Der Statthalter im Iran hat so gut wie nichts zu tun. Unter den auf einer Landkarte rot markierten Niederlassungen des Singener Transportunternehmens Transco fällt der Standort sofort ins Auge, denn die Kernmärkte liegen in Mittel- und Osteuropa. Fernab davon sticht die seit 2016 bestehende Dependance heraus und noch hält der geschäftsführende Gesellschafter Christian Bücheler an dem Büro in Teheran fest.

Ware fließt, Geld nicht

Vieles gäbe es von und nach Nahost zu transportieren, begründet er sein Zuwarten, und der Austausch von Gütern und Waren wäre nicht einmal unbedingt von den US-Wirtschaftssanktionen gegen den Iran tangiert. Nein, das Problem ist ein anderes. Der Geldtransfer funktioniert nicht, was an den Besonderheiten des internationalen Finanzwesens liegt. Deshalb verfolgte Christian Bücheler die Debatte um die Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank zu einem großen, international aufgestellten Bankhaus aus seiner ganz speziellen Perspektive.

Flüchtlinge als blinde Passagiere

Die Niederlassung im Iran ist nur ein Beispiel für die internationale Einbindung des Singener Unternehmens und damit der Abhängigkeiten von den Wechselfällen der Politik. Etwa wenn es um Migration geht. So gab es in den vergangenen zwei Jahren einige Fälle, bei denen sich Flüchtlinge auf Fahrzeugen von Transco versteckt hatten, um als blinde Passagiere nach England zu gelangen. Mal abgesehen von den menschlichen Tragödien brachten die Zwischenfälle den auf Reibungslosigkeit beruhenden Wirtschaftskreislauf ins Stottern, weil die Ware nicht ohne Weiteres weiter transportiert werden dürfen. Unter Umständen muss sie über mehrere Woche gelagert und begutachtet werden, um so ihre problemlose Verwendung sicherzustellen.

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Gleichzeitig bietet das Nebeneinander der politischen Systeme die Grundlage dafür, dass Transco im Markt bestehen kann. „Den Transport einer Palette von Frankfurt nach Stuttgart bekommt jeder hin“, sagt Christian Bücheler, „aber wenn‘s um Kiew oder etwa Pharma-Artikel für Moskau geht, dann ist das eine ganz andere Hausnummer.“ Transco hat sich auf Transporte insbesondere in osteuropäische Länder spezialisiert – laut Christian Bücheler eine Wissenschaft für sich.

Auf die Schiene ist wenig Verlass

Das gilt auch für Kooperationen mit der Bahn. Für Christian Bücheler und seine Assistentin Tania Mel Alvarez ist es nicht in Stein gemeißelt, dass der Gütertransport für alle Ewigkeit über die Straße zu erfolgen hat – schon gar nicht im derzeitigen Umfang. „Niemand will Lkw“, sagt Christian Bücheler, „wir auch nicht. Aber die Kuh läuft nun einmal nicht in den Laden.“

Knapper lässt sich die Systemrelevanz von Transco nicht in Worte fassen. Ohne die Transportunternehmen käme die Wirtschaft ziemlich schnell zum Erliegen und das droht in besonderem Maße bei Transporten mit der Bahn. Transco nutzt sie wegen der topografischen Herausforderungen vor allem beim Warenverkehr nach und von Italien, ein reibungsloser Verlauf ist dabei jedoch eher die Ausnahme. Pünktlichkeit? In drei von vier Fällen ist sie im Italien-Geschäft mangelhaft, aber auch auf den innerdeutschen Bahnverkehr ist laut Christian Bücheler auf die Bahn wenig Verlass. Die Schiene Rhein-Ruhr würde der Unternehmenschef gern zu 100 Prozent nutzen, tatsächlich aber werden nur etwa 20 Prozent der Transco-Transporte auf dieser Strecke mit der Bahn auf die Reise geschickt.

Schwierige Zeiten für Nomaden

Die Politik fährt bei Transco auch beim Einsatz der 60 Fahrer immer mit. Englische Sprachkenntnisse sind Pflicht, das Unternehmen bietet dazu hausinterme Sprachschulungen an. Hinters Steuer dürfen außerdem nur ausgebildete Fahrer – ein Problem, das wegen des mangelnden Interesses am Beruf voraussichtlich noch wachsen wird. Christian Bücheler und Tania Mel Alvarez sind sich allerdings sicher, dass es sogenannte Nomaden in der Branche immer schwerer haben werden. Die Kunden achten ihren Angaben zufolge zunehmend auf Seriosität, über den Preis allein lassen sich Angebot und Nachfrage nicht mehr regulieren.

Der Fernsehsender Arte zeigt am Dienstag, 7. Mai, um 20.15 Uhr unter dem Titel „Wahnsinn Lkw“ eine 90minütige Dokumentation über die Verkehrslage auf deutschen Autobahnen und die Auswirkungen für Mensch und Umwelt; das TV-Team drehte und recherchierte dazu auch auf dem Gelände des Singener Unternehmens Transco

Eckdaten eines Unternehmens in einem Schlüsselbereich der Wirtschaft

  1. .Das Unternehmen: Transco wurde 1970 gegründet, die Verlagerung des Sitzes von Konstanz nach Singen wurde 2014 abgeschlossen. Grund für den Standortwechsel waren vor allem der Flächenbedarf und die gute Anbindung an die Autobahn. Das Firmenareal in der Gottlieb-Daimler-Straße im Singener Industriegebiet weist eine Größe von rund 40 000 Quadratmetern auf, die Niederlassung in Gottmadingen ist mit etwa 70 000 Quadratmetern noch um einiges größer. Insgesamt unterhält das Unternehmen 30 Standorte in neun Ländern.
  2. .Die Unternehmensstruktur: Bei der Transco handelt sich um eine inhabergeführte GmbH, die ihrerseits Teil einer Holding-Gesellschaft ist. Der Chef sowohl dieser Holding als auch der GmbH ist Christian Bücheler. Die Vorteile dieser Unternehmensstruktur sieht der 59-Jährige vor allem in der Möglichkeit zu schnellen, unbürokratischen Entscheidungen. Ein Verkauf des Unternehmens kommt für Christian Bücheler nicht in Frage, er will nach seinem geplanten Rückzug das operative Geschäft seinem Sohn sowie geeigneten Mitarbeitern überlassen.
  3. .Kennzahlen: 2017 belief sich der Umsatz des Unternehmens auf rund 101 Millionen Euro. Erwirtschaftet wurde dies von rund 580 Mitarbeitern, 220 sind als Vertragsfahrer für das Unternehmen tätig. Die 120 Lastwagen bringen es pro Jahr auf eine Laufleistung von 250 000 bis 300 000 Kilometern, nach vier bis fünf Jahren oder einer Gesamtkilometerleistung von einer Million Kilometern werden sie ersetzt. Um rentabel zu sein, müssen die Zugmaschinen möglichst durchgängig unterwegs sein. Zum Fuhrpark von Transco gehören außerdem 400 Sattelauflieger.
  4. .Firmenphilosophie: „Wir machen nicht alles, aber was wir machen, machen wir richtig.“ Als Beleg für diesen Leitsatz verweist Christian Bücheler auf die Mitarbeiterschulungen wie Englischkurse, Angebote zur Gesundheitsvorsorge im hauseigenen Fitnessraum oder den Fuhrpark von 44 E-Bikes für Mitarbeiter. Transco ist vielfach zertifiziert, 2011 wurde dem Unternehmen der LEO-Award „Zukunftsmacher des Jahres“ verliehen. Der Preis gilt laut Christain Bücheler und Tania Mel Alvarez als eine Art Oscar der Transportbranche. (tol)