Das Thema Inklusion ist in aller Munde. Seit einigen Jahren. In den 1970er Jahren wurde das Wort kaum verwendet, zumindest nicht im Zusammenhang mit Teilhabe von Behinderten. Aber Inklusion wurde einfach so gelebt. Auch das soziale Klima war in Singen damals hervorragend, wie Peter und Helga Nowak beim Gespräch mit dem SÜDKURIER erzählen. Sie haben 1972 zusammen mit Pfadfindern in der Herz-Jesu-Pfarrei die Pfadfinder trotz allem gegründet.

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Doch zunächst kurz in die Gegenwart: Vor dem Be-Treff in der Mühlenstraße sammeln sich Gäste, die sich schon aufs Kegeln freuen. Doch bevor es losgeht, wird ein Gruppenfoto gemacht. Mit dabei Peter und Helga Nowak, die seit 47 Jahren engagiert in der Betreuung Behinderter sind, und Peter und Bruni Teubner, die an diesem Abend die Kegler begleiten. Auch sie sind fast von Anfang an engagiert dabei. Wie alles begann, erzählen die Ehepaare im Gespräch mit dem SÜDKURIER. Beim Durchblättern der Fotoalben kommen Erinnerungen und es wird auch viel gelacht.

Alles begann im Jahre 1972: Die Ehepaare Nowak und Teubner haben in dieser Zeit die Pfadfinder trotz allem (PTA) gegründet. Im oberen ...
Alles begann im Jahre 1972: Die Ehepaare Nowak und Teubner haben in dieser Zeit die Pfadfinder trotz allem (PTA) gegründet. Im oberen Bild (mit Kreisen markiert, von links) Helga Nowak, Peter Nowak, Bruni Teubner und Peter Teubner. Beim Blättern im Bilderarchiv von Nowaks kommen viele schöne Erinnerungen hoch. Im Bild unten (von links) Bruni Teubner, Helga Nowak, Peter Teubner und Peter Nowak. Bilder: Privat/Susanne Gehrmann-Röhm

Warum PTA? Die Abkürzung hat verschiedene Bedeutungen. Allerdings geht es hier um die Gruppe Pfadfinder trotz allem. Helga Nowak erzählt, wie es dazu kam: „Im Sommer 1972 kamen Mitglieder der St. Georgs-Pfadfinder von der Herz-Jesu-Pfarrei zu uns, den Eltern eines geistig behinderten Kindes, und erklärten sich bereit, mit uns eine Freizeitgruppe für Kinder mit geistiger Behinderung zu gründen.“ Ihr geistig behinderter Sohn Marc war damals 12 Jahre alt. Genau am 25. Juni 1972 traf sich die PTA-Gruppe erstmals. Damals bestand auch schon die Lebenshilfe, die in Singen am 20. Januar 1966 gegründet worden war. Dort trafen sich Eltern mit behinderten Kindern im privaten Rahmen. „Als wir unsere erste Freizeit machen wollten, haben wir den damaligen Vorsitzenden der Lebenshilfe, Eduard Hertrich, nach Zuschüssen gefragt“, erinnert sich Peter Nowak. Die erste Freizeit führte im Januar 1973 nach Breitnau im Schwarzwald. Viele weitere sollten folgen.

„Im Sommer 1972 kamen Mitglieder der St. Georgs-Pfadfinder von der Herz-Jesu-Pfarrei zu uns, den Eltern eines geistig behinderten ...
„Im Sommer 1972 kamen Mitglieder der St. Georgs-Pfadfinder von der Herz-Jesu-Pfarrei zu uns, den Eltern eines geistig behinderten Kindes, und erklärten sich bereit, mit uns eine Freizeitgruppe für Kinder mit geistiger Behinderung zu gründen“, erinnert sich Helga Nowak | Bild: SK

Ungefähr drei Monate nach der Gründung der PTA kam Bruni Teubner dazu. Sie hatte gerade ihre Ausbildung als Erzieherin fertig. Ihren Mann Peter Teubner brachte sie dann ein wenig später mal mit und beide sind bis heute engagiert. „Wir machen heute noch so etwa zwei Freizeiten im Jahr“, erzählt Peter Teubner. Die jahrzehntelange Arbeit mit Behinderten hat die beiden Ehepaare und auch ihre inzwischen längst erwachsenen Kinder geprägt, denn alle haben soziale Berufe gewählt. Schon in den ersten Jahren haben sich die Betreuer um Fortbildungen gekümmert, beispielsweise das Spielen mit Orff-Instrumenten oder Theater- Kurse besucht. Auch die Freitage wurden intensiv nachbereitet.

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In den Anfangsjahren wuchs die Gruppe ständig. Schon nach einem Jahr waren 30 bis 35 Besucher freitags abends da, irgendwann waren es über 50 und die Anfragen rissen nicht ab. Die ehrenamtlichen Betreuer kamen oft aus der Jugendarbeit der Kirchengemeinde und blieben auch länger dabei. „Die Gruppe wurde zu einer engen Gemeinschaft, die viel miteinander unternahm“, sagt Helga Nowak. 24 Jahre traf sich die PTA zu den Gruppenstunden in Herz-Jesu, bis 1996 der Be-Treff entstand. Die Singener SÜDKURIER-Redaktion hatte als Weihnachtsaktion 1995 zu Spenden aufgerufen, die als Anschubfinanzierung diente.

Eine neue Ära im Be-Treff

Anfangs öffnete der Be-Treff an drei Tagen die Woche. An der Konzeption waren neben Nowaks auch Karina Christen und Carmen Leible, die erste Leiterin des Be-Treffs, beteiligt. Die Lebenshilfe gründete die Freizeiteinrichtung als ambulanten Dienst mit hauptamtlich angestelltem Personal und ehrenamtlichem Vorstand arbeitete – damals auch dank einer Anschubfinanzierung durch die Aktion Mensch.

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Auch heute ist der Be-Treff auf Spenden dringend angewiesen. Bereits zum neunten Mal wurde deshalb der Sponsorenlauf veranstaltet, der in diesem Jahr im Mai mit einer Rekord-Teilnehmerzahl stattfand. 701 Läufer liefen dabei im Mai 6682 Kilometer. „Auch heute noch spüren wir eine große Unterstützung durch die Bevölkerung“, sagt Bruni Teubner, die auch im Vorstand der Lebenshilfe ist. Neu in der Lebenshilfe ist seit ein paar Monaten Simone Monné als Geschäftsführerin. Sie ist selbst Mutter einer behinderten Tochter und möchten den Kontakt zwischen Konstanz und Singen intensivieren.

Aus PTA wurde Be-Treff

  • Fakten: Die Lebenshilfe Singen-Hegau ist eine Vereinigung für Menschen mit überwiegend geistiger und mehrfacher Behinderung, für ihre Eltern und Angehörigen und für Fachleute, Freunde und Förderer. Der Verein ist Träger der Freizeiteinrichtung „BeTreff“. Außerdem hat die Lebenshilfe einen Familiendienst, bietet vertrauliche Beratung an und hat eine Stiftung. Die Lebenshilfe Singen hat rund 320 Mitglieder. Der jährliche Mitgliedsbeitrag beträgt 26 Euro, bei einer Ehegattenmitgliedschaft 40 Euro.
  • Besonderheit: Im BeTreff gibt es die Besucher mit Verantwortung (BMV), die mitreden und mitarbeiten. Als engagierte Menschen mit Behinderung organisieren auch Feste und sind am Ablauf beteiligt. Dabei werden sie von Hauptamtlichen unterstützt.
  • Der Vorstand: Vorsitzender ist Hansjörg Reichert, Stellvertretende Vorsitzende Regine Achatz, weitere Vorstände: Bruni Teubner, Birgit Francavilla und Bettina Mast. Im Beirat: Peter Nowak (Ehrenmitglied), Corinna Kraft, Alexander Siegel und Jürgen Gruber. Ehrenvorsitzende: Christa Bühl und Stephan Sauter-Servaes.
  • Kontakt: Simone Monné (Geschäftsführung), Telefon (07731)82280912,
    E-Mail: gf@lebenshilfe-singen.de
  • Die Adresse: Lebenshilfe Singen-Hegau für Menschen mit Behinderung e.V., Mühlenstraße 19, 78224 Singen, Telefon (0 77 31) 8 22 80 90,
    E-Mail: info@lebenshilfe-singen.de
  • Das Spendenkonto:
    Lebenshilfe Singen-Hegau e.V.,
    Sparkasse Hegau-Bodensee,
    IBAN: DE 33 69250035 0003502002, BIC: SOLADES1SNG

Informationen im Internet: http://www.lebenshilfe-singen.de