Die Baugesuche muten an wie aus einer vergangenen Zeit. Da wollen zwei landwirtschaftliche Betriebe, die im Singener Stadtteil Beuren an der Aach großflächige Gewächshäuser betreiben, Heizöltanks mit einem Fassungsvermögen von zusammen 130.000 Litern installieren. Dabei stehen die Zeichen der Zeit doch auf erneuerbare Energien und CO2-Vermeidung. Wie passt das zusammen?
Schaut man genauer auf die Baugesuche, so findet sich dort zwischen wenigen weiteren Informationen das Wort Redundanz. Das heißt: Die Öltanks sollen als Absicherung dienen für den Fall, dass die hauptsächliche Heizquelle ausfällt. Matthias Keller, der die Installation eines 80.000 Liter fassenden Tanks am Paprika-Gewächshaus der Reichenauer Gärtnersiedlung federführend betreibt, erklärt, was auf dem Spiel steht. Sollte eine Ernte wegfrieren, so würde den fünf Familien, die in dem Gewächshaus produzieren, ein Schaden von 12 bis 15 Millionen Euro entstehen. Allein für die Jungpflanzen gebe man jedes Jahr eine Million Euro aus. Und er gibt noch einen Punkt zu bedenken: „Wenn man keine Redundanz hat, bekommt man auch Schwierigkeiten mit dem Versicherungsschutz.“

Grundsätzlich seien die Betriebe, die in dem Gewächshaus arbeiten, dabei, von fossilen Brennstoffen wegzukommen. Derzeit erzeuge man Wärme in mehreren Blockheizkraftwerken – die nebenbei auch noch Strom erzeugen. Etwa drei Viertel davon würden mit Biomethan befeuert, was durch Zertifikatehandel funktioniere. Der Rest der Energie komme aus gewöhnlichem Erdgas. Doch das soll nicht mehr lange so sein. Im Bau ist bereits ein Kraftwerk, das mit Altholz der Klassen eins und zwei Energie erzeugen soll. Das soll 38 Millionen Kilowattstunden Gas einsparen, erklärt Keller.
Die Betriebe

Falls es in diesem Kraftwerk eine Störung geben sollte, müsse eine Absicherung her: „Und ein Öltank ist sicherer als eine Gasleitung, die auch mal für zwei Tage zu sein kann“, so Keller. Immerhin wurde im vergangenen Winter noch eine Gasmangellage befürchtet. Bei zehn bis 15 Grad unter Null halte das Gewächshaus die Wärme nur für eine bis zwei Stunden. Da der Betrieb seit Beginn der Produktion außerdem größer geworden ist, reiche der vorhandene Öltank mit 20.000 Litern Fassungsvermögen nicht mehr zur Absicherung aus: „Der muss für drei bis vier Tage reichen, damit man auch ein Wochenende überbrücken kann.“ Eine Alternative sehe er derzeit nicht. Doch mit etwas Glück brauche man das eingelagerte Heizöl nur für die Messungen des TÜV – wie beim bisherigen Öltank. Und Keller stellt klar: „Wir wollen nicht mit fossiler Energie heizen.“

Ähnlich hört sich an, was Marlen Friedrich zu erzählen hat. Sie ist beim Unternehmen Peter Stader Jungpflanzen mit Sitz in Reichenau als Geschäftsleiterin für Personal und Verwaltung zuständig. Das zweite große Gewächshaus bei Beuren gehört zu ihrem Unternehmen. Auch bei ihnen gehe es mit einem 50.000 Liter-Öltank um eine Absicherung. „Wenn in einer kalten Februarnacht die Heizung ausfällt, braucht man sie danach nicht mehr einschalten“, sagt Friedrich. Denn dann seien die Gemüsesetzlinge, die bei dem Unternehmen gezüchtet werden, erfroren.
Das Unternehmen heize das Beurener Gewächshaus derzeit mit Erdgas, sagt Friedrich. Doch auch hier musste eine Absicherung gegen mögliche Gasausfälle her, und zwar schnell. Der Öltank sei für das Unternehmen die beste Möglichkeit gewesen.
Kritik an Bauanträgen im Bauausschuss
Im Ausschuss für Stadtplanung, Bauen und Umwelt des Singener Gemeinderats stießen die Bauanträge trotzdem auf Kritik – obwohl das Gremium nicht einmal über sie abstimmte. Der Tagesordnungspunkt wurde auf eine spätere Sitzung verschoben, weil die Brandschutzkonzepte noch überarbeitet werden müssen, wie Oberbürgermeister Bernd Häusler und Thomas Mügge, Fachbereichsleiter Bauen bei der Stadtverwaltung, erklärten.
Hans-Peter Storz (SPD) bemängelte in der Sitzung, dass nun schon die dritte Heizart installiert werde. Karin Leyhe-Schröpfer (Grüne) fand es sogar „ungeheuerlich“, dass so viel fossile Energie vorgehalten werden soll. Auch Ortsvorsteher Stephan Einsiedler berichtete, dass der Ortschaftsrat den Öltank bei der Gärtnersiedlung kritisch gesehen habe, weil dort bereits eine Redundanz vorhanden sei. Doch die Bauvorhaben seien, wie bei landwirtschaftlichen Betrieben üblich, privilegiert, sagte OB Häusler. Eine Ablehnung durch ein kommunales Gremium hätte daher nur zur Folge, dass das Regierungspräsidium über den Bau entscheide.
Es gab auch eine Diskussion um die Baugenehmigung
Doch genau die Privilegierung sei es, die einem Ortschaftsrat die Mitsprache verwehre, sagt Einsiedler auf Nachfrage: „Deswegen kommen immer wieder Diskussionen auf.“ Hätte das Gremium rund um das Baugesuch mehr Informationen bekommen, wäre die Entscheidung sicher leichter gefallen, so Einsiedler. Zur Energieversorgung gab es in der Ausschusssitzung auch noch Informationen. Die Gärtnersiedlung wolle unter der Hochspannungsleitung eine Solarstromanlage errichten, sagte Adam Rosol, Abteilungsleiter Stadtplanung.
Wolfgang Werkmeister (CDU) merkte im Ausschuss noch kritisch an, dass der Tank beim Paprika-Gewächshaus schon stehe. Dahinter steckt die Frage: Hat der Bauherr ohne Genehmigung Tatsachen geschaffen? Matthias Keller erklärt, dass man den neuen Öltank zu einem Zeitpunkt bestellt habe, als alle Betriebe Öltanks zur Absicherung haben wollten. Plötzlich sei die Lieferzeit von wenigen Wochen auf etwa ein Jahr hochgeschnellt. Nun sei der Tank geliefert und gleich an die richtige Stelle gestellt worden. Rohre und Schrauben finden sich daran nicht. Im Nachgang zur Sitzung bestätigt Thomas Mügge, dass kein Anschluss da sei. Und es werde noch geprüft, ob die Aufstellung des Tanks überhaupt eine Genehmigung gebraucht hätte.
Einen Fürsprecher der Landwirte gab es in der Ausschusssitzung allerdings auch. Klaus Niederberger (CDU) sagte: „Die bauen das nicht aus Spaß da hin, sondern haben Angst, dass ihnen die Energie ausgeht.“ Die Landwirte würden ein bewundernswertes Risiko eingehen. Und: Lebensmittel in der Region zu produzieren, spare auch den Transport.