Wenn Gisela Meßmer nach den Kosten für Pflege gefragt wird, zückt sie erstmal Aktenordner. Die dicken Aktenordner enthalten viele komplex wirkende Tabellen. Die Zahl am Ende ist jedoch immer ähnlich: Zwischen 1752,94 und 2813,71 Euro muss ein Mensch monatlich zahlen, der im St. Verena in Rielasingen-Worblingen gepflegt wird. „Die Pflegeversicherung ist eine Teilkasko-Versicherung“, erklärt die Einrichtungsleiterin, die für 96 Bewohner und 260 Mitarbeiter verantwortlich ist. Das bedeutet, dass die Einzahlungen während eines Arbeitslebens lange nicht reichen, um eine spätere Pflege zu bezahlen. Doch warum ist das so teuer? Das liege an der nötigen Infrastruktur im Drei-Schicht-System. Wer als Laie denkt, dass ein Pflegeheim dafür einfach seine Kosten ermittelt und diese anteilig auf die Pflegeplätze runterrechnet, irrt – und entlockt Gisela Meßmer ein Lachen.

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Die Kosten eines Pflegeheims sind ein ständiges Rechnen und Prüfen. „Wir machen jeden Monat einen Soll-/Ist-Abgleich und schauen, was wir geplant haben und was tatsächlich der Fall ist“, erklärt Meßmer. Für 260 Mitarbeiter und insgesamt knapp 580 Betreute ist das eine große Rechnung. Neben den 96 stationären Plätzen bietet St. Verena auch eine Sozialstation für 330 Menschen, Essen auf Rädern für 100 Kunden und 33 Tagespflege-Plätze für bis zu 70 Betroffene.

Der größte Kostenfaktor dabei sei das Personal, das mache 80 Prozent der Rechnung aus. „Wir haben alle Prozesse mit eigenem Personal im Haus“, erklärt Meßmer und zählt als Beispiel Küche und Wäscherei auf. Mitarbeiter verdienen nach Tarifvertrag – dass Pfleger schlecht bezahlt würden, sei ein Mythos. Vor zehn Jahren habe eine Fachkraft mit zehnjähriger Berufserfahrung 2783,18 Euro verdient, heute seien es 3452,54 Euro. Dazu kämen noch Zulagen, Weihnachts- und Urlaubsgeld. Abgesehen von den Personalkosten machen Sachkosten wie Lebensmittel, Heizung oder Strom die restlichen 20 Prozent aus. Weil diese Kosten seit Jahren stetig steigen, müssten auch die Gebühren für die Bewohner regelmäßig angepasst werden.

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„70 Prozent der Bewohner zahlen ihre Rechnung selbst“, sagt Gisela Meßmer. Neben der Rente würden sie dafür auch Vermögen und Ersparnisse aufbrauchen. In anderen Einrichtungen ist der Anteil wesentlich geringer: Das Landratsamt übernimmt als Sozialhilfeträger in 935 Fällen die Kosten, wie Sozialamts-Leiterin Cornelia Schönbucher auf Nachfrage erklärt. Nach der aktuellsten Pflegestatistik 2019 belaufe sich die Zahl der Pflegebedürftigen, die in Pflegeheimen versorgt werden, auf 2632. „Der Sozialhilfeanteil liegt derzeit bei 35,5 Prozent“, so Schönbucher. Also hat das Landratsamt im vergangenen Jahr 15,97 Millionen Euro an stationäre Pflegeheime überwiesen. Tendenz steigend: 2020 seien es noch 14,22 Millionen Euro gewesen.

Kosten sind deutlich gestiegen

Innerhalb der vergangenen zehn Jahre sind die Kosten deutlich gestiegen, wie Gisela Meßmer mit einem Blick in die Akten erfährt: 2012 musste ein Bewohner mit Pflegestufe 2 mit 96,67 Euro pro Tag rechnen, also 2940,70 Euro pro Monat. Davon übernahm 1279 Euro die Pflegekasse, macht einen Eigenanteil von 1661,70 Euro. Heute müssen Bewohner mit Pflegestufe 2 mit 120,49 Euro pro Tag rechnen, also 23,82 Euro mehr – pro Tag.

„Der Gesetzgeber hat gesehen, dass viele Menschen es nicht finanzieren können“, sagt Gisela Meßmer. Deshalb gelte seit Jahresbeginn ein Gesetz, das den Eigenanteil von der Wohnungsdauer abhängig mache: Wer unter zwölf Monaten in einer Einrichtung lebt, muss fünf Prozent weniger bezahlen. Bei mehr als zwölf Monaten sind es 25 Prozent weniger, bei mehr als 24 Monaten 45 Prozent und bei mehr als 36 Monaten sogar 70 Prozent. Das entlaste die Bewohner, wie die Heimleiterin erklärt, mache die Rechnung für die Einrichtungen aber noch komplizierter.

