtete leben in Radolfzell überhaupt? Wo kommen sie her? Und welche Maßnahmen gibt es, um ihnen die Integration zu erleichtern? Aufschluss darüber gibt der Integrationsbericht 2023, der jüngst im Ausschuss für Kultur, Bildung und Soziales vorgestellt wurde.

Menschen aus 112 Ländern in Radolfzell

In Radolfzell leben dem Bericht zufolge, Stand Januar 2024, 1305 Geflüchtete. Der Ausländeranteil im Landkreis Konstanz beträgt rund 18 Prozent, in Radolfzell sind es 15,7 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahr sei dieser Anteil um rund 0,8 Prozent gestiegen. Laut Bericht stammen die Ausländer, die in Radolfzell leben, aus 112 Herkunftsländern. Die meisten Ausländer in Radolfzell kommen demnach aus Italien, der Türkei, der Ukraine und aus Syrien.

Stadt erfüllt Quote nicht ganz

Mit einer Quote von 1305 Geflüchteten liegt die Stadt Radolfzell laut dem Bericht zehn Personen unter dem vom Landkreis vorgegeben Soll von 1315 Flüchtlingen. Dieses berechnet sich aus der Gesamtbevölkerung der Stadt. Radolfzell landet damit auf Platz 17 von 25 in einer kreisweiten Liste.

Allein 2023 habe die Stadt 260 Geflüchtete in die Anschlussunterbringung aufgenommen, das sind laut dem Integrationsbericht mehr als doppelt so viele wie im Vorjahr. Von diesen 260 Geflüchteten waren mit 166 die mit Abstand meisten Ukrainer, gefolgt von Syrern mit einer Zahl von 22 und Irakern. Aus dem Irak wurden 2023 genau 21 Geflüchtete aufgenommen.

So werden die Geflüchteten untergebracht

352 Flüchtlinge, das sind laut Integrationsbericht rund 27 Prozent, sind 2023 in Gemeinschaftsunterkünften des Landkreises Konstanz untergebracht. 792 geflüchtete Personen lebten in einer Anschlussunterbringung.

Rund die Hälfte davon lebte in der Anschlussunterkunft Neu Bohlingen, einem ehemaligen Fitnessstudio, oder haben privat eine Wohnung gefunden. Immer wieder hatte es in der Unterkunft Neu Bohlingen in der Vergangenheit Ärger gegeben, sodass dort ein Sicherheitsdienst eingestellt werden musste.

Kapazitäten werden weiter ausgebaut

Laut dem Integrationsbericht verfügte die Stadt zum Stichtag 31. Dezember 2023 im Rahmen des Projekts Raumteiler über 91 Objekte zur Anschlussunterbringung Geflüchteter. In diesen von der Stadt angemieteten Objekten gebe es 154 Wohnungen, in denen laut Bericht teils Familien, aber auch Einzelpersonen oder Wohngemeinschaften untergebracht sind.

Das ehemalige Veterinäramt am Radolfzeller Busbahnhof. Das Gebäude wurde zur Flüchtlingsunterkunft umgebaut. Die Sanitäranlagen befinden ...
Das ehemalige Veterinäramt am Radolfzeller Busbahnhof. Das Gebäude wurde zur Flüchtlingsunterkunft umgebaut. Die Sanitäranlagen befinden sich in einem Container (hinten links). | Bild: Jennifer Moog

Seitdem ist aber aufgrund der hohen Zahl an Zuweisungen durch den Landkreis weiterer Wohnraum geschaffen worden. Unter anderem ist 2024 ein Gebäude in Holzmodulbauweise mit einer Kapazität von 60 Personen entstanden. Außerdem wurde das Gebäude des ehemaligen Veterinäramtes am Radolfzeller Bahnhof zu einer Unterkunft umgebaut. Die Kapazität: rund 30 Plätze.

Verschiedene Maßnahmen zur Integration

Damit es die geflüchteten Menschen einfacher haben, in Radolfzell anzukommen, hat die Stadt Radolfzell eine Reihe an Maßnahmen mit besonderem Fokus auf ukrainische Geflüchtete initiiert.

Darunter das sogenannte Welcome-Center. Dabei handelt es sich laut Integrationsbericht um ein Beratungsangebot für ukrainische Geflüchtete, angesiedelt beim Diakonischen Werk im Evangelischen Kirchenbezirk Konstanz. Auch der Freundeskreis Asyl beteiligte sich mit dem Ukrainischen Frauencafé am Angebot.

