Der Blick in die Integrierte Leitstelle des Landkreises Konstanz zeigt sofort: Es scheinen geradezu überwältigende Mengen an Informationen zu sein, mit denen die Mitarbeiter arbeiten. Auf einem Bildschirm sind die Aufnahmen einer Straßenüberwachungskamera zu sehen, auf einem anderen eine Übersichtskarte mit den Standorten der verfügbaren Blaulichtfahrzeuge. Weitere zeigen unter anderem Anruflisten, Meldedaten für die Krankenhäuser und laufende Einsätze.
Es sind Informationen, die für die Integrierte Leitstelle enorm wichtig sind. Denn während Feuerwehr, Rettungsdienst, THW, DLRG und andere Blaulichtorganisationen zur Stelle sind, um zu helfen, wenn brennt, wenn es Verletzte gibt, jemand in Seenot gerät oder ein Katastrophenfall in der Region ausbricht, müssen ihre Einsätze überhaupt erst einmal koordiniert und die Organisationen verständigt werden. Eine Aufgabe, die die Integrierte Leitstelle übernimmt – im Hintergrund. Doch wie genau sieht ihre Arbeit aus? Und für welche Aufgaben ist sie konkret zuständig?
190.000 Anrufe in 2024
Angesiedelt ist die Integrierte Leitstelle im DRK-Gebäude in der Konstanzer Straße in Radolfzell. Dort arbeiten neben Leiter Uwe Rudolf noch 19 sogenannte Disponenten, die im Ernstfall Notrufe entgegennehmen und Einsätze koordinieren, rund um die Uhr und abwechselnd im Schichtdienst. Zuständig sind sie für alle Blaulichtorganisationen außer der Polizei, diese haben eigene Führungs- und Lagezentren. Und das nicht nur im Notfall, denn die Integrierte Leitstelle ist zum Beispiel auch für die Koordinierung von Krankentransporten und die Überwachung der Babyklappe zuständig.

Dabei kommt eine große Zahl von eingehenden Anrufen zusammen, die die Leitstelle verarbeiten muss. Wie Uwe Rudolf erklärt, seien es im Jahr 2024 rund 190.000 gewesen, pro Tag mehr als 500. In den vergangenen Jahren waren es zum Teil sogar mehr, 2023 so etwa 210.000 und 2022 sogar fast 215.000. Hinzu kommen ausgehende Anrufe, etwa, wenn sich die Integrierte Leitstelle mit der Polizei verständigen muss.
„Das ist eine enorme Verantwortung“
Doch nicht nur aufgrund der schieren Anzahl der Telefonate betonen Uwe Rudolf und Timo Petersen, Kreisgeschäftsführer des DRK-Kreisverbands Landkreis Konstanz und Geschäftsführer der Rettungsdienst gGmbH, die hohen Ansprüche, denen sich die sogenannten Disponenten in der Integrierten Leitstelle stellen müssen. Hinzu komme der Druck, im Notfall die richtigen Entscheidungen treffen zu müssen, um vielleicht sogar Menschenleben zu retten. „Das ist natürlich eine enorme Verantwortung“, sagt Petersen. Die Disponenten müssten daher nervenstark und gut qualifiziert sein.
Zumal ein Notruf meistens in einer Ausnahmesituation erfolge, in denen die Anrufer häufig selbst unter Stress stehen. Dann gelte es, nicht nur die nötigen Details zu erfahren oder Erste-Hilfe-Anweisungen zu geben, sondern auch schnell zu handeln. Darum wird der Einsatz von den Disponenten auch bereits koordiniert und Einsatzkräfte alarmiert, noch während der Anruf läuft, erklärt Uwe Rudolf. Um gut qualifiziert zu sein, haben die Disponenten auch eine umfassende Ausbildung, etwa im Rettungsdienst und in Feuerwehrtechnik.
Ein Vorteil: „Die Technik hat sich in den vergangenen Jahren enorm weiterentwickelt“, schildert Timo Petersen. So sei es heutzutage meistens möglich, den Standort der Anrufer und damit auch die Einsatzstelle automatisch zu orten. Dennoch: „Entscheidend ist immer noch der Disponent“, so Petersen.
Eine große Rolle spielt die Technik aber auch bei der Koordinierung eines Einsatzes. Denn geht ein Notruf ein, müssen die Disponenten entscheiden, welche Rettungsdienste und welche konkreten Einheiten alarmiert werden. Hierbei helfe das System, erklären Rudolf und Petersen. Denn dieses zeige nicht nur in einer Übersicht an, welche Einsatzfahrzeuge sich zum aktuellen Zeitpunkt wo befinden, sondern liefere auch Vorschläge, wer sinnvollerweise verständigt werden soll – etwa, damit es möglichst schnell geht. Außerdem werden Krankenhäuser bereits über eingehende Patienten informiert. „Das System unterstützt uns“, betont Uwe Rudolf.
Und es soll künftig noch besser werden: So erhalte die Integrierte Leitstelle künftig noch eine neue Gesprächsanlage, die mit Künstlicher Intelligenz helfe, fremdsprachige Anrufe zu übersetzen.
Grenzübergreifendes Arbeiten
Dabei ist die Integrierte Leitstelle in Radolfzell für den gesamten Landkreis Konstanz zuständig. „Aber wir arbeiten auch mal landkreisübergreifend“, so Rudolf. Zum Beispiel dann, wenn die Luftrettung verständigt werden und etwa der Rettungshubschrauber Christoph 45 aus dem Bodenseekreis oder der Rettungshubschrauber Christoph 11 aus dem Schwarzwald angefordert werden muss.
Und auch mit der Schweiz gibt es eine Kooperation: Auch dort könnten Hubschrauber nach Deutschland gerufen werden. Oder weil Schweizer im deutschen Netz landen und dann an die zuständige Leitstelle erst weitergeleitet werden müssen.
Wie wirkt sich die Radolfzeller Klinikschließung aus?
Und wie hat sich die Arbeit geändert, seit das Radolfzeller Krankenhaus geschlossen hat? Schließlich fehlt ein Anfahrtsort für die Einsatzkräfte, um Patienten versorgen zu lassen. Man merke das schon, sagt Timo Petersen – weil die Fahrtwege zum Teil länger werden und damit auch die Fahrzeugbindung, also die Zeit, in der Einsatzfahrzeuge bereits im Einsatz sind und keine neuen Aufgaben wahrnehmen können, zunehme.
Dennoch betont Uwe Rudolf: „Die Notfallversorgung ist nicht so arg eingeschränkt.“ Je nach Notfall gebe es ohnehin Schwerpunktkrankenhäuser, die sich mit entsprechenden Behandlungen gut auskennen. Diese werden in einem solchen Fall sowieso angefahren. Das Radolfzeller Krankenhaus habe diese Aufgabe nie erfüllt. Ein Fachkrankenhaus ist also nicht weggefallen. „Und es lässt sich auch wirklich gut organisieren“, so Petersen.