Der Mann vermittelt den Eindruck, als habe er im guten Glauben gehandelt. Sein Leben lang, so sagt er im Verlauf der Verhandlung vor dem Singener Amtsgericht, habe er intensiv Sport betrieben und das Vorführgerät sowie die Erläuterungen der Verkäuferin überzeugten ihn. Also willigte er in den Kauf ein und leistete eine Anzahlung in Höhe von etwa der Hälfte der 1690 Euro teuren Vibrationsplatte. „Woher sollte ich denn wissen, was mir da passieren kann?“, rechtfertigte er knapp zwei Jahre später vor dem Amtsgericht in Singen seine Klage, mit der er den Rücktritt vom Kaufvertrag sowie ein Schmerzensgeld von 3000 Euro erwirken wollte.

Schmerzen statt Fitness

Was dem 68-Jährigen passiert ist, hielt er selbst zeitweise für Muskelkater. Doch als die Schmerzen durch die Nutzung des Gerätes immer schlimmer wurden und schließlich zu einer etwa dreimonatigen Leidensphase führten, in der er sich nur noch eingeschränkt bewegen und kaum noch Auto fahren konnte, holte er sich Rat in einem Fitnessstudio. Dort, so der Kläger, habe ihm ein Trainer für wahnsinnig erklärt. Er selbst würde die Anwendung eines solchen Vibrationsgerätes nur unter Aufsicht empfehlen – wenn überhaupt. Die Schmerzen führte der Kläger nach diesem Gespräch auf Risse kleinster Muskelfasern in den Oberschenkeln zurück, aber auch die Wirbelsäule sei in Mitleidenschaft gezogen worden.

Fataler Kampf gegen das Gerät

Ob das so stimmt, ließ sich allerdings vor Gericht nicht belegen, da der Kläger einen Arztbesuch unterließ. Sehr genau allerdings vermochte er zu schildern, wie es zu den Schmerzen kam. Am Anfang habe das Gerät ganz normal funktioniert, dann aber sei es immer lauter geworden und habe immer stärker vibriert. Es gab Rücksprachen, ein Schaden an dem Gerät konnte nicht festgestellt werden, was wiederum den Ehrgeiz des Sportlers anfachte. „Ich habe den Kampf gegen das Gerät aufgenommen“, so seine Schilderung.

„Du besiegst mich nicht“

Das Ergebnis stand für den Kläger dabei von Beginn an fest. „Du besiegst mich nicht“, prophezeite er der Maschine, wobei sich die Detailbeschreibungen seines Kampfes nicht gänzlich frei von einer komischen Note erwiesen. Die Maschine sei immer lauter geworden und habe in einem Ausmaß zu rumpeln begonnen, dass er sich an Heizungsrohren habe festhalten müssen. Eben diese Schilderungen sorgten bei Richter Johannes Daun – unabhängig von der juristischen Wertung des Falles – für Zweifel am Wert der Lebenserfahrung des 68-Jährigen. Er selbst, so der Richter, sei auch schon mal auf so einer Rüttelplatte gestanden, weshalb er es schon als eine „mutige Angelegenheit“ halte, wenn man sich im höheren Alter auf so etwas einlasse.

Bemerkenswert mutige Klage

Aber auch aus juristischem Blickwinkel sprach Johannes Daun von einer „bemerkenswert mutigen Klage„. Ein derartiger Fall sei ihm bislang jedenfalls noch vorgekommen, weil auch bei der rechtlichen Einordnung einiges verrüttelt wurde. Vor allem die Klage gegen die Vertriebsfirma laufe ins Leere, da nicht sie, sondern allenfalls der Hersteller für die Gebrauchsfolgen des Vibrationsgerätes zur Verantwortung zu ziehen seien. Der Richter wies ferner darauf hin, dass ein Käufer nicht ohne Weiteres von seiner eingegangenen Kaufverpflichtung zurücktreten könne. Einigermaßen dreist erschien ihm schließlich die Forderung eines Schmerzensgeld von 3000 Euro, zumal der Kläger kein ärztliches Attest vorlegen konnte.

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Trotzdem versuchte es der Richter mit einer gütlichen Einigung, bei der dem Kläger zumindest ein Fünftel des Kaufpreises erlassen worden wäre. Doch der 68-Jährige bestand auf einem Urteil, das er einige Wochen später auch bekam: Die Klage wurde rundweg abgewiesen, womit nach Rechnung von Johannes Daun dem Kläger auf der Grundlage eines Streitwerts von 4690 Euro (1690 Euro für den Kaufpreis plus 3000 Euro Schmerzensgeld) Kosten für die Anwalts- und Gerichtsgebühren von rund 2300 Euro entstehen dürften. Im Fall einer Rechtsschutzversicherung würde sich dieser Betrag zwar um die Kosten des Klägers reduzieren, die Kosten des Beklagten allerdings bleiben an ihm hängen. Eine Chance hat der 68-Jährige allerdings noch, indem er beim Landgericht in Berufung geht – mit dem entsprechenden Risiko von weiteren Gerichtskosten im Falle einer Niederlage.

Anspruch auf rechtliches Gehör prägt einen Großteil der Fälle vor dem Amtsgericht

  1. Über den Fall: Die Aussicht auf Erfolg war für den Kläger des beschriebenen Falls von vornherein gering. Die Zulässigkeit stand laut Richter Johannes Daun deswegen nicht in Frage, da die Klage prinzipiell begründet war. Bedeutsam sei ferner die Funktion des Amtsgerichts als „Mund und Ohr des Gesetzes“, wonach jeder Bürger einen „Anspruch auf rechtliches Gehör“ hat. Das geschilderte Beispiel steht dabei stellvertretend für die Frage nach der Verantwortung beim Verkauf von Produkten. Das vom Kläger eingeforderte Machtwort von Johannes Daun war dabei unmissverständlich: Der Käufer kommt um die Eigenverantwortung bei der Nutzung nicht herum.
  2. Aus der Statistik: Unspektakulär, aber oft kurios – so lassen sich viele Fälle vor den Amtsgerichten beschreiben. Aus der Statistik des Singener Amtsgerichts geht beispielsweise hervor, dass man sich im Jahr 2018 mit 152 Bußgeldverfahren (der Großteil zwischen 80 bis 100 Euro), 60 Zwangsversteigerungen, 1127 Familienangelegenheiten und 987 Zivilsachen zu beschäftigen hatte. Als Spiegel der gesellschaftlichen Verhältnisse beziehungsweise der demographischen Entwicklung kann man die Zahl der Betreuungsverfahren sehen. Der Bestand liegt bei 1581 Fällen, es gab im vergangenen Jahr 518 Neueingänge sowie 288 Unterbringungsverfahren. (tol)