Der Weinanbau auf der Insel Reichenau ist heute nicht nur ein wichtiger Wirtschaftszweig. Er prägt auch die Landschaft. Das war vor 50 Jahren noch komplett anders. „Der Weinbau war Anfang der 1970er-Jahre eigentlich am Ende“, sagt Max Uricher. Etwa 1,5 Hektar Reben habe es gegeben – verteilt über die ganz Insel. Heute sind es rund 22 Hektar.

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Dass der Weinanbau auf der Reichenau wieder so an Bedeutung gewonnen hat, daran hatte Uricher selbst maßgeblichen Anteil. Seit der Gründung der Rebenaufbau- und Weinbaugenossenschaft im Jahr 1975 war er deren Geschäftsführer.

Was macht ein solcher Genossenschafts-Chef eigentlich?

Er hielt Ausschau nach möglichen weiteren Flächen, verhandelte mit vielen Grundstückseigentümern, gestaltete die Auswahl der Traubensorten mit, organisierte die maschinelle Arbeit und den Pflanzenschutz in den Reben, achtete darauf, dass die Finanzen stimmen. Nun gibt Max Uricher, sozusagen der Herr der Reben auf der Reichenau, zum Jahresende sein Amt ab.

Max Uricher übergibt sein Amt als Geschäftsführer der Rebenaufbau-Genossenschaft zum Jahreswechsel an Sabrina Glönkler.
Max Uricher übergibt sein Amt als Geschäftsführer der Rebenaufbau-Genossenschaft zum Jahreswechsel an Sabrina Glönkler. | Bild: Zoch, Thomas

„Im Großen und Ganzen war es eine wunderbare Geschichte“, zieht er Bilanz. „Die Sache hat mich erfüllt, sonst hätte ich es nicht 45 Jahre lang gemacht.“ Auch wenn die Formulierung abgedroschen klingen mag: Es ist das Ende einer Ära.

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Wie stand es vor 50 Jahren um den Weinbau auf der Reichenau?

Rückblende, Ende der 1960er-Jahre: Auf der Reichenau fand eine große Flurbereinigung statt – für den Gemüseanbau, erinnert sich Uricher. Wie auch heute wollten Gärtner größere, rentablere Flächeneinheiten. „Es war Aufbruchstimmung.“ Der Weinbau habe zu dieser Zeit keine Rolle gespielt. Doch dann sei es auch um Hanglagen gegangen wie an der Hochwart und am Vögelisberg.

„Hatte mit Weinbau nichts am Hut“

Diese schwierig zu bestellenden Flächen hätten die Gemüsegärtner nicht haben wollen. So sei in der Gemeinde die Idee aufgekommen, diese Hänge für den Weinbau zu nutzen. „Es war damals sicherlich das Verdienst von Bürgermeister Eduard Reisbeck und dem Amt für Flurneuordnung“, berichtet der bald 75-jährige Uricher, der freimütig bekennt: „Ich hatte mit Weinbau nichts am Hut. Ich stamme aus einem landwirtschaftlichen Betrieb. Als Kind war ich nie davon begeistert, wenn ich helfen musste.“

Spontaner Entschluss: Von der Sparkasse zum Weinbau

Auch unter Gärtnern und Grundstückseigentümern habe es wenig Rückhalt gegeben für die Idee, den Weinanbau wiederzubeleben – was unter dem Dach der schon seit Jahrzehnten bestehenden Winzerverein-Genossenschaft nicht möglich gewesen wäre. Um die besagten Flächen für den Weinbau zu kultivieren, hätten dann andere Reichenauer auf Empfehlung des Badischen Genossenschaftsverbands im Januar 1975 die Rebenaufbaugenossenschaft gegründet.

Wobei Uricher schmunzelnd anfügt: „An den, der die Arbeit machen sollte, hat man zunächst gar nicht gedacht.“ Der Bürgermeister und sein damaliger Chef bei der Reichenauer Sparkasse, an der Uricher als junger Betriebswirt tätig war, hätten ihn dann im Frühjahr 1975 gefragt. Er habe zugesagt, weil er den nötigen kaufmännischen Hintergrund hatte und in der Gemeinde verwurzelt gewesen sei.

Für Winzer war Desinteresse von Winzern an manchen Flächen ein Segen

Zumal das Ganze zunächst als kurzfristige Geschichte gedacht gewesen sei. „Wenn der Rebenaufbau geschafft ist, brauchen wir diese Genossenschaft nicht mehr“, so sei die Überlegung gewesen. Bereits im Jahr 1975 seien dann die ersten drei Hektar Reben auf der Hochwart gepflanzt worden, 1977 seien im Gewann Weiherberg weitere zwei Hektar dazugekommen. Es sei dann aber immer so weitergegangen.

Das Ganze sei forciert worden, weil der Gemüsebau manche Flächen ohnehin nicht haben wollte, und andererseits auch fünf oder sechs Hektar für den Weinbau zu wenig gewesen wären. Wobei Uricher anmerkt: „Damals hat man die Weichen gestellt zum Landschaftserhalt auf der Reichenau. Dass ich dabei mitwirken durfte, war eine tolle Sache.“

Wenn die Weinbauern die Hanglagen nicht übernommen hätten, stünden dort vielleicht längst Häuser, ist Uricher überzeugt, der selbst viele Jahre Gemeinderat und stellvertretender Bürgermeister war: „Damals war man im Bezug auf Bebauung noch nicht ganz so zugeknöpft wie heute.“

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Warum ein Ausbau von Bio-Weinbau schwierig wird

Die heutige Größe von 22 Hektar sei ideal, sagt Uricher. Die Hälfte davon gehört rund 50 privaten Winzern, etwa 9,5 Hektar hat die Rebenaufbau-Genossenschaft gepachtet, 1,5 Hektar gehören ihr selbst. Auf fast allen Flächen kümmert sie sich um die Arbeit. Er könne sich vorstellen, dass in den nächsten Jahren noch bis auf 25 Hektar erweitert werde, so Uricher, doch mehr sei nicht sinnvoll: „Es muss ja auch vermarktet werden.“

Für das Ansehen des Reichenauer Weins sei ihm wichtig gewesen, Rebflächen in Bioanbau einzuführen. Beginn war im Jahr 2010, mittlerweile nimmt der Bioanbau einen Hektar ein. Eine Erweiterung wäre schwierig, sagt Uricher. Das gehe nur, wo im Umfeld kein konventioneller Anbau sei. Eine komplette Umstellung wäre riskant. Anders als bei Bio seien die anderen Sorten nicht pilzresistent. Zudem steige die Nachfrage nach Biowein nicht – ein Unterschied zu Biogemüse.

Die eigenen Reben gibt der langjährige Geschäftsführer nicht auf

In den Weinbau sei er reingewachsen, blickt Uricher zurück, dieser habe ihn immer mehr begeistert. Er habe sein Wissen aus dem Beruf einbringen können, mit der Ökologie und Natur zu tun gehabt, den unterschiedlichen Auswirkungen des Wetters sowie mit Winzern, Personal, Behörden. „Es ist ein Berufsbild, das man selten findet, das alle Bereiche abdeckt“, meint Uricher. Und es werde ihm sicher etwas fehlen, aber: „Ich habe mich immer vom Gedanken leiten lassen: Ich hör‘ auf, solange es noch schade ist.“ Und seine mittlerweile 50 Ar eigene Reben werde er nun umso intensiver selbst bewirtschaften, kündigt er an: „Ich gehe dem Weinbau nicht verloren.“