Interkulturelle Woche findet wieder statt

Weitergeführt wurden 2023 auch Sprachkurse zur Erstorientierung mit Kinderbetreuungsangebot, eine Informationsveranstaltung zum Thema Bürgergeld sowie die Interkulturelle Woche, in deren Rahmen eine ganze Reihe an Veranstaltungen zur Integration angeboten werden.

Diese soll auch dieses Jahr wieder stattfinden, und zwar unter dem bundesweiten Motto „dafür!“ von Mittwoch, 8. Oktober, bis Samstag, 18. Oktober. Mit dem Internationalen Tag, einer Schulung zur Mülltrennung in der Anschlussunterbringung und dem sogenannten Smile-Projekt der Volkshochschule (VHS) wurden 2023 weitere Integrationsprojekte umgesetzt.

Nur eine von vielen Maßnahmen zur Verbesserung der Integration Geflüchteter: der Fachtag „Transkulturelle Kompetenz in der Verwaltung“ ...
Nur eine von vielen Maßnahmen zur Verbesserung der Integration Geflüchteter: der Fachtag „Transkulturelle Kompetenz in der Verwaltung“ im März 2024. (Archivfoto) | Bild: Stadtverwaltung Radolfzell

Bei Letzterem handelt es sich laut Bericht um eine Fördermaßnahme für Zugewanderte, die nicht oder nur schlecht lesen und schreiben können. „Ziel ist die Erhöhung der Handlungskompetenzen der Zielgruppe hinsichtlich ihrer Integration in Arbeit durch individuelle Grundbildungsförderung auf Basis beschäftigungsorientierter Lese- und Schreibförderung“, heißt es in dem Bericht.

Anschließend gebe es für die Teilnehmer die Möglichkeit eines vierwöchigen Praktikums. Auch die Sprachförderung von Kindern mit Migrationshintergrund wird laut dem Bericht von der Stadt unterstützt.

Netzwerke sollen Arbeit erleichtern

Um sich mit anderen Kommunen und Initiativen über flüchtlingspolitische Fragen auszutauschen, wurden 2023 verschiedene Netzwerke auf kommunaler-, kreis- und überregionaler Ebene gebildet und ausgebaut.

Unter anderem tagte das 2009 gegründete Forum Integration dreimal. Es besteht laut Bericht aus 51 Mitgliedern, die verschiedene Praxisbereiche vertreten, darunter die Stadt Radolfzell, das Jobcenter und das Integrationsmanagement. Ausgetauscht worden sei sich unter anderem aber auch in verschiedenen Netzwerken des Landkreises oder im Bündnis für Vielfalt.

Das sind die größten Herausforderungen

Neben der Suche nach Unterkünften für Geflüchtete war eine Herausforderung der Stadt 2023 die Unterbringung geflüchteter Kinder in den Kitas. Laut Bericht wurde in dem Jahr zwar die Kindertagesbetreuung weiter ausgebaut, dennoch war das Kindergartenjahr 2022/2023 geprägt von einer hohen Fluktuation und Fachkräftemangel.

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Das habe dazu geführt, dass teils Betreuungszeiten gekürzt werden mussten und manche Einrichtungen nur eine Notbetreuung anbieten konnten. Durch Umstrukturierungen habe sich das aber zum zweiten Halbjahr verbessert. Dennoch moniert der Freundeskreis Asyl in dem Bericht: „Der Mangel an Kinderbetreuungsplätzen hindert vor allem Frauen daran, sich regelmäßig am Sprachunterricht zu beteiligen.“

Probleme bei der Verständigung

Ein weiteres Problem geht damit einher, dass viele Geflüchtete aus der Ukraine der Volksgruppe Sinti und Roma zuzuordnen sind. Daraus ergeben sich laut dem Bericht mehrere Probleme. Zum einen gebe es sprachliche Barrieren, weil der Anteil der Analphabeten in dieser Volksgruppe groß sei.

Zum anderen herrsche wegen der Erfahrung der Diskriminierung auch ein Misstrauen gegenüber Verwaltungen und Behörden. Zudem bestehe aufgrund der Angst vor Diskriminierung eine erhöhte Gefahr, dass Familien untertauchen.