Dass der Tod zum Leben gehört, muss diesen drei Frauen niemand erklären. Die Seniorinnen Rita Rudolph, Anita Burzinski (beide aus Singen) und Gesine Hitschler aus Steißlingen sind ehrenamtliche Hospizbegleiterinnen. Sie stehen schwer erkrankten und sterbenden Menschen in ihren letzten Tagen und Wochen zur Seite. "Wir kommen meist am letzten Stück eines Weges als Ergänzung, wenn andere an die Grenze kommen", sagt Sonja Brüstle-Müller als Koordinatorin des Hospizvereins Singen und Hegau. Rita Rudolph ist eine der ehrenamtlichen Begleiterinnen und findet andere Worte: "Wir tun im Grunde nichts als da sein." Und das ist ganz schön viel.

Tod ist für sie kein Tabu-Thema

Gesine Hitschler und Anita Burzinski haben sich früh mit dem Tod beschäftigt. "Sterben und Tod war bei uns kein Tabuthema", sagt Hitschler und erinnert sich ebenso an die Nachkriegszeit wie später den Tod ihres Mannes. Bei Anita Burzinski war es der Tod des Patenonkels, als sie zwölf Jahre alt war: "Das war der erste tote Mensch, den ich gesehen habe." Bei Rita Rudolph trat das Sterben später ins Leben, sie hat erst ihrem Mann und später auch ihrer besten Freundin in den letzten Momenten beigestanden. "Man wird damit konfrontiert, ob man will oder nicht", sagt sie. Heute ist ihr klar: Man komme aus der Trauer wieder raus, doch das brauche Zeit und jemanden, der hilft. So jemand wollen die drei Frauen für andere sein.

Die Hospizbegleiterinnen sind sich einig, dass niemand alleine sterben sollte. Manchmal helfe es schon, wenn jemand die Hand hält. Solche Gesten würden von den Betroffenen häufig mit einem Lächeln belohnt. Teils ist das Lächeln schon schwach, teils finden die Sterbenden keine Worte mehr. Jede Betreuung sei anders. "Eine Begleitung dauert oft nur Tage, manchmal aber auch Wochen oder Monate", erklärt Rudolph. Sie erinnert sich an eine Erzieherin, die sie knapp ein halbes Jahr begleitet hat. Der Kontakt war herzlich: "Jetzt habe ich eine Freundin", habe die Frau zu ihr gesagt und sie umarmt. Und wenn die Krebskranke unter ihren Schmerzen litt, nahm Rita Rudolph ihre Hand und sagte, dass sie das zusammen aushalten.

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Die Hospizbegleiter leisten jedem Gesellschaft, egal welche Geschichte oder Religion er hat. Wenn Ärzte, Angehörige, ambulante Dienste oder ein Betroffener sich beim Hospizverein melden, führen die Koordinatorinnen Susanne Grimm oder Sonja Brüstle-Müller ein Erstgespräch. Beim Erstbesuch benennt Brüstle-Müller klar, dass sie vom Hospizverein ist: "Das setzt oft etwas in Gang", sagt sie. Beim zweiten Termin bringt die Koordinatorin den Betroffenen mit seiner Begleitung zusammen und lässt sie dann zum Kennenlernen allein. Rund 40 Ehrenamtliche engagieren sich in Singen und dem Hegau, darunter sind auch junge Menschen und Berufstätige. Wie oft ein Hospizbegleiter dann kommt, richtet sich nach dem Betroffenen – manchmal ist es täglich.

Hilfe gilt auch für Angehörige

Hospizbegleiter kümmern sich auch um Angehörige. "Trauer setzt schon viel früher ein als mit dem Tod", sagt Gesine Hitschler. Betroffene wie Angehörige machen sich Gedanken über das Sterben, spätestens wenn sich der Tod ankündigt. Und viele Angehörige wüssten nicht, wie sie damit umgehen sollen. "Ich erinnere mich an manche Gespräche nach Mitternacht", erzählt Hitschler. Wenn sie eine Betreuung übernehme, gebe sie der Familie ihre Telefonnummer und biete an, jederzeit anzurufen. "Die Probleme kommen meist nachts" und es sei ein gutes Zeichen, wenn ein Angehöriger zum Hörer greife. Über die Krankheit selbst werde übrigens kaum gesprochen, dafür teils über anderes aus dem kurzen oder langen Leben: "Wenn man sich nicht kennt, kann man viel offener reden."

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Bei aller Fürsorge für andere sollen die Hospizbegleiter selbst nicht zu kurz kommen. Selbstfürsorge sei Bestandteil des Kurses, den die drei Frauen im Jahr 2015 absolviert haben, und auch im Alltag wichtig. Anita Burzinski zählt etwa zu den Gründungsmitgliedern des Hospizvereins, brauchte nach ihrem ersten Engagement in den 90er-Jahren aber eine Pause. Doch das Thema habe sie nie los gelassen und je älter sie werde, desto intensiver setze sie sich damit auseinander – der Tod kommt näher. Selbstfürsorge bedeutet auch, dass die Begleiter sich nicht zu viel zumuten: Sie übernehmen nur eine Betreuung nach der anderen mit Pausen dazwischen. Außerdem gibt es monatlich ein Treffen, bei dem sich die Begleiter und eine Psychologin austauschen. Und bei Fragen oder Problemen helfen die Koordinatorinnen Susanne Grimm oder Sonja Brüstle-Müller. Und Brüstle-Müller betont, dass trotz des todernsten Themas auch viel gelacht werde. "Hier sind echte Gefühle möglich – viel Trauer, klar, aber auch Lachen."

"Wir gehen schon auch mal mit einem Päckchen raus"

Doch wie gehen die Hospizbegleiterinnen selbst mit dem Sterben um? "Es ist intensiv", sagen alle drei. "Wir gehen schon auch mal mit einem Päckchen raus", gibt Anita Burzinski zu. Jede hat ihren eigenen Weg gefunden, wieder in den eigenen Alltag zurückzufinden: Rudolph geht anschließend lange spazieren, Hitschler mit dem Hund in den Wald und Burzinski nutzt die Heimfahrt zum Abstand gewinnen. Als Belastung möchte Anita Burzinski die Sterbebegleitung nicht bezeichnen. "Mich lehrt die Hospizbegleitung, die Zeit zu schätzen."

Wenn ein Mensch sich vom Leben verabschiedet, sagt auch sein ehrenamtlicher Begleiter Adieu. Gesine Hitschler und Anita Burzinski nehmen an Trauerfeiern teil, wenn sie eingeladen werden, und besuchen abschließend das Grab. Jeden Herbst gebe es außerdem eine Gedenkfeier vom Hospizverein. Rita Rudolph betreut Bewohner eines Pflegeheims und wird angerufen, wenn ein Betroffener stirbt. Dann gehe sie nochmal in dessen Zimmer vorbei und nehme Abschied. Auch nach dem Tod lassen die Hospizbegleiterinnen niemanden allein.

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