In Radolfzell soll es keine Windräder geben. Und das nicht, weil der Gemeinderat ein absoluter Gegner von Windkraft im Allgemeinen und Windrädern in Sichtweite im Speziellen ist. Die Notwendigkeit, auch auf Windenergie zu setzen, stellte während der jüngsten Gemeinderatssitzung niemand grundsätzlich infrage. Doch führte der Standort nordwestlich vom Ortsteil Stahringen, der vom Regionalverband Hochrhein-Bodensee als Vorrangfläche für Windkraft vorgeschlagen worden war, das Gremium vor eine andere Diskussion. Und diese lautete nicht: Windkraft, ja oder nein? Sondern: Windkraft oder die Flugsportvereinigung Radolfzell (FSVR)? Und hier entschied sich der Gemeinderat für den Verein. Wenn auch in knapper Abstimmung.

Denn Radolfzell hat groß keine Flächen, die für Windkraftanlagen ausgewiesen werden könnten. Aktuell sind alle Kommunen in der Region angehalten, ihre Stellungnahmen zur Fortschreibung des Regionalplans Windenergie des Regionalverbands Hochrhein-Bodensee abzugeben. In diesem Plan sind alle Bereiche gemeldet, die grundsätzlich für Windkraft infrage kommen könnten. In Radolfzell stand hierfür das Vorranggebiet Wind 49 Rosenhag im Plan. Mit 15,5 Hektar ist das Areal bei Stahringen eines der kleinsten in Baden-Württemberg ausgewiesenen Windkraftgebiete.

Flugsportverein sorgt sich um seine Zukunft

Doch in der Nähe befinden sich nicht nur Stahringen und Wahlwies, sondern auch die Heimat des FSVR am Stahringer Flugplatz. Deren Sorge, den Flugsport an dem Platz nicht mehr betreiben zu können, sollte das Gebiet Rosenhag für ein Windkraftprojekt berücksichtigt werden, äußerte der Verein in einer 40-seitigen Stellungnahme.

Dabei ging er auf verschiedene Aspekte wie Sicherheitsabstände, Luftwirbel, Regeln der Luftverkehrsordnung sowie die Bedürfnisse des Vereins auch im Hinblick auf Ausbildung und Jugendarbeit, ein. Das Fazit: „Windenergieanlagen im näheren Umkreis des Flugplatzes Radolfzell-Stahringen würden zu erheblichen Einschränkungen des Flugbetriebs sowie zu deutlich höheren Risiken führen.“

Geschehen am Boden bestimmen auch die Ereignisse in der Luft

Mit einer Flugplatz-Verkehrsinfrastruktur am Boden sei in der dritten Dimension immer und unauflöslich eine Luftraum-Verkehrsinfrastruktur über der Flugplatz-Umgebung verbunden. Wenn bereits – wie es beim Stahringer Flugplatz der Fall ist – Berge in unmittelbarer Nähe in den Luftraum ragen würden, gebe es nicht viel mehr Spielraum für weitere Hindernisse, wie eben zum Beispiel Windräder, heißt es in der Stellungnahme des FSVR.

„Generell sind wir für Windkraft als erneuerbare Energie, sie ist die Antwort auf den Klimawandel, doch ich bin gegen eine ...
„Generell sind wir für Windkraft als erneuerbare Energie, sie ist die Antwort auf den Klimawandel, doch ich bin gegen eine Briefmarkenlösung.“Jürgen Aichelmann, Freie Wähler | Bild: Foto Lichterloh

Für Jürgen Aichelmann, Stadtrat der Freien Wähler und Stahringer Ortsvorsteher, eine überzeugende Ausarbeitung, wie er in der Sitzung mitteilte. Im vorangegangenen Ausschuss für Planung, Umwelt und Technik (PUT) wurde darüber diskutiert, das Areal mit einem Zusatz doch noch in der Stellungnahme zu belassen.

Bild 2: Radolfzell lehnt eine Vorrangfläche für Windkraft bei Stahringen ab
Bild: Schönlein, Ute

Kompromiss-Formulierung wurde mehrheitlich abgelehnt

Und zwar solle die „Ausweisung des Vorranggebiets Wind 49 Rosenhag unter der Voraussetzung befürwortet, dass der genehmigte Betrieb des Sonderlandeplatzes Stahringen (EDSR) weder behindert noch eingeschränkt oder gar gefährdet werden dürfe.“ Dieser Vorschlag wurde mehrheitlich abgelehnt. In der Gemeinderatssitzung beantragte Aichelmann dann, das Gebiet komplett aus der Stellungnahme zu streichen und konnte eine knappe Mehrheit bei namentlicher Abstimmung hinter seinem Antrag vereinen.

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Ein Kriterium für Aichelmann war auch die geringe Größe des Gebietes. „Generell sind wir für Windkraft als erneuerbare Energie, sie ist die Antwort auf den Klimawandel, doch ich bin gegen eine Briefmarkenlösung“, sagte er. Die meisten Gebiete für Windkraft seien in der Analyse konfliktbehaftet, aber das Gebiet in Stahringen sei laut ihm ein „No-Go“. Er erinnerte den Gemeinderat auch an den einstimmigen Beschluss des Ortschaftsrates, das Gebiet aus der Stellungnahme zu nehmen.

„Wir können die Energiewende nur mit PV-Anlagen nicht schaffen, wir brauchen auch Windkraft.“Selma Anton, FGL
„Wir können die Energiewende nur mit PV-Anlagen nicht schaffen, wir brauchen auch Windkraft.“Selma Anton, FGL | Bild: FGL

Kritik gab es von der Freien Grünen Liste (FGL). Windenergie sei 25 Mal effizienter als PV-Anlagen, rechnet FGL-Stadträtin Selma Anton vor. „Wir können die Energiewende nur mit PV-Anlagen nicht schaffen, wir brauchen auch Windkraft“, machte sie deutlich.

Sie brachte auch den ökonomischen Aspekt ein: Ein Windpark würde wertvolle Gewerbesteuer in die Haushaltskasse spülen und die Kommune würde auch an anderen Stellen am Gewinn beteiligt werden. Sie plädierte dafür, sich für die Ausweisung dieser Fläche auszusprechen. FGL-Fraktionssprecher Siegfried Lehmann bezeichnete die Windkraft-Debatte als „ausgeprägten Kulturkampf„.

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Bei der SPD sprach man sich für den Kompromiss aus dem PUT aus. „Der Beschluss ist doch eigentlich eindeutig: Kein Windrad dreht sich, solange der Verein dort noch aktiv ist“, so Lumbe. Er teile die Meinung der FGL, ohne Windkraft die Energiewende nicht meistern zu können. Und auch wenn der Gemeinderat Entscheidungen aus dem Ortschaftsrat priorisieren würde, müsste man diese politische Entscheidung für Windräder besser erklären.