Die Gegner des geplanten Tourismusprojekts im Streuhau im Herzengelände von Radolfzell können kaum darauf zählen, dass die Behörden wegen der dort befindlichen Überschwemmungsflächen eine Baugenehmigung für Hotel und Freizeiteinrichtungen versagen. Das Landratsamt Konstanz als zuständige „untere Wasserbehörde„ teilt auf SÜDKURIER-Anfrage mit: „Aus Sicht des Landratsamtes kann im Gewann Streuhau die Festsetzung eines Baugebiets in einem Überschwemmungsgebiet (HQ 100) ausnahmsweise zugelassen werden.“

In der Hochwassergefahrenkarte

Ein HQ 100 ist ein festgesetztes Überschwemmungsgebiet, in dem ein Hochwasserereignis statistisch einmal in hundert Jahren zu erwarten ist. Diese Flächen sind in Hochwassergefahrenkarten dargestellt, auf der Wiese im Streuhauwäldchen sind solche Überschwemmungsgebiete in den Karten der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg eingezeichnet. Für diese Flächen gilt eigentlich nach dem Wasserhaushaltsgesetz ein grundsätzliches Verbot für die Ausweisung von Baugebieten.

Wo es ein Verbot gibt, da gibt es auch Ausnahmen

Wo es ein „grundsätzliches Verbot“ gibt, da gibt es meist auch Ausnahmen. Das Bundesgesetz räumt eng begrenzte Möglichkeiten ein: Das Vorhaben darf keine wesentlichen nachteiligen Auswirkungen auf den Hochwasserabfluss und die Hochwasserrückhaltung haben, den bestehenden Hochwasserschutz nicht beeinträchtigen und muss hochwasserangepasst gebaut werden. Diese Voraussetzungen nennt das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft in seinem Informationsblatt „Hochwasser – Risikomanagement Baden-Württemberg„.

Das Aachried im Blick

Eine wichtige Voraussetzung für eine Ausnahmegenehmigung im festgesetzten Überschwemmungsgebiet sei, dass der Rückhalteraum „umfang-, funktions- und zeitgleich“ ausgeglichen werde. Eben dies glaubt das Landratsamt durch den Tausch der Schutzgebiete von Streuhau und Bodenseereiter-Gelände erreichen zu können. Das Bodenseereiter-Gelände ist bisher als bebaubare Sondernutzungsfläche für Freizeiteinrichtungen ausgewiesen. An das Bodenseereiter-Gelände grenzt wiederum das westlich gelegene Naturschutzgebiet der Radolfzeller Aach-Mündung, auch Aachried genannt. In seiner Abwägung kommt das Landratsamt Konstanz zu dem Schluss: „Durch den geplanten Flächentausch würde eine dauerhafte Sicherung und Aufwertung der westlich gelegenen Flächen für den Naturschutz ermöglicht.“ Der Flächentausch führe somit mittel- und langfristig auch zu einem Mehrwert für den Naturschutz.

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Auch der Hochwasserschutz würde von diesem Flächentausch profitieren, schreibt Marlene Pellhammer, Pressesprecherin des Landratsamts. Die im bestehenden Flächennutzungsplan als bebaubar ausgewiesene Sondernutzungsfläche auf dem Gelände des Bodenseereiters liege „komplett im Überschwemmungsgebiet„, hingegen werde die Tauschfläche im Streuhau in Teilen nicht überschwemmt. „Durch den Flächentausch kann demnach ein größeres Volumen des Überschwemmungsgebiets des Bodensees langfristig von weiterer Bebauung freigehalten werden“, nennt Pellhammer einen weiteren Aspekt für die Beurteilung einer Ausnahmegenehmigung.

Das Landratsamt ist positiv gestimmt

Das Landratsamt führt noch weitere Argumente für das Projekt an. So würden die geplanten Gebäude im östlichen Teil des Streuhaus als schützender Riegel das künftige, dienende Landschaftsschutzgebiet Bodenseereiter abschirmen. Sämtliche Eingriffe würden sich auf den östlichen Bereich Richtung Innenstadt konzentrieren, der durch das Bora-Hotel ohnehin bereits vorbelastet sei. „Die geplante Hotelerweiterung auf der getauschten Fläche steht somit in einem unmittelbaren räumlichen Zusammenhang zur bestehenden Hotelanlage und schafft somit auch funktionale und technische Synergieeffekte für den Hotelbetrieb“, schreibt das Landratsamt auf unsere Presseanfrage. Zudem könne eine Bebauung „hochwasserangepasst“ ausgeführt werden. Und: „Eine Gefährdung von Leben oder Gesundheit oder erhebliche Sachschäden könnten in diesem Fall ausgeschlossen werden.“

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Das Landratsamt Konstanz hält in seiner Gesamtbeurteilung für das Tourismusprojekt im Streuhau und dem verbundenen Flächentausch mit dem Sondernutzungsgebiet Tourismus auf dem Gelände des Bodenseereiters fest: „Der Flächentausch erfolgt demnach nicht nur im Interesse des Hotelbetreibers, sondern wegen der angestrebten naturschutzfachlichen Aufwertung des gesamten Uferabschnitts vor allem auch im überwiegenden öffentlichen Interesse.“