Es ist eine Geschichte, wie sie sich hundertfach in Deutschland zutragen dürfte: Die Bewohner eines eigentlich viel zu großen Hauses können dort nicht mehr wohnen, die neuen Eigentümer wollen die alten Gebäude nicht behalten und verkaufen. Was dann mit einem Gebäude passiert, ist stark vom Willen der Beteiligten abhängig. Neu bauen oder den Bestand erhalten? Über kaum etwas lässt sich so trefflich streiten wie über das Bauen. Denn seine Auswirkungen sind öffentlich sichtbar.

Eine solche Geschichte hat sich auch in der Riedernstraße in Worblingen zugetragen. Den Besitzer wechselte ein früheres Gehöft, das zum alten Kern des Ortes gehört hat. Käuferin war die Manz GmbH aus Radolfzell, ein klassischer Bauträger. Das alte Gebäude soll durch einen Neubau ersetzt werden. Und genau an dieser Stelle begannen die Diskussionen. Vor allem eine Nachbarin meldete sich zu Wort. Susanne Breyer wollte die alten Gebäude erhalten wissen und führte vor allem ins Feld, dass sie von historischem Wert seien und daher erhalten werden sollten. Die Unternehmerin, Karin Vögele, argumentiert mit Altlasten im Altbau und mit dem Wohnraum, der geschaffen wird.

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Die alten Gebäude wurden inzwischen abgerissen

Inzwischen sind die alten Gebäude abgerissen. Und deutlich wird, was für ein großes Grundstück dadurch nun freigeworden ist. Zuvor hätten dort im Prinzip zwei Familien leben können, sagt Vögele. Durch den Neubau sollen nun 13 Wohnungen in zwei Gebäuden entstehen, die durch eine Tiefgarage verbunden sind.

Energie soll per Fotovoltaik und Luft-Wärme-Heizung entstehen. „Rielasingen-Worblingen wächst, da ist auch der Bedarf vorhanden“, ist ihre Überzeugung. Innenverdichtung ergebe da Sinn. Die Eigentümer des Anwesens hätten sich von sich aus gemeldet und seien mit dem Konzept ihres Unternehmens zufrieden gewesen. Die bestehenden Gebäude durch einen Neubau zu ersetzen, sei auch von Anfang an der Grundgedanke gewesen, sagt Vögele im Gespräch.

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Wäre ein Erhalt möglich gewesen?

Hätte man die alten Gebäude ganz oder teilweise erhalten können? Das wäre ein Liebhaberprojekt gewesen, sagt die Unternehmerin. Denn in dem alten Gebäude mit seinen niedrigen Räumen hätte heute niemand mehr wohnen wollen. Auch die Heizung hätte man komplett erneuern müssen, sagt sie. Und ein Teilerhalt des Bestandes hätte das Grundstück für die Bebauung mit nur einem Neubau uninteressant gemacht.

Denn eine Tiefgarage werde pro Wohnung immer teurer, je kleiner das Gebäude sei. Vögele bricht auch eine Lanze für ältere Menschen, die aus einem Einfamilienhaus ausziehen, aber nicht direkt in betreutes Wohnen wechseln wollen. Auch für diese Gruppe brauche man Wohnraum.

Diese Neubauten sollen auf dem Grundstück in der Riedernstraße in Rielasingen-Worblingen entstehen. Im Vordergrund ist die Zufahrt zur ...
Diese Neubauten sollen auf dem Grundstück in der Riedernstraße in Rielasingen-Worblingen entstehen. Im Vordergrund ist die Zufahrt zur Tiefgarage zu erkennen. | Bild: Architekturbüro Graf

Schadstoffe waren vorhanden

Und die Unternehmerin zeigt zudem Gutachten, denen zufolge Schadstoffe in einer zu hohen Konzentration in dem Gebäude verbaut waren. Der Grenzwert für PAK – polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe – wurde laut dem Gutachten stark überschritten. Der Stoff ist laut dem Umweltbundesamt krebserregend und war laut Vögele in der Ummantelung von Stromleitungen enthalten.

Deswegen habe auch die Gemeinde Abstand von der Idee genommen, vorübergehend Flüchtlinge in dem Gebäude unterzubringen. Das bestätigt Bürgermeister Ralf Baumert auf Anfrage: Man müsse Geflüchteten Wohnraum zur Verfügung stellen, der ihnen keine gesundheitlichen Probleme verursache. Und Vögele ergänzt, dass der Gutachter auch darauf hingewiesen habe, dass man noch unliebsame Überraschungen in der Bausubstanz finden könnte.

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Doch sie hat auch Verständnis für alle, die einem alten Gebäude nachtrauern: „Natürlich tut es weh, wenn man sieht, dass etwas Altes abgerissen wird“, sagt sie. „Aber irgendwann muss man auch loslassen.“ Auch der schöne große Garten hinter dem Gebäude sei zu seiner Zeit sicher richtig gewesen. Aber: „Diese Zeit ist vorbei.“ Demnächst sollen die Bauarbeiten beginnen. Und Vögele schiebt hinterher: „Ich will keinen Kampf mit einer Nachbarin, sondern ein Bauprojekt umsetzen.“

Nachbarin kann sich weiterhin nicht mit dem geplanten Neubau anfreunden

Nachbarin Susanne Breyer kann sich mit dem Bauprojekt nach wie vor nicht abfinden. Sie habe für ihre eigenen Interessen gekämpft, nicht für ein kommerzielles Projekt, sagt sie. Im Gespräch betont sie, dass sie durchaus nicht sage, man dürfe auf dem Grundstück nicht bauen. Sie hätte nur andere Vorstellungen davon gehabt. Und sie hätte die Scheune, die direkt an ihr Haus angrenzte, gerne erhalten. Beispielsweise durch den Einbau von Boxen hätte man darin Wohnraum gestalten können, so Breyer, die nach eigenen Angaben Tochter eines Architekten ist.

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Enttäuscht fühlt sie sich vor allem von den Denkmalschutzbehörden und dem Gemeinderat und dessen Technischem Ausschuss. In mehrfacher Hinsicht sei in diesen Einrichtungen geschlafen worden. Und auch vom Petitionsausschuss des Stuttgarter Landtags fühlt sie sich im Stich gelassen. An das Gremium hatte sie sich im Sommer 2022 gewendet.

Alle Bürger des Landes können sich an den Petitionsausschuss wenden, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen. Nach ihrer Information sei die Petition in der Bauverwaltung des Landes hängen geblieben, sagt Breyer – mangels Aussicht auf Erfolg. Dem widerspricht Dorothea Wehinger. Die Landtagsabgeordnete der Grünen im Landkreis sitzt seit dem Sommer selbst im Petitionsausschuss. „Selbstverständlich wird jede Petition behandelt, aber nicht jede geht ins Gesamtgremium“, sagt sie. Auch in Breyers Fall habe eine kleinere Arbeitsgruppe mit je einem Vertreter aus jeder Fraktion entschieden. Für diese Gruppe sei eindeutig gewesen: Nach Rechtslage ändert sich in diesem Fall nichts.

Und nun? Irgendwie ist keine der Parteien so richtig zufrieden. Aber irgendwie werden alle mit der Situation zurechtkommen müssen. Wie in hunderten anderen Fällen in Deutschland.