Katastrophal, unzumutbar und ganz schlimm: So lauten die Adjektive, mit denen eine Schulleitung sowie Elternvertreter die Sauberkeit in Radolfzeller Schulen aktuell beschreiben. Verantwortlich dafür soll laut ihnen die von der Stadt beauftragte Reinigungsfirma Picobello sein.
Am Ende des Schuljahres läuft der Vertrag mit ihr aus, die Stadt hat den Auftrag neu ausgeschrieben. In der Gemeinderatssitzung am Dienstag, 23. Mai, soll eine Entscheidung fallen.

Bereits vor der ersten Vergabe an die Firma Picobello im Jahr 2019 hatte es massive Kritik an der Leistung der Firma gegeben. Laut Antje Groll, Vorsitzende des Gesamtelternbeirats, seien die Schulen danach zwar zwischenzeitlich etwas sauberer gewesen. „Aber jetzt akut ist es wieder ganz schlimm, ein Riesenproblem“, sagt sie. Beim Tag der offenen Tür für die neuen Fünftklässler am Friedrich-Hecker-Gymnasium seien beispielsweise die Toiletten negativ aufgefallen. „Die sind in einem katastrophalen Zustand, das größte Problem“, berichtet Groll.
Dreckige Toiletten und leere Seifenspender
Ulrike Heller, Schulleiterin am FHG, stimmt zu: „Der Reinigungszustand des Gymnasiums ist oftmals eine Katastrophe.“ So würden regelmäßig weder Papierhandtücher, noch Handseife oder Toilettenpapier aufgefüllt. Und sowohl Schüler- als auch Lehrertoiletten würden des Öfteren gar nicht gereinigt und „befinden sich in einem schlechten, oft unzumutbaren Zustand“, fügt sie hinzu. Auch ihr eigenes Büro müsse sie immer wieder selbst sauber machen.

Weitere Problemstellen fallen bei einem Rundgang durch die Schule auf: Auf Schränken, Fensterbänken und in Ecken sammelt sich teils wochenalter Staub und Dreck an. Auf den Böden liegen Papierschnipsel, an Heizungsrohren in Toiletten hängt Toilettenpapier. Und das nach der Reinigung der Zimmer. Doch wie kann das sein?
Warum sind die Schulen so dreckig?
Ulrike Heller erklärt: „Es gibt ein strukturelles Problem bei der zuständigen Firma, die haben Personalmangel und viel Fluktuation.“ Die einzelnen Reinigungskräfte könnten nichts dafür. Aber wenn einer ausfällt, wisse der kurzfristige Ersatz weder, was im Gebäude genau getan werden muss, noch was der Kollege am Vortrag bereits erledigt hat.
Da laut Vertrag aber bestimmte Reinigungen täglich, andere nur zwei- oder dreitägig oder wöchentlich erfolgen müssen, wäre das eigentlich notwendig. Wichtige Bereich im Haus würden teilweise gar nicht gereinigt. Zudem erhielten neue Reinigungskräfte keine Einweisung – bei sensiblen und gefährlichen Orten wie Fachräumen mit Chemikalien wäre das aber eigentlich notwendig.

