Bahnreisende, die die Gäubahn zwischen der Bodenseeregion und Stuttgart nutzen, haben schon fast Routine: Auf der Strecke herrscht wieder Schienenersatzverkehr, diesmal über den Sommer und bis in den Herbst hinein. Ein großer Teil der Züge wird durch Busse ersetzt und die Sperrung dauert auch während des Southside-Festivals in Neuhausen ob Eck an – zu dem im vergangenen Jahr immerhin etwa 65.000 Besucher strömten.

Was auf der Strecke gemacht wird

Der Hauptgrund für die Streckensperrung sind Bauarbeiten für ein zweites Gäubahn-Gleis zwischen Horb und Neckarhausen. Dadurch will die Bahn bessere Kreuzungs- und Überholmöglichkeiten schaffen, erklärt eine Sprecherin auf Anfrage. Züge sollen danach zuverlässiger fahren. Auf der bislang eingleisigen Strecke zieht die Verspätung eines Zuges häufig weitere Verspätungen nach sich, weil Züge nicht im Gegenverkehr unterwegs sein können. Die Bahn stellt auch kürzere Fahrzeiten in Aussicht.

Zu den Bauarbeiten gehört auch, dass das bestehende elektromechanische Stellwerk in Horb durch ein elektronisches Stellwerk ersetzt wird. Das bisherige Horber Stellwerk stammt laut Informationen der Bahn von 1927. Außerdem saniert die Bahn Stützmauern zwischen Tuttlingen und Engen.

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Im Sommer kommen noch mehr Bauarbeiten dazu. Ab Anfang Juli wird laut dem Unternehmen auch die Brücke über die Würm bei Ehningen durch einen Neubau ersetzt, über den die Züge dann auch schneller fahren können. In den Sommerferien sperrt die Bahn außerdem die S-Bahn-Stammstrecke in Stuttgart. Dort wird unter anderem neue Digitaltechnik eingebaut.

Welche Züge fahren und welche ausfallen

Für all diese Bauarbeiten fallen Züge aus. Der Fernverkehr mit Intercity-Zügen liegt während der ganzen Bauzeit auf der Strecke zwischen Singen und Horb komplett brach. Und von Samstag, 1. Juli, bis Freitag, 8. September, entfallen die Intercitys auf der ganzen Strecke von Singen nach Stuttgart.

Bei den Regionalzügen sieht es besser aus, sie fahren während der Bauzeiten zwischen Singen und Rottweil. Nördlich der Baustellen geht es ab Horb im Regionalzug weiter, vom 1. Juli bis 8. September gibt es allerdings auch nördlich von Horb weitere Sperrungen, Regionalzüge fallen dann auch dort aus. Außerdem verkehren viele Linien seltener als gewohnt.

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So funktioniert der Ersatzverkehr

Die Intercity-Züge werden durch Expressbusse ersetzt, die je nach Sperrung zwischen Singen und Horb oder Singen und Böblingen verkehren, teilt die Bahn mit. Laut der Fahrplanauskunft braucht man dann von Singen nach Stuttgart Hauptbahnhof etwa drei Stunden, normal etwa zwei Stunden. Auch anstelle der Regionalzüge fahren jeweils Busse, teilweise gehört auch die Stuttgarter S-Bahn zu den Ersatzverbindungen. Welche Verbindung jeweils wie funktioniert, findet man am besten über die Fahrplanauskunft der Bahn heraus.

So wird der Intercity nach Stuttgart im Singener Bahnhof angekündigt. Am Freitag, 2. Juni, ist dieser Zug vorerst zum letzten Mal gefahren.
So wird der Intercity nach Stuttgart im Singener Bahnhof angekündigt. Am Freitag, 2. Juni, ist dieser Zug vorerst zum letzten Mal gefahren. | Bild: Freißmann, Stephan

Wie man zum Southside-Festival in Neuhausen ob Eck kommt

Das Musik-Großereignis auf dem Flugplatz von Neuhausen ob Eck fällt wie im vergangenen Jahr genau in die Zeit der Gäubahn-Sperrung. 2022 haben 65.000 Menschen das Festival besucht, viele von ihnen reisten mit öffentlichen Verkehrsmitteln an. Im vergangenen Jahr haben die Veranstalter wegen der Zugausfälle Shuttle-Busse nicht nur vom Tuttlinger Bahnhof, sondern auch von Singen und Rottweil aus eingesetzt. Das wird es in diesem Jahr nicht mehr geben. Das geht aus einer Nachricht von Jonas Rohde hervor, Kommunikationschef beim Southside-Veranstalter FKP Scorpio.

Kostenfreie Shuttle-Busse gebe es zwischen dem Bahnhof Tuttlingen und dem Festivalgelände, schreibt er auf Anfrage. Der Veranstalter bedauere zudem, dass „trotz eingehender Gespräche im Vorjahr“ keine Rücksicht auf Großveranstaltungen wie das Southside Festival genommen werden konnte. Laut der Bahnsprecherin werde es während des Festivals von Donnerstag, 15. Juni, bis Montag, 19. Juni, Verstärkerbusse geben. Diese fahren demnach von Donnerstag bis Samstag von Horb nach Tuttlingen, am Sonntag und Montag von Tuttlingen nach Horb.

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Wie es der Fahrgastverband sieht

Stefan Buhl ist Vorsitzender des Regionalverbands Bodensee-Oberschwaben im Fahrgastverband Pro Bahn. Im Großen und Ganzen laufe der Bahnverkehr in Deutschland gut, beobachtet er. Und eine Sperrung von Bahnstrecken für Bauarbeiten sei aus seiner Perspektive grundsätzlich in Ordnung. Denn nachher haben die Fahrgäste etwas davon. Bauarbeiten unter rollendem Rad zu machen, also bei laufendem Verkehr, sei in der Regel langwieriger und würde Anschlüsse gefährden, weil Züge dann in der Baustelle langsamer fahren müssen, sagt Buhl. Außerdem spielt der Arbeitsschutz eine Rolle.

Doch Buhl sagt auch: „Manche Strecken werden sehr oft gesperrt.“ Wenn man unter Vollsperrung arbeite, sollte man alles auf einmal machen und danach für eine Weile Ruhe sein. Die Bahn informiert indes darüber, dass der zweigleisige Ausbau und der Einbau eines neuen Stellwerks in Horb bereits gebündelt werden, sodass die Sperrung bereits kürzer ausfalle. Und bei der Pressestelle der Bahn in Stuttgart heißt es, dass Baumaßnahmen nicht nur bei der Bahn längere Vorlaufzeiten haben, etwa durch Baