Wer am Heinz-Sielmann-Weiher in Worblingen spazieren geht oder von der Besucherplattform einen Blick auf Flora und Fauna wirft, wird sich vermutlich wundern. Wo noch vor Kurzem ein kleines Hybridpappelwäldchen stand, steht aktuell nur noch ein kleines Bäumchen. Wie vom Kreisforstamt Konstanz auf Nachfrage des SÜDKURIER zu erfahren war, wurde diese Aktion vom Grundstücksbesitzer mit der Behörde abgestimmt. Doch Naturschützer sind sauer: „Es ist ein Skandal, dass ein wertvolles Biotop am Heinz-Sielmann-Weiher durch Waldrodung geschädigt wird“, klagt Dagmar Hirt, Regionalsprecherin der Naturschutzinitiative (NI) Hegau/Bodensee, an.

Wenn es die Witterung zulässt, soll an der Stelle noch dieses Frühjahr ein standortgerechter Laubmischwald gepflanzt werden, so Forstamtsleiter Walter Jäger. Abgestimmt mit der höheren Forstbehörde in Freiburg sei diese Fläche als Ausgleichsfläche für die Umwandlung eines Eichenbestandes in Singen wegen Nutzung eines Gewerbegebietes bestimmt. Doch das besänftigt die Naturschutzinitiative nicht: Dass das Ganze darüber hinaus als Ausgleich für die Rodung eines Eichenwaldes mit dessen anschließender Versiegelung durch ein Gewerbegebiet gewertet werde, verärgert Dagmar Hirt noch mehr.
Sie wollte Brutstätten von Milanen retten
Von Gefahr in Verzug erzählt Dagmar Hirt, als sie im Februar für den Artenschutz in der Gegend unterwegs gewesen sei und dabei die Baumfällungen bemerkte. Sie wusste, dass dort streng geschützte Milane brüten und traute ihren Augen nicht, als sie die Rodungsarbeiten bemerkte. Denn es seien auch Horstbäume gefällt worden. Hier werde gegen das Bundesnaturschutzgesetz verstoßen, lautet ihre Überzeugung. Noch dazu sei der Brutplatz gut sichtbar gewesen. Als sie auf die Arbeiten stieß, sei noch ein letzter Baum mit belegtem Horst gestanden.
Doch ihr Aufbegehren, diesen zu retten, habe ihrer Aussage nach die Forstarbeiter vor Ort nicht interessiert. Es gelang ihr nicht, diesen Baum zu retten. „Dieser Wald bildete ein Gesamtbiotop mit dem Heinz-Sielmann-Weiher, an dem viele Arten ihren Lebensraum und Fortpflanzungsstätten haben“, so Dagmar Hirt.
Pappeln gehörten hier eigentlich gar nicht hin
Forstamtsleiter Walter Jäger bestätigt die Genehmigung der Maßnahme. Naturschutzgebiet und Waldbiotope seien auf dem Grundstück des gerodeten Hybrid-Pappelwäldchens nicht ausgewiesen. Pflanzmaßnahmen von standortgerechter Eiche, Erle und Hainbuche sollen die standortfremde Pappel ersetzen. Dies seien Maßnahmen, welche auch im Sinne einer langfristigen Verbesserung des Naturhaushaltes liege.
Er ergänzt, dass schon das Betriebsgutachten des Privatbesitzers im Jahr 2019 die Räumung und den Anbau eines standortgerechten Laubmischwaldes vorsah. Grund seien die Durchmesser der Bäume und das beginnende sowie zu erwartende Zusammenbrechen des Bestandes gewesen. Es sei also plankonform und in Abstimmung mit dem Kreisforstamt Konstanz gehandelt worden.
Für Dagmar Hirt ist das Argument des Zusammenbrechens der Bäume nicht nachvollziehbar. Wie sie erzählt, sah sie die frisch gefällten Stämme der Pappeln und konnte daran keine Zeichen dafür erkennen. „Eine Schandtat wurde durch eine andere noch schlechter gemacht“, staunt sie über den Sachverhalt. „Wenn weiterhin so mit unserem Wald umgegangen wird, beschleunigt das die Krisen von Artensterben und Klima, denn Wald schützt nicht nur die Biodiversität, sondern auch das Klima“, sagt sie schockiert.
Ersatz für Eichenwald in Singen
Auch Sindy Bublitz von der Umweltschutzstelle der Stadt Singen bestätigt, dass die Umwandlung des Pappelwäldchens am Weiher in Worblingen zu einer Ausgleichsmaßnahme für die Inanspruchnahme eines Eichenwaldes am Güterbahnhof in Singen gehört. Der in Singen überbaute Eichenwald sei forstrechtlich korrekt ausgeglichen.

Aber aus Sicht des Artenschutzes sei die Rodung des Wäldchens mit alten Pappeln mit Großhorsten und Höhlen ein großer und beklagenswerter Verlust. Daher gelte es künftig, auch im Privatwald noch größere Anstrengungen für den Schutz von Vögeln, Fledermäusen und anderen Waldbewohnern zu unternehmen.
Eberhard Piest, Leiter Gräflich von Spee‘sche Forstbetriebe und Verwalter der Grundstückseigentümer, ist erstaunt darüber, dass sich ein Naturschutzverein über die Ernte der häufig verunglimpften Hybrid-Pappel aufregt. Schließlich würden dafür standortgerechte einheimische Laubhölzer gepflanzt werden.
„Kahlschlag in den Wäldern verursacht viel Schaden und macht es dem nachfolgenden Jungaufwuchs schwer“, fasst Claudia Rapp-Lange, Referentin für Presse, Öffentlichkeitsarbeit und Artenschutz bei der Naturschutzinitiative, zusammen. Besser seien ihrer Meinung nach forstwirtschaftliche Maßnahmen gewesen, die einen vitalen Wald erhalten. Man hätte den Bestand des Pappelwäldchens schonen, nur einzelne Bäume entnehmen und dadurch den Jungaufwuchs aktivieren können, erklärt sie. Dabei wären auch die Niststätten der bedrohten Vögel erhalten geblieben.
Die Bäume sind gefällt, das lässt sich nicht mehr ändern. NI-Sprecherin Dagmar Hirt wünscht sich, dass so etwas nie wieder passiert. Die Bilanz fällt in ihren Augen negativ aus: zwei Waldflächen wurden zerstört und nur eine wird wieder aufgeforstet. Dieser neue Wald würde frühestens in 20 Jahren seine Leistung erbringen, sowohl als Ökosystem und auch für das Klima. Deshalb zeige die NI den Vorgang bei den Behörden an und fordert diese auch auf, dem Vorfall nachzugehen – und dafür zu sorgen, dass sich dergleichen nicht wiederholt, wie sie erklärt.