Ein großes Problem ist laut der Schulleiterin die so genannte Sichtreinigung, bei der Reinigungskräfte sichtbare Verschmutzungen entfernen müssen – darunter auch Papierschnipsel ab einer bestimmten Größe. Die ist aber nicht genau festgelegt. Die Folge: Laut Heller würden Klassenzimmer und Flure immer wieder voller kleiner Schnipsel sein, auf Teppichen und in den Ecken gebe es Monate alte Flecken. Ihr Fazit: „An den Radolfzeller Schulen gibt es ein Hygieneproblem.“
Die Schulen hätten sich deshalb schon mehrfach direkt bei der zuständigen Abteilung Gebäudemanagement der Stadt beschwert – viel getan habe sich laut Heller aber nicht. Sie ist daher zunehmend frustriert. „Leider hat sich trotz zahlreicher runder Tische mit allen Beteiligten und einer starken Elterninitiative am Zustand der Reinigung am FHG nichts verändert“, berichtet die Schulleiterin. Dabei hätte sie eine Lösung parat: „Wünschenswert wäre es, wenn es feste Reinigungskräfte für die Schule geben würde, die die Hausmeister bei Problemen auch direkt und unmittelbar ansprechen könnten.“
Stadt erhält nahezu täglich Beschwerden der Schulen
Die Stadtverwaltung bestätigt auf SÜDKURIER-Nachfrage, dass mehrere Beschwerden vorliegen. Darauf könne die Stadt in drei Stufen reagieren. Pressesprecherin Natalie Reiser räumt jedoch ein, dass die Gespräche mit Picobello meist ohnehin nur so lange wirken, bis Reinigungskräfte wechseln oder Zahlungen gekürzt werden.
Kann die Stadt das akzeptieren? „Die Zufriedenheit schwankt zu sehr. Ist die Reinigung an einer Stelle nach längeren Bemühungen zufriedenstellend, bricht sie an einer anderen Stelle im gleichen Zuge wieder ein. Es vergeht selten ein Tag ohne Reklamationen oder Beschwerden“, räumt Natalie Reiser ein.
Was sagt die Firma zu den Vorwürfen?
Konfrontiert mit den Vorwürfen schreibt die Firma Picobello, der Vertrag mit der Stadt enthalte folgende Leistungen: eine Vollreinigung zweimal wöchentlich, sowie eine dreimal wöchentliche Grobreinigung der Schulen. Die Reinigung sei in vollem Umfang erfolgt – bis zur Corona-Pandemie. Daraufhin sei in Absprache mit der Stadt die Leistung auf eine Vollreinigung pro Woche reduziert worden, um die freigewordene Zeit zur Desinfektion der Oberflächen zu nutzen. „Dies ist auch bis zum heutigen Tag noch so. Bis dato ist kein Widerruf dieser Vereinbarung durch unseren Kunden erfolgt“, schreibt Picobello.
Allerdings seien die Oberflächen, Türgriffe und Geländer laut Ulrike Heller auch nicht regelmäßig und zufriedenstellend desinfiziert worden.

Reklamationen wegen der Reinigung seien laut Picobello jedoch umgehend an die Vorarbeiter weitergegeben und nachgearbeitet worden. Zudem sieht die Firma die Verantwortung auch bei den Schülern. Sie weist darauf hin, in welch vermülltem und mit Fäkalien verstopftem Zustand die Schüler besonders die Toiletten hinterlassen würden. Die Reinigungskräfte könnten in der für die Reinigung vorgegebenen Zeit gar nicht alles entfernen.
Putzt Picobello weiterhin die Radolfzeller Schulen?
Das Tischtuch zwischen Schulen und Firma scheint in jedem Fall zerschnitten. Wie geht es nun also weiter? Der Vertrag mit Picobello läuft noch bis zum 31. August. Der neue Auftrag ab kommendem Schuljahr soll laut Pressesprecherin Natalie Reiser voraussichtlich in der kommenden Gemeinderatssitzung am Dienstag, 23. Mai, vergeben werden. Eine EU-weite Ausschreibung sei bereits erfolgt. Das Stadtgebiet sei hierfür auf vier Lose aufgeteilt worden, auf die Firmen sich einzeln bewerben konnten.
Elternvertreterin Antje Groll sagt über die Vergabe: „Wir hoffen ebenso wie die Schulleitung des Gymnasiums, dass es künftig eine andere Firma macht.“ Doch da Picobello die vermeintlich günstigste Firma sei, mache sie sich geringe Hoffnungen, dass die Stadt eine andere Firma wählen wird. Und entgegen dem Wunsch der Elternvertreter teilt Picobello auf SÜDKURIER-Nachfrage mit, man habe sich an der Neuausschreibung bereits beteiligt.
Die Stadt ist in jedem Fall „zuversichtlich, dass ab September eine für alle Beteiligten befriedigende Lösung gefunden werden kann“, verkündet Reiser. Ob dem tatsächlich so ist, bleibt bis mindestens 23. Mai noch offen.