Keinen Superjahrgang wie 2018 nach dem langen, heißen Sommer, aber eine gute bis sehr gute Qualität erwarten die Reichenauer Winzer, nachdem die Lese der Trauben vor ein paar Tagen begonnen hat. „Man erkennt jetzt bereits, dass die Weine dieses Jahr fruchtiger und ausbalancierter werden als 2018“, erklärt Frank Keilbach, der Betriebsleiter der Rebenaufbau- und Weinbau-Genossenschaft. Der Alkoholgehalt werde etwas geringer sein.
Ein leichterer Jahrgang als 2018
„Es wird ein hervorragender Trinkgenuss sein, weil die Mischung einfach stimmt aus Alkohol, Frucht und Säure.“ Das könne er aus den Öchsle-Graden schließen, also dem Zuckergehalt der Trauben. Diese lägen beim Grauburgunder bereits im Bereich über 90 Grad, beim Müller-Thurgau bei 80 Grad. Bei den anderen Traubensorten dürfte es ähnlich sein. „Das sind für den Lesebeginn hervorragende Werte“, so der Fachmann, und sie dürften sich in den kommenden zwei Wochen der Lese noch steigern. „Wir sind im Qualitätsweinbereich und rutschen in den Prädikatsweinbereich“, meint Keilbach.
Kellermeister Thomas Sättele, der die Weine ausbaut, ist ebenfalls zuversichtlich. Der Zuckergehalt der Trauben stimme ihn sehr positiv, erklärt er. „Die Qualität ist sehr schön.“ Die Kunden könnten einen eher feinfruchtigen, filigranen Wein erwarten, weniger kräftig und alkoholreich als beim Ausnahme-Jahrgang 2018.

Neuer Wein vermutlich kurz vor Ostern
Allerdings müssen die Liebhaber Reichenauer Weine sich noch etwas gedulden. „Der neue Wein kommt erst im Frühjahr“, so Sättele. „Dann hat der Wein ein bisschen Zeit zum Reifen.“ Er denke, kurz vor Ostern werde es soweit sein. Rosé und Weißherbst werde es vielleicht auch schon etwas frühzeitiger geben.
Doch die Vorräte an Wein des Jahrgangs 2018 im Winzerkeller dürften bis dahin reichen, schätzt Sättele. Denn nicht nur die Qualität, sondern auch die Menge sei im Vorjahr ungewöhnlich hoch gewesen. Allerdings sei durch die neue Vinothek des Winzervereins auch der Verkauf schon immens gestiegen.
Frank Keilbach und Max Uricher, der Geschäftsführer der Weinbau-Genossenschaft, betonen denn auch, das sich das Ausnahme-Jahr 2018 schlecht für einen Vergleich eigne. „Dieses Jahr ist es ein normaler Herbst“, meint Keilbach. Er gehe daher davon aus, dass auch der Ertrag deutlich niedriger als im Vorjahr und eher der eines durchschnittlichen Jahrgangs sein werde. Er und Uricher schätzen, dass es etwa 220 000 Kilogramm Trauben und dann rund 180 000 bis 190 000 Liter Wein geben werde. Das wären etwa 25 Prozent weniger als 2018.
Das Wetter erschwert die Lese
Allerdings sei es momentan schwierig, dies genauer abzuschätzen, erklärt Uricher: „Das hängt alles mit dem Wetter zusammen.“ Wenn es noch öfter regnen sollte könnte es mit der Lese, dem Wimmeln, wie man auf der Reichenau sagt, eng werden. Denn zum einen seien die rund 25 Lesehelfer bei Regen nicht im Einsatz. Wenn die Trauben aber reif seien, seien sie nicht mehr so haltbar am Stock, ihr Gesundheitszustand könnte leiden. Und wenn Regentage die Lese aufhalten, seien dann praktisch alle Traubensorten gleichzeitig reif und fällig.
Das wechselhafte Wetter seit dem Frühjahr sei ohnehin nicht ganz ideal gewesen, so Keilbach. Der kalte Mai habe den Austrieb und das Wachstum der Reben extrem gebremst. Das hätten die Reben aber im warmen Juni nachgeholt, so Keilbach: „Die Stöcke sind förmlich explodiert im Wachstum.“ Uricher fügt an, die Triebe seien dann bis zu zehn Zentimeter am Tag gewachsen. „Das war für unsere Mannschaft eine ungeheure Arbeitsbelastung.“
Die recht hohe Regenmenge im August und auch der anhaltende Regen am ersten Septemberwochenende seien dann ebenfalls nicht optimal gewesen, weil die Trauben viel Wasser aufnehmen und dadurch so groß würden, dass sie sich gegenseitig drücken und zu platzen drohen.

Die Genossenschaft setzt vermehrt auf Weißburgunder
Unabhängig vom aktuellen Wetter und Jahrgang denke die Rebenaufbau-Genossenschaft aber auch an die Zukunft, so Uricher: „Wir haben dieses Jahr eine neue Rebsorte in einer Junganlage angelegt.“ Im Gewann Moos, unterhalb der Hochwart, habe man auf einem halben Hektar Weißburgunder gepflanzt, eine auf der Reichenau neue Rebsorte.
Zudem wolle man eine bereits 35 Jahre alte Rebanlage mit 40 Ar südlich der Hochwart roden und dort ebenfalls Weißburgunder pflanzen. Das sei eine zunehmend angesagte, beliebte Weinsorte, begründen Uricher und Keilbach. Und Weißburgunder brauche warme Lagen, damit er schön ausreife. Das sei hier gegeben. Mit der ersten Ernte sei in zwei bis drei Jahren zu rechnen.
Wobei Uricher betont, dass die Genossenschaft eine Erweiterung der Anbauflächen nicht weiter aktiv vorantreiben wolle wie in den vergangenen Jahren. Als Höchstgrenze seien ohnehin maximal 25 Hektar vorstellbar, aktuell seien es 22 Hektar. Wobei es gerade beim Bioanbau schon Überlegungen gebe, die derzeit 1,2 Hektar auszubauen, so Uricher: „Aber das Problem ist es, geeignete Flächen zu finden.“ Das könne nicht in unmittelbarer Nähe einer konventionellen Anlage sein.