Die wiedergewählte Landtagsabgeordnete Nese Erikli macht deutlich, wo in dieser Amtszeit die Schwerpunkte ihrer ökologischen Arbeit liegen. Nicht auf dem Biotop Streuhau im Herzengelände am Radolfzeller Seeufer, auf dem ein Investor ein Feriendorf mit einer Ausdehnung von rund 2,5 Hektar plant. Da haben die Naturschützer von Nabu und BUND schon mal mit leichtem, mal mit schwerem Herzen einem Tausch der Schutzgebiete zugestimmt. Nein, Erikli konzentriert sich auf einen bereits beschlossenen Bebauungsplan für eine 1,6 Hektar große Streuobstwiese im Ortsteil Stahringen, die unmittelbar an die Bebauung grenzt.
Dort wollen nicht wie im Streuhau erlebnishungrige Großstädter in Baumhotels Abwechslung von ihrem tristen Dasein in Penthäusern und Altbauwohnungen mit Stuckdecken suchen, in Stahringen wollen Familien bauen dürfen, die sonst im Dorf keinen Platz finden. Erikli will das nicht: „Sowohl aus naturschutzfachlicher wie aus obstbaulicher Sicht wäre eine Vernichtung dieser hochwertigen und vollproduktiven Streuobstwiese unverantwortlich.“ Das Herz der Grünen hängt schon lange an der Streuobstwiese, gerade in Stahringen, wo der Ex-Landtagsabgeordnete der Grünen (1996 bis 2001) Günther Schäfer eine Streuobstmosterei betreibt. Also wird mit aller Macht gegen den kurz vor der Gültigkeit stehenden Bebauungsplan geschossen: „Es darf natürlich nicht sein, dass 40 Streuobstbäume auf Basis falscher Annahmen über den Schutzstatus gerodet werden“, schimpft Erikli in ihrer Stellungnahme.
Der Kampf gegen neuen Wohnraum und für den Baum wäre leichter nachzuvollziehen, würden Grüne, BUND und Nabu mit gleicher Vehemenz auftreten, wenn es um andere wertvolle Flächen geht. Doch weder im Streuhau noch nahe den Aachauen in Wahlwies, wo das Pestalozzi-Kinderdorf eine Fläche von 1,6 Hektar mit einem Gewächshaus komplett versiegelt – also so groß wie das ganze Baugebiet in Stahringen -, ist ein grünes Donnergrollen zu hören. Weil die Grünen in vieler Weise mit dem Kinderdorf verbandelt sind? Weil weder dort noch im Streuhau eine Streuobstwiese steht?
Offenbar gibt es gegen das agrarindustrielle Gewächshausprojekt in der Nachbarschaft zur Aach keine rechtliche Handhabe. Gegen ein Baugebiet auf einer Streuobstwiese schon. Und für das Feriendorf im Biotop Streuhau scheint man zum Ablasshandel bereit. Das kann man verstehen, muss man aber nicht. Das Kopfschütteln über diese Art der Politik nimmt zu.