Dagmar-Wenzler Beger

Auf einer Radeltour von Rielasingen nach Überlingen am Ried hat Ingrid Klein die großen, gelben Blüten entdeckt. „Da wächst das für Mensch und Tier hochgiftige Jakobskreuzkraut in Massen“, berichtet sie in einer Leser-Zuschrift an den SÜDKURIER. Da es auch am Rande eines Kornfeldes wuchert, zeigt sie sich beunruhigt. Denn bei Hautkontakt könne es zu allergischen Reaktionen kommen.

Seit Jahren wird über die Ausbreitung des Jakobskreuzkrauts kontrovers diskutiert – zunächst im Norden Deutschlands und inzwischen auch immer öfter im Süden. Inzwischen breitet sich die Pflanze so schnell aus, dass es fast unmöglich ist, sie einzudämmen. „Gleichwohl ist sie eine heimische Pflanze, deren enorme Ausbreitung allerdings erst durch die Trockenperioden der letzten Jahre begünstigt wurde“, erklärt Matthias Möhrle. Das Jakobskreuzkraut zählt zum Aufgabenbereich des Umweltbeauftragten in der Gemeindeverwaltung von Rielasingen-Worblingen.

Pflanze kann sich rasend schnell ausbreiten

Die bis zu anderthalb Meter hohe Pflanze hat eine tiefe Pfahlwurzel und bildet bis zu 100.000 Samen pro Pflanze, die über den Wind verbreitet werden. Wurzelreste im Boden können wieder neue Pflanzen austreiben und Samen können in der Erde bis zu 25 Jahre keimfähig bleiben. „Das allein zeigt schon, wie schwierig es ist, diese Pflanze auszurotten“, so Möhrle.

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Aus Sicht des Naturschutzes sei die Pflanze allerdings keine Problempflanze. Im Gegenteil: Das Jakobskreuzkraut sei für viele Tiere und Insekten sogar eine willkommene Nahrungsquelle. Weiter verweist Möhrle auf ein Insekt namens Blutbär – die Raupen des schwarzen Schmetterlings mit roten Streifen auf den Flügeln schätzen das ungeliebte Kraut als Lieblingsspeise. Genau darauf setzt auch Möhrle. Die massenhafte Ausbreitung des Krauts habe in aller Regel eine erhöhte Population des Blutbärs zur Folge, der wiederum halte die Vermehrung des Krauts auf natürliche Weise in Schach.

Wer aber ist wirklich gefährdet?

Für den Menschen drohe aber kaum Gefahr. „Wir müssen also vorwiegend an Straßenrändern, wie zum Beispiel an der Kreisstraße Richtung Überlingen am Ried, am dortigen Radweg und auf privaten Wiesen von Landwirten und Ödflächen, aufpassen und lediglich die gelb blühende Pflanze, die dem Johanniskraut ähnelt, nicht anfassen“, rät Möhrle.

Matthias Möhrle ist Umweltbeauftragter von Rielasingen-Worblingen.
Matthias Möhrle ist Umweltbeauftragter von Rielasingen-Worblingen. | Bild: Biehler, Matthias

Es droht nicht nur eine allergische Reaktion bei Hautkontakt. In erster Linie sind Pferde gefährdet, die schwere Leberschäden davon tragen, wenn sie das Kraut fressen – das könne bis zum Tod führen. Auch für Rinder, Ziegen und Schafe ist die Pflanze gefährlich. Deshalb müssen Landwirte beim Heu darauf achten, dass es nicht mit der Pflanze verunreinigt ist.

Schadstoffe können sich im Honig anreichern

Beim Menschen bestehe die größte Gefährdung, wenn er Honig zu sich nimmt, der von Bienen stammt, die sich ihren Nektar aus dem Jakobskreuzkraut geholt haben. Dies passiere aber nur, wenn sie nicht genügend Nahrungsangebote erhalten. Das giftige Alkaloid Pyrrolizidin, das aus den Blüten und Blättern der Pflanze stammt, reichert sich auch beim Menschen in der Leber an und kann dort nicht mehr abgebaut werden.

Die rasante Ausbreitung dieser Problem-Pflanze sieht Möhrle als Folge des menschlichen Umgangs mit der Natur: Die Anreicherung der Böden durch Stickstoff und Phosphate in Düngern, die Austrocknung von Feuchtwiesen, der Rückgang von Nahrungsangeboten für Bienen und die selten gewordenen Wildkaninchen und anderen Nagetiere nennt er als Gründe, die es dem Kraut leicht machen, sich zu vermehren. Wildkaninchen zum Beispiel sind immun gegen das Gift der Pflanze und könnten sie unbeschadet fressen, wenn es denn noch genügend Wildkaninchen gäbe.

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Beim Entfernen braucht es unbedingt Handschuhe

Das Landratsamt Konstanz versucht, durch regelmäßige Mahd zu verhindern, dass die Samen sich weiter ausbreiten. Geschlossene, gesunde Grasnarben bieten der Pflanze keinen Raum für eine weitere Ansiedlung. Für die Gemeinden sei aber weder finanziell noch personell möglich, eine komplette Ausrottung des Jakobskreuzkrautes zu leisten.

Andere heimische Giftpflanzen, wie zum Beispiel der gemeine Stechapfel, der Aronstab, die Engelstrompete oder der Fingerhut, wachsen auch seit Jahrhunderten in der Region und wenn man die Pflanzen erkennt, könne man sie ebenso meiden wie auch das Jakobs-Kreuzkraut. „Gefahr erkannt – Gefahr gebannt!“, so Möhrle. Und wer auf eigenem Grund und Boden selbst aktiv werden will, sollte auf jeden Fall Handschuhe tragen, wenn man die Pflanze ausreißen will.

Die gelbe Blüte verlockt zum Pflücken. Doch der Kontakt mit der Pflanze kann Hautreizungen hervorrufen.
Die gelbe Blüte verlockt zum Pflücken. Doch der Kontakt mit der Pflanze kann Hautreizungen hervorrufen. | Bild: Dagmar Wenzler-Beger

Eine Warnung vor der Pflanze sieht auch Ingrid Klein als wichtig an: „Sie ist wunderschön und verleitet zum Pflücken“, nennt sie die Gefahren im Alltag.