Baukosten müssen umgelegt werden

Ein Teil der Rechnung sind Unterkunft und Verpflegung, für die ein Bewohner immer aufkommen müsse. Unterschiede zwischen Einrichtungen bemerke man zum Beispiel beim Investitionskostenanteil: Mit 9,92 Euro pro Tag sei St. Verena aktuell relativ günstig, weil der Bau zur Zeit der Gründung 1996 gefördert worden sei. „Jetzt gibt es keine Zuschüsse mehr und die Baukosten werden voll umgelegt“, erklärt Meßmer. Deshalb werde der Um- und Anbau der Einrichtung, der 11,5 Millionen Euro kosten soll, dazu führen, dass dieser Kostenanteil erhöht werden muss.

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Wer für Pflege bezahlen muss, regeln das Bundessozialhilfegesetz und das Sozialgesetzbuch. In erster Linie sind Betreute selbst gefordert, die Kosten mit ihrer Rente oder Ersparnissen zu begleichen – auch wenn das im Notfall bedeutet, das Eigenheim verkaufen zu müssen. „Das Sozialamt übernimmt nur die Kosten, die nach Abzug der Leistungen der Pflegekasse und des Einkommens verbleiben“, erklärt Leiterin Schönbucher. Vermögen muss bis auf einen Freibetrag von 5000 Euro aufgebraucht werden. Eltern und Kinder von Pflegebedürftigen werden laut Schönbucher erst belastet, wenn sie mehr als 100.000 Euro brutto pro Jahr verdienen.

Rechenbeispiele aus der Sicht Betroffener

  • Stationäre Pflege: Je intensiver ein Mensch gepflegt werden muss, desto mehr muss dafür bezahlt werden. Während bei Pflegegrad 2 genau 74,19 Euro pro Tag für die Pflegeleistungen berechnet werden, sind es bei Pflegegrad 5 mit 114,79 Euro pro Tag deutlich mehr. Diese Differenz wird von der Pflegekasse aufgefangen: Für einen Platz mit Pflegegrad 2 übernimmt die Pflegekasse 770 Euro pro Monat, bei Pflegegrad 3 schon 1262 Euro, bei Pflegegrad 4 1775 Euro und beim höchsten Pflegegrad 5 2005 Euro. Dadurch bleibt der Eigenanteil der Bewohner gleich bei 2813 Euro – gerechnet am Beispiel der Einrichtung St. Verena in Rielasingen-Worblingen für einen Bewohner, der noch keine zwölf Monate dort wohnt. Seit Jahresbeginn gibt es einen Leistungszuschlag der Pflegekasse: Je länger jemand in einer Einrichtung lebt, desto mehr Kosten werden übernommen. Wer zum Beispiel länger als drei Jahren dort wohnt, muss 1752,94 Euro pro Monat bezahlen. Die fehlenden 1142 Euro übernimmt zusätzlich die Pflegekasse.
  • Tagespflege: Je öfter ein Mensch in der Tagespflege betreut wird, desto teurer wird es natürlich. Pauschal wird mit 82,30 Euro pro Tag an Pflegeleistungen gerechnet, dazu kommen Ausbildungsumlage und Fahrtkosten. Wenn also jemand mit Pflegegrad 3 zweimal pro Woche in der Tagespflege ist, liegen die Gesamtkosten bei 783,45 Euro. Das übernimmt jedoch die Pflegekasse, sodass nur der private Anteil aus Investitionskosten, Unterkunft und Verpflegung bleibt. Auch von diesen 171,09 Euro übernimmt 125 Euro die Pflegekasse. Das macht unterm Strich einen Eigenanteil von 46,09 Euro für die betreute Person im Fall der Tagespflege.
  • Sozialstation: Kompliziert wird es rechnerisch bei der mobilen Versorgung pflegebedürftiger Menschen, denn hier wird jede Leistung einzeln abgerechnet. Das können 33,82 Euro sein für die große Körperpflege, aber auch 13,93 Euro fürs Beziehen eines Bettes oder 40,79 Euro für die Zubereitung einer warmen Mahlzeit, jeweils gerechnet für eine Pflegefachkraft. Auch hier hängt der Eigenanteil, den die versorgte Person zu bezahlen hat, vom Pflegegrad ab, wie das Beispiel einer täglichen großen Körperpflege zeigt. Die kostet 1312,41 Euro – bei Pflegegrad 2 liegt der Eigenanteil bei 588,41 Euro und ab Pflegegrad 3 bei 43,40 Euro.