Ob die Form der Funktion der Gebäude folgt und ob das Entwurfsresultat auch ins städtebauliche Bild von Radolfzell passt, darüber macht sich der unabhängige und mit Fachleuten bestückte Gestaltungsbeirat in Radolfzell regelmäßig Gedanken und gibt seine Expertise an Bauherren, Stadtverwaltung und politische Gremien weiter. Die aktuelle Vorsitzende dieses Beirats, Architektin Julia Klumpp aus Stuttgart, zeigte sich im öffentlichen Teil der Sitzung angesichts der vollen Sitzreihen erstaunt, wie viel Interesse in Radolfzell für die städtebauliche Entwicklung vorhanden sei.
Die außerparlamentarische Opposition
In der Tat, wird in Radolfzell nicht jedes Bauprojekt als Gott gegeben hingenommen. Und selbst nach eindeutigen Entscheidungen im Gemeinderat flammt die außerparlamentarische Opposition immer wieder auf. Heinz Küster, Mitglied des Behindertenrats und Mitglied im Bürgerforum Bauen, nahm den Punkt Bebauung des Untertorplatzes zum Anlass, seine grundsätzliche Kritik am Abriss der Stadtwerke zu erneuern: „Man war nicht bereit, in die Diskussion zur Erhaltung der Gebäude zu gehen.“
Diese Kritik richtete sich nicht gegen den Gestaltungsbeirat, sondern gegen die Bauverwaltung und den Gemeinderat. Stadtplaner Thomas Nöken verteidigte die Ausschreibung für das neue Quartier Untertorplatz: „Da stand nicht drin, dass Tabula rasa gemacht wird.“ Dennoch hätten alle eingereichten Arbeiten den Abriss der Gebäude vorgesehen. Auch sei der Erlös aus dem Verkauf der Immobilie für die Finanzierung des neuen Firmensitzes der Stadtwerke in der Herrenlandstraße eingeplant.
Stadtrat Diehl verteidigt Abriss
Vehementer gegen Küsters Kritik wehrten sich die Stadträte, die im Gestaltungsbeirat sitzen. Bernhard Diehl (CDU) stellte fest: „Die Stadtwerke sind kein schönes städtebauliches Gebäude.“ Und was auch entscheidend sei, die Tiefgarage würde, so wie sie gebaut sei, nicht mehr funktionieren. Deshalb hätte eine Sanierung oder der Umbau in ein Wohngebäude keinen Sinn ergeben. Siegfried Lehmann (Freie Grüne Liste) sieht das neue Projekt positiv, weil Wohnraum in der Randlage zur Altstadt geschaffen werde. Heinz Küster erlaubte sich eine weitere Gegenrede. Er hoffe, dass in Zukunft in Radolfzell mit Bestandsgebäuden pfleglicher umgegangen werde. Auch wegen des neuen Wohnraums zeigte sich Küster skeptisch: „Wer kann sich diese Wohnungen leisten?“
Besser mit Hochfassaden
Der Gestaltungsbeirat gab zum geplanten Bau mit über 100 Wohnungen ein Korrektiv für Bauherr und Architekten ab. Sie mögen in ihren Plänen doch wieder zu den durchgängigen Hochfassaden zurückkehren und zur Massivität und Ruhe des Entwurfs zurückkommen. Ein Lob gab es auch: „Die Begrünung auf dem Garagendach und das Konzept mit großen Bäumen funktioniert.“