Ein graues Metalltor an einem unauffälligen Wohnhaus in der Radolfzeller Altstadt. Daran hängt ein kleines blaues Schild, ein Hinweis auf die Firma, deren Eingang im Innenhof dahinter liegt: Hydro-Data. Die Firma wirkt unscheinbar, man könnte sie leicht übersehen. Dabei ist Hydro-Data entscheidend dafür, dass Zigtausende Menschen in Radolfzell, Singen und den umliegenden Orten mit sauberem Trinkwasser versorgt werden können. Was steckt hinter dieser kleinen, aber dennoch so wichtigen Radolfzeller Firma?
Werner Michel, der Hydro-Data 1985 gemeinsam mit einem Partner gegründet hat, sitzt in seinem Büro, als er über seine Arbeit spricht. Der 69-jährige Geophysiker ist dabei umgeben von Messsonden, geologischen Fachbüchern und etlichen Ordnern voller Daten und Messungen. „Das ist unser Archiv, unser Schatz“, sagt Michel. Ohne den geht nichts. Das Archiv ist die Basis, um hydrologische Gutachten zu erstellen, wie zuletzt für das Singener Becken.
Was macht Hydro-Data?
Seine Gutachten sind die Grundlage, damit eine Gemeinde überhaupt das Wasserrecht an einem Grundwasservorkommen erhalten kann. Das bedeutet: Michel und seine fünf Mitarbeiter überprüfen, ob für eine Gemeinde der Bedarf nach Grundwasservorkommen gedeckt werden kann.
„Dann legen wir fest, wie viel Wasser täglich entnommen werden kann“, erklärt er. Denn wenn Gemeinden und Firmen mehr Trink- oder Brauchwasser für Obstplantagen entnehmen, als durch Niederschlag neu gebildet wird, „ist der Topf schnell leer“, so Michel.

Was einfach klingt, ist in Wahrheit kompliziert und aufwendig, wie man am Beispiel Singen sieht. Die Stadt musste in den 1990er-Jahren nachweisen, wo das Grundwasser für die Bevölkerung herkommt, berichtet Christian Berger, Bereichsleiter für die Wasserversorgung bei den Singener Stadtwerken. Denn ohne Nachweise hätte es keine neuen Baugebiete gegeben.
„Das Geologische Landesamt Freiburg hat uns damals Hydro-Data empfohlen“, so Berger über den Beginn der bis heute andauernden Zusammenarbeit mit der Radolfzeller Firma, die von 1990 bis 1998 ein Konzept zur Bewirtschaftung für das Grundwasser im Singener Becken erstellte.
Wie wird Grundwasser untersucht?
„Zuerst müssen wir in einem solchen Fall die Geologie erkunden, also wie das Grundwasserreservoir aufgebaut ist, wie groß es ist und welche Gesteinsarten vorkommen“, erklärt Werner Michel. Das gehe zum Beispiel durch Geoelektrik von der Oberfläche aus sowie durch durch Bohrungen in den Boden. Danach überprüfe seine Firma, wie viel Grundwasser im Gestein enthalten ist, wie es dort fließt und wie viel man entnehmen kann. Wie das geht? „Mehrere Brunnen bohren, Pumpe rein und schauen, wie viel raus kommt“, fasst Michel zusammen.

Die Fließrichtung im Untergrund könne man anhand des Grundwassergefälles im Gestein sowie des Wasserstands in den einzelnen Brunnen ermitteln, beschreibt Michel. So könne er zum Beispiel entdecken, ob Wasser aus einem Kiesabbau zu einem Trinkwasservorkommen fließt.
Verfahren dauern mehrere Jahre
Sind die Trinkwasserbrunnen erst einmal in Betrieb, übernimmt Hydro-Data das Monitoring. Das heißt, sie überwachen Niederschlagsmenge, Entnahmemenge und Wasserspiegel über Jahre. „So sehen wir, wie der Grundwasserspiegel sich entwickelt. Da steckt also viel mehr dahinter, als Verbraucher wahrnehmen. Das sind sehr aufwendige Verfahren, die mehrere Jahre dauern“, sagt Michel. Zudem überprüfen sie den technischen Zustand der Brunnen und Pumpen.
In Zusammenarbeit mit Laboren wie Fresenius in Radolfzell überwacht Michels Firma, die früher 35 Mitarbeiter an weiteren Standorten bei Freiburg und in Bad Urach für Thermalbohrungen hatte, außerdem die Hydrochemie, also die Belastung im Wasser beispielsweise durch Nitrat. „Zum Schutz des Wassers werden um die Brunnen entsprechende Schutzzonen eingerichtet“, sagt Michel.
Neben Singen arbeitet Hydro-Data inzwischen in der Region auch mit Radolfzell, Allensbach, Rielasingen-Worblingen und Steißlingen zusammen, zählt Michel auf, während er eine Karte mit den Trinkwasserbrunnen zur Versorgung Radolfzells vor sich ausbreitet und erklärt: Alles sei doppelt abgesichert, falls einer der Brunnen mal ausfällt. Doch künftig belastet eine weitere Gefahr die Versorgung: der Klimawandel.
Welche Folgen hat der Klimawandel für die Wasserversorgung?
„Das wird immer aktueller. Der Klimawandel bedeutet im Extremfall, dass Niederschläge zurückgehen und damit weniger Grundwasser dazukommt“, berichtet Michel. Denn kurzfristige extreme Niederschläge im Sommer bringen nichts, weil zu viel Wasser davon verdunstet. Der wichtige Landregen im Winter werde hingegen seltener. Die bisherige Faustregel, dass 30 Prozent des Niederschlags ins Grundwasser gehe, stimme daher nicht mehr unbedingt.

Die Landesumwelthilfe habe berechnet, dass bis 2050 etwa 20 Prozent weniger Grundwasser neu gebildet werden, so Michel. „Das muss man sich überlegen, was mach ich“. Der Vorteil für Singen: Das Singener Becken ist sehr groß, die 20 Prozent Rückgang könnte man hier laut Michel verkraften und die Brunnen weiter absenken. Ob die Prognose stimmt, sei aber unklar. „Wir müssen gewappnet sein, und dafür hilft nur Monitoring“, so Michel.
Firmen wie Hydro-Data droht Überlastung
Die Folge: Immer mehr Aufträge und Anfragen für Firmen wie seine. Das Problem: Es gibt nur sehr wenige. Und diese wenigen klagen über Nachwuchsmangel. „Für einen Geologen ist die Ortskenntnis das Wichtigste“, sagt Michel. Die Einarbeitung neuer Leute dauere lange, auf neue Büros auszuweichen sei für Gemeinden kurzfristig schwierig. „Wir sind zu sechst hier“, sagt Michel. Die Geologen, Hydrologen und Geophysiker sind seit 30 Jahren dabei, er selbst ist 69 Jahre alt und will Ende kommenden Jahres aufhören.
Doch einen Nachfolger hat Michel bislang nicht gefunden. Seine Firma hat er deshalb im Oktober an ein Konstanzer Planungsbüro, die zum Beispiel Gutachten für die beim Straßen- und Kiesabbau erstellen, verkauft. Er selbst ist nun angestellt. „So langsam reicht es mal“, sagt er. Der Name Hydro-Data und der Standort sollen aber auch nach Michels Aus bestehen bleiben. Die Firma sei bei Kunden schließlich bekannt – auch wenn der Eingang noch so unscheinbar wirkt.