Der Herausforderer durchmisst mit schnellen Schritten den Marktplatz, auf der Suche nach seinen Gesprächspartnern. Vorne am Österreichischen Schlösschen oder an der Ecke zum Rathaus, das macht schon einen Unterschied. Aber wenn nicht gerade Markt ist, kann man sich dennoch kaum verfehlen. Simon Gröger will nicht am Rathaus stehen bleiben.
Da will er als Kandidat bei der Oberbürgermeisterwahl in Radolfzell zwar rein, doch jetzt beim Morgenspaziergang will er fürs Gespräch lieber etwas Abstand halten. Nicht wegen des Rathauses habe er den Startpunkt Marktplatz ausgewählt: „Für mich ist der Marktplatz ein Ort der Begegnung, des Wochenmarkts, der für die Radolfzeller ganz wichtig ist.“
Der Marktplatz als Beginn der Route
Wenn Simon Gröger einmal in einen Redefluss kommt, ist er nur schwer zu unterbrechen. Selbst wenn man ihn im Schatten des Münsters mit der Frage nach den Namen der drei Hausherren kurz aus der Reserve lockt, er bringt den Satz, das Thema, das er angefangen hat, im zweiten Anlauf durch. Für ihn sei es ganz wichtig, dass der Wochenmarkt weiter auf dem Marktplatz stattfinde: „Das ist ein ganz wichtiger Frequenzbringer und ein wichtiger Baustein der Innenstadt.“
Das Adjektiv „wichtig“ hat seinen festen Platz im Wortschatz von Simon Gröger genauso wie das „wir“; so sagt der Kandidat: „Es ist mir ganz wichtig, dass wir die Innenstadt fit für die Zukunft machen. Mit wir meine ich, dass wir alle in diesem Prozess mitnehmen sollten: Händler, Dienstleister, Gastronomen, Anwohner.“
Von der Kandidatur bis zum Auftritt in der Wahlarena
Ist die Innenstadt nicht fit genug? – Andere Zentren vergleichbarer Größe sehen an einem sonnigen Herbstmorgen öder aus. In Radolfzell füllt sich auch ohne Wochenmarkt kurz nach 9 Uhr das Straßencafé auf dem Marktplatz, in der Schützenstraße parkt der Zubringerverkehr und in der Poststraße ist ein reges Kommen und Gehen. Gröger verweist auf die Rahmenbedingungen wie den zunehmenden Online-Handel. „Corona hat diesen Trend verstärkt, es wird in den Innenstädten zu Leerständen kommen.“ Da sieht er ein großes Handlungsfeld, das er gern beackern würde: „Wir müssen aktiv werden, bevor Leerstände entstehen.“
Der Wirtschaftsförderer der Stadt Tuttlingen würde da als OB in Radolfzell aktiv werden: „Das Thema Wohnen und Begegnung können da wichtige Elemente sein.“ Um aber das Wohnen auch im Erdgeschoss attraktiver zu gestalten, müsse das Stadtklima verbessert werden: „Wir müssen mehr Grünflächen und Natur in die Innenstadt bringen.“ Der vollversiegelte Raum, das ist für Simon Gröger nicht die Vorstellung von der Radolfzeller Innenstadt.
Vor dem Seemaxx nimmt der Kandidat auf einer Bank zwischen den Schilfständen Platz. Er lobt die Gestaltung des Fußgängerwegs in der St. Johannis-Straße entlang der Parkplätze zum Eingang des Outlet-Einkaufzentrums und zeigt auf den Anschluss in Richtung Jahrhundertbau: „Man sieht genau, wo ist die Stadt zuständig und wo das Seemaxx.“
Die Wertung liefert Gröger gleich mit: „Die Flächen auf dem Seemaxx sind schön gestaltet.“ Genau das sei wichtig, wenn man die Achse Bahnhof, Innenstadt, Seemaxx betrachte: „Wir müssen die Aufenthaltsqualität auf den städtischen Flächen verbessern.“ Neben mehr Grün hält Gröger ein Beleuchtungskonzept für einen wichtigen Punkt, „das dann in der ganzen Stadt umgesetzt werden muss“.
Als Wirtschaftsförderer äußert der Kandidat Verständnis für die Ziele der neuen Eigentümer des Seemaxx. Die wollen mit Blick auf die Konkurrenz im Einkaufszentrum Cano in Singen die Radolfzeller Verkaufsflächen erweitern. Doch als OB-Kandidat sagt Simon Gröger ganz bestimmt: „Mein Fokus liegt auf der Innenstadt.“ Eine Vergrößerung dürfe nicht zum Nachteil der Altstadt durchgesetzt werden. Es brauche bei der Entwicklung des Einkaufszentrums für die Abwägung der Interessen „eine gute Interaktion“ zwischen Experten, Unternehmern, der Aktionsgemeinschaft Radolfzell und dem Gemeinderat.
Auf dem Weg über den Haselbrunnsteg hinunter zu Gerhard-Thielcke-Realschule und Friedrich-Hecker-Gymnasium erläutert Gröger seine Philosophie zur Kinderbetreuung. Ihm sei es wichtig, dass Kindergärten und Schulen gut ausgestattet seien. „Arbeitsplatz, Wohnen, Kinderbetreuung, Mobilität sind die Themen, die für eine Standortentscheidung zentral sind.“
Als Vater von zwei Kindern, sieben und drei Jahre alt, habe er während der Corona-Pandemie die Bedeutung von verlässlicher Betreuung noch intensiver wahrgenommen. Seine Frau Anita ist Erzieherin, da sitzt Fachpersonal am Familientisch. „Ich versuche mich da einzubringen.“ Überhaupt werde bei Grögers zu Hause in Wurmlingen alles im Team beraten „und von meiner Frau und mir gemeinsam entschieden“. So auch die Kandidatur in Radolfzell.
Den Teamgedanken will Gröger, so er OB wird, auch als Schulträger pflegen. „Man darf die Schulen mit dem Thema IT und Digitalisierung nicht alleine lassen.“ Die Lehrer seien dafür da, den Bildungsauftrag anzugehen. „Um die Server, um die Computer, um das Netz müssen sich Fachleute kümmern.“ In diesem Fall die des Schulträgers und damit der Stadt. Auch da nimmt sich der Kandidat als Chef einiges vor: „Ich möchte, dass die Leute mit einem Lächeln ins Rathaus kommen.“
Auf dem Nebenplatz vor dem Mettnau-Stadion hat Simon Gröger keine Berührungsängste mit den aufgehängten Toren. Nein, er war mit seinen 1,93 Meter Körperlänge früher nicht Fußballtorwart. „Ich habe Handball in Großbottwar gespielt.“ In Wurmlingen, wo er jetzt wohnt, ist er Vorstandssprecher des Turnvereins. Die sportliche Komponente möchte er in Radolfzell etwas mehr herausarbeiten: „Dass sich Radolfzell zwar als Musik- und Kultur-, aber auch als Sportstadt versteht.“ Die Aktiven in den Sportvereinen müssten gehört werden. Vorstellen könnte sich Gröger auch „einen gemeinsamen Sporttag im Jahr“.
Auf dem Weg die Sportplatzsteige hinauf zum Krankenhaus muss der Redefluss des Kandidaten kurz unterbrochen werden: Hat er für diese Kandidatur trainiert, war er im Bürgermeisterseminar, wird er gecoacht? „Warum fragen Sie?“, entgegnet Gröger überrascht. Weil er darauf bedacht ist, alles zu erwähnen und niemand zu vergessen. Weil er rein sprachlich immer die Ausgewogenheit sucht. „Nun“, sagt Simon Gröger, diese Eigenschaften habe er sich in seiner Zeit bei Wüstenrot angeeignet. Als Projektleiter im Bereich Städtebau habe er bei Bürgerbeteiligungsprozessen und Erneuerungsmaßnahmen zwischen vielen Interessen vermitteln müssen. „Das prägt.“
So wie der Bahnhof die Ansicht von Radolfzell. „Er ist oft der erste und letzte Eindruck, den man von einer Stadt bekommt“, sagt Gröger, der für die Stadt Tuttlingen dort das Projekt Bahnhofsentwicklung leitet. Sein Fazit als Kandidat: „Radolfzell muss sich besser präsentieren.“ Es bräuchte realistische Ziele, die umgesetzt werden könnten. „Vor allem müssen wir am Bahnhof das Thema Fahrradmobilität aufgreifen.“
Fehlt am Ende des Spaziergangs noch die Aufklärung zur Frage der Hausherren. Den „Zeno“ hat Kandidat Simon Gröger gleich parat, Theopont und Senesius liefert er nach. „Tut mir leid, da stand ich auf dem Marktplatz etwas auf dem Schlauch.“