Vorkommnisse wie diese kennt wohl fast jeder Autofahrer: Man befindet sich im Straßenverkehr und gerät ungewollt durch Dritte in eine Situation, die einen verärgert. Spätestens nach kurzem Fluchen ist meistens alles vergessen. Das funktioniert allerdings nur, wenn der andere Beteiligte des Vorgangs ebenfalls alles auf sich beruhen lässt.
Klappt nicht immer: Denn das musste kürzlich auch ein 79-jähriger Mann vor dem Radolfzeller Amtsgericht feststellen, dem eine Nötigung im Straßenverkehr zur Last gelegt wurde. „Ich war schon überrascht, dass es zu einer Anzeige gekommen ist“, sagte der Angeklagte bei der Verhandlung. Er hatte gegen einen Strafbefehl Einspruch erhoben, der ihn als Verursacher einer gefährlichen Situation auf der B33 sah, bei der er einen anderen Verkehrsteilnehmer anschließend noch durch Fahrmanöver und das mehrmalige Betätigen der Lichthupe genötigt haben soll.
Doch nur auf anderen Fahrer reagiert?
Wie so oft gab es zweierlei Ansichten des Vorgangs. Der Rentner selbst will sich an jenem Dezembernachmittag im Bereich von Radolfzell auf der B33 befunden haben, auf dessen Teilstück zu diesem Zeitpunkt eine Geschwindigkeit von 80 Stundenkilometer zulässig war. Um einen vorausfahrenden Lastwagen zu überholen, habe er in den Rückspiegel gesehen und dort kein nachfolgendes Fahrzeug entdeckt. Anschließend habe er die Fahrspur wechseln wollen – und habe im letzten Moment bemerkt, dass ein deutlich schneller fahrendes Auto mit schweizer Kennzeichen plötzlich fast auf seiner Höhe gewesen sei.
Er brach nach eigener Aussage den Überholvorgang ab. Das andere Fahrzeug sei anschließend sehr knapp vor ihm eingeschert, was ihn selbst dazu veranlasst habe, die Lichthupe mehrmals zu betätigen, wie er einräumte.
Alkohol im Blut
Damit war der Vorfall aber nicht erledigt: Bei der Weiterfahrt auf der B33 und auf der anschließenden A81 stoppte ein Polzeifahrzeug den Rentner schließlich im Bereich des Rastplatzes Hegau. Die Beamten veranlassten eine Atemalkoholkontrolle, die aber nach mehrmaliger Wiederholung keinen zweifelsfreien Wert ergab. Daher wurde der Rentner in das Krankenhaus Singen gebracht, um dort eine Blutalkoholkontrolle abzugeben. Das Ergebnis sei ihm nicht vor Ort mitgeteilt worden und der Polizeibeamte habe ihn „einfach dort alleingelassen“, wie der Angeklagte in der Sitzung berichtete.
In der Verhandlung wurde der gemessene Wert mit 0,63 Promille angegeben. „Das ist zwar rein rechtlich noch erlaubt, aber kein Wert, mit dem ich selbst noch fahren würde“, gab Richterin Ulrike Steiner zu bedenken.
„Man fühlt sich schon ein wenig erpresst“
Unabhängig davon ging die Staatsanwaltschaft davon aus, dass die angezeigten Anklagepunkte durchaus glaubwürdig seien und es keinerlei Anhaltspunkte gebe, die ihren Wahrheitsgehalt schmälern. Um den Rentner vor einem noch größeren Strafmaß zu bewahren, schlug sie deshalb einen Rückzug des Einspruchs durch den Angeklagten vor. Denn sollten sich die Vorwürfe im Fortgang des Verfahrens verfestigen, drohte dem Rentner ein dauerhaftes Fahrverbot und eine deutlich höhere Geldstrafe als die angesetzten 25 Tagessätze mit jeweils 40 Euro.
Dem Verteidiger des Angeklagten behagte dieser Vorschlag indes gar nicht, wie er sagte: „Man fühlt sich schon ein wenig erpresst. Derjenige, der in so einem Fall zuerst anzeigt, ist immer im Vorteil“, befand er. Nichtsdestotrotz folgte der Angeklagte jedoch dem Vorschlag der Staatsanwaltschaft und zog seinen Einspruch zurück. Damit kommen nicht nur die 2000 Euro Strafe für die Nötigung auf ihn zu, sondern er muss zudem die Kosten des Verfahrens und die seines Anwalts zahlen.