Die Landtagswahl hat der hessischen Alternative für Deutschland (AfD) im Oktober ihr bisher stärkstes Ergebnis beschert, sie wird dort zweitstärkste Kraft im Landtag. Auch in Baden-Württemberg ergab eine Sonntagsfrage Ende Juli, dass 20 Prozent die als rechtspopulistisch eingestufte Partei wählen würden – nach CDU und Grünen als drittstärkste Partei. In der Region ist die Alternative für Deutschland nicht nur in Umfragen, sondern auch mit Ortsverbänden verstärkt präsent. Ein Beispiel: Mit der Gründung eines neuen Ortsverbandes für den Oberen Hegau versucht die als rechtspopulistisch eingestufte Partei auf kommunal-politischer Ebene Fuß zu fassen.
Doch wieso ist die AfD derzeit höher im Kurs bei den Wählern? Der SÜDKURIER hat mit den Fraktionssprechern im Gemeinderat von Rielasingen-Worblingen gesprochen. Dort ist die AfD seit der vergangenen Kommunalwahl mit einem Gemeinderat vertreten.
Dagmar Eisenhart (Grüne) hat die Meldung über neue Ortsverbände der AfD mit Sorge aufgefasst. „Es ist wichtig, wachsam gegenüber rechtspopulistischen Tendenzen zu sein, die demokratische Prinzipien in Frage stellen und spalten wollen“, schreibt sie stellvertretend für ihre Fraktion.

Es sei laut Eisenhart wichtig, weiterhin auf die Bevölkerung zuzugehen, für die eigenen politischen Vorstellungen zu werben und vor allem: „Darüber aufzuklären, warum die AfD keine Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit anbietet“, so Eisenhart weiter.
Auch Reinhard Zedler (SPD) bereitet das verstärkte Auftreten der AfD im Hegau zeitweise Sorge. Aber: „Wir können die Gründung von neuen AfD-Ortsverbänden nicht verhindern“, sagt er. Stattdessen müssten die etablierten Parteien versuchen, vor Ort mit ihrer Arbeit für die jeweiligen Heimatgemeinden zu überzeugen.

Ähnlich sieht es auch Volkmar Brielmann (CDU), der weitere Gründungen von Ortsverbänden ebenfalls für möglich hält. Hermann Wieland (FWV) geht davon aus, dass die AfD weiterhin aktiv sein werde und die Präsenz deutschlandweit ausbauen wolle. „Weil Bürger unzufrieden sind mit der Landes- und Bundespolitik, wird genau dieser Trend zur Alternativen in der Politik beflügelt“, sagt Wieland. Der Erfolg der AfD hänge stark vom politischem Klima ab.
Warum ist die AfD derzeit so stark?
Bei der Beantwortung dieser Frage ist sich ein Großteil der Befragten einig: Die AfD profitiert von der Unzufriedenheit der Menschen mit der Landes- und Bundespolitik. Für Dagmar Eisenhart (Grüne) kommen zwei Faktoren zusammen. Zum einen eine generelle Verunsicherung und Ängste vor Veränderungen – etwa durch die Globalisierung, Migration, Unsicherheiten durch die Corona-Krise oder Kriege in der Ukraine oder in Israel. „Die AfD instrumentalisiert diese Ängste, bietet scheinbar einfache Lösungen an und gibt so die verlorene Sicherheit zurück“, sagt Eisenhart.
Ein zweiter Faktor sei die Enttäuschung und das Unverständnis für die Politik der aktuellen Bundesregierung. „Diese Unzufriedenheit kanalisiert die AfD als Dagegen-Partei“, so Eisenhart weiter.

Auch für Volkmar Brielmann (CDU) sind viele AfD-Wähler klassische Protestwähler. „Dass sich das auch auf die Gemeinden auswirkt, bleibt leider nicht aus. Unserer Meinung nach machen die Verwaltung und der Gemeinderat in Rielasingen-Worblingen eine gute und bürgernahe Kommunalpolitik“, betont er.

Für Reinhard Zedler (SPD) ist eine andere Antwort wichtiger: „Die Frage für uns ist: Warum gibt es in Rielasingen-Worblingen unzufriedene Einwohner, die sich sehr streitlustig zeigen?“ Aus Sicht seiner Gemeinderatsfraktion werde viel für die Bürgerschaft getan. Die Arbeit zwischen Gemeinderat und Verwaltung bezeichne er als sehr gut. „Wahrscheinlich spielen die Bundespolitik und Fake-News aus den Sozialen Medien eine große Rolle“, so Zedler. Immer wieder gerät die AfD in die Kritik, sich mit gezielten Falschinformationen in der Gesellschaft zu profilieren.
Singens Oberbürgermeister Bernd Häusler hatte jüngst im großen SÜDKURIER-Interview eine Einschätzung zur AfD gegeben: „Das ist Demokratie. Wenn die Partei hier bei uns antritt, wird man sehen, was der Wähler macht, wenngleich ich nicht verstehen kann, wie man diese programmlose Rechtspartei wählen kann“, sagte er.
Und so sieht es ein ehemaliger AfD-Gemeinderat
Axel Politz saß bis vor Kurzem für die AfD im Gemeinderat von Rielasingen-Worblingen. Er saß vier Jahre lang im Gremium – wobei er die Chance, sich an kommunalpolitischen Entscheidungen seiner Gemeinde zu beteiligen mit Blick auf seine geringe Anwesenheit nur selten nutzte. Laut Angaben vieler seiner ehemaligen Ratskollegen sei Politz bei nur knapp einem Viertel der Sitzungen anwesend gewesen.
Kurz vor seinem Ausscheiden und dem Nachrücken von Reinhard Pröll in das Gremium hat der SÜDKURIER auch ihn nach dem Grund für das AfD-Hoch gefragt. „Immer mehr Leute verlieren das Vertrauen in die gegenwärtige Politik“, schreibt er. Seine Kritik: Deutschland würde Milliarden Euro für illegale Massenimmigration ausgeben, ebenso für den Ukrainekrieg oder für Entwicklungshilfen an China und Indien. Deshalb würde es an Geld für Deutschland fehlen. Auffällig ist aber: Mit Aussagen wie diesen bestätigt er, was die etablierten Parteien Politz und seinen AfD-Kollegen vorwerfen: Hinter solchen populistischen Aussagen, die Ängste schüren, fehlen belegbare Zahlen und Fakten, die seine Aussagen untermauern.