Der Abend verläuft nicht so ganz im Sinne von Ralf Bendl. Der Mann, der im Landratsamt für den Nahverkehr und die Schülerbeförderung zuständig ist, weiß zwar sehr genau, dass der neue für Waldsiedlung geltende Busfahrplan nicht den Erwartungen der Menschen in dem Reichenauer Ortsteil entspricht. Doch wie er bei einer Informationsveranstaltung in der Pfaffenmooshalle am Mittwochabend ausführt, sind die diversen Interessen doch einigermaßen in Einklang gebracht worden.

Die Komplexität der Planung ergeben sich laut Ralf Bendl zunächst daraus, dass es nicht nur um die Anbindung der Waldsiedlung geht. Abfahrts- und Anfahrtszeiten müssten so koordiniert werden, dass Anschlussverbindungen möglichst gewährleistet bleiben. Bei den Routen seien ferner die verkehrsrechtlichen Vorgaben der Polizei ebenso zu berücksichtigen wie die arbeitsrechtlichen Bestimmungen, an die sich die Busunternehmen zu halten hätten und nicht zuletzt gebe es die Gebote der Wirtschaftlichkeit.

B33-Ausbau als Ursache für neuen Fahrplan

Das alles war in der Waldsiedlung schon früher ein Dauerthema – bis endlich nach einer mindestens zehn Jahre anhaltenden Debatte ein Busfahrplan vorlag, mit dem man in dem Ort im Großen und Ganzen zufrieden war. Doch nach zirka anderthalb Jahren ist der gute Plan Makulatur.

Der Grund: Der Ausbau der B33 erfordert eine neue Verkehrsführung, weshalb bis mindestens Mitte 2024 der öffentliche Nahverkehr mittels eines Provisoriums geregelt werden muss. Danach besteht die Aussicht, dass der vorherige Plan wieder in Kraft tritt.

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Für Ralf Bendl besteht somit die Aufgabe des Abends darin, den Plan B möglichst so zu verkaufen, dass die Vorzüge des Plans A nicht allzu augenfällig werden. Das macht er geschickt, indem er die ungefähr 25 Besucher virtuell um 6.40 Uhr mit dem Schülerbus der Linie 203 auf die Reise schickt.

Der Zielort wird um 7.24 Uhr erreicht – und der Vorteil für die Schüler bestehe darin, dass sie nicht mehr umsteigen müssen. Der Trick funktioniert allerdings nicht ohne Fußnote, denn der Bus fährt im Vergleich zu den bisherigen Regelungen vier Minuten früher los und kommt sechs Minuten später an – macht in der Summe eine um zehn Minuten längere Fahrtzeit.

Stolpertaktung als psychologische Hürde

Nach und nach werden weitere Pferdefüße sichtbar. Die Stolpertaktung, sagt Ralf Bendl, sei zwar alles andere als ideal, aber nur so sei die Einbettung ins komplexe Werk des öffentlichen Nahverkehrs mit seinen erforderlichen Anschlussverbindungen möglich. Der Begriff umschreibt dabei die nicht minutengleichen Abfahrts- und Ankunftszeiten der Busse, was den Fahrgästen letztlich ein eingehendes Studium des Fahrplans abverlangt.

Ralf Bendl, Amtsleiter für Nahverkehr und Schülerbeförderung im Landratsamt Konstanz, erklärt: „Wir machen keinen Fahrplan, bei ...
Ralf Bendl, Amtsleiter für Nahverkehr und Schülerbeförderung im Landratsamt Konstanz, erklärt: „Wir machen keinen Fahrplan, bei dem Verspätungen absehbar sind. Das macht keinen Sinn und führt nur zu Frust.“ | Bild: Lucht, Torsten

Das allerdings scheint an diesem Veranstaltungsabend das geringere Problem zu sein. Die druckfrischen Auszüge sind gerade erst erteilt, da hat eine der Besucherinnen bereits ausgerechnet, dass für die rund 1,8 Kilometer lange Strecke von Hegne bis zur Waldsiedlung eine Fahrtzeit von 20 Minuten erforderlich ist. Hochgerechnet ergibt dies ein Tempo von 5,4 Kilometern pro Stunde, was Schüler entweder im strammen Schritt zu Fuß oder mit dem Fahrrad weitaus schneller zurücklegen können.

Es sind allerdings nicht nur die Schüler, die beim neuen Fahrplan wegen der B33-Bauarbeiten irgendwie ums Karree fahren müssen. In der Waldsiedlung leben Menschen, die zur Arbeit müssen – und eine von ihnen verlässt aus eben diesem Grund vorzeitig die Veranstaltung. Sie hätte gern noch etwas gesagt, meint die Frau, aber leider müsse sie auf den Bus.

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Immerhin findet sie wenig später eine Fürsprecherin, die im Namen ihres zum Zeitpunkt der Veranstaltung bei der Arbeit befindlichen Mannes nachfragt, ob es nicht auch noch einen früherem Bus von der Waldsiedlung zum Bahnhof Reichenau als den um 6.53 Uhr gebe. Gibt es nicht, räumt Ralf Bendl kleinlaut ein, was für den Ehemann der Besucherin bedeutet, dass er weiter aufs Fahrrad oder das Auto setzen muss.

Einen Tag unterwegs für einen Arzttermin?

Neben Schülern und Beschäftigten melden sich auch Vertreter anderer Zielgruppen zu Wort. Bei der Schnellanalyse des Fahrplans ergibt sich für eine ältere Frau für den Besuch eines Arzttermins am Zähringerplatz in Konstanz ein Zeitaufwand von einem Tag. Und am Wochenende mit Bus und Bahn einen Theaterbesuch in der Stadt wahrzunehmen, sei zwar möglich, doch wolle man halt anschließend auch gerne wieder nach Hause fahren können.

Das freilich war auch beim bis auf Weiteres ausgesetzten Busfahrplan nicht garantiert, Ralf Bendl warnte in diesem Zusammenhang außerdem vor einer Überstrapazierung der Koordinierungserwartungen. Dass beispielsweise die Schulpläne in Konstanz auf die Minute mit der Busfahrplanung für die Waldsiedlung abgestimmt werden, dürfte kaum leistbar sein.

Der Mann aus dem Landratsamt und der Reichenauer Bürgermeister Wolfgang Zoll versuchten die Debatte ferner in den Kontext der allgemeinen Mobilitätswende einzuordnen. Laut Ralf Bendl sei der Ausbau des Busangebots an Wochenenden vorgesehen, und Wolfgang Zoll sprach angesichts der Bewegung im Pendelverkehr von einem atmenden System, das man an die jeweils sich verändernden Bedingungen stetig anzupassen habe.

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Fahrplan ist nicht in Stein gemeißelt

Das in der Veranstaltung von den Besuchern geäußerte Verständnis für die Komplexität der Aufgaben samt des ausgearbeiteten neuen Fahrplans änderte am Ende nur wenig an der leichten, zugleich aber launig ertragenen Enttäuschung des Ralf Bendl. Er war mit der Erwartung von Lob und Anerkennung für die logistische Leistung des provisorischen Fahrplans in die Waldsiedlung gekommen, und verließ den Ort stattdessen mit einem Paket von Ideen und Vorschlägen der Besucher. Diese sollen jetzt an einer etwaige Planweiterentwicklung verstärkt beteiligt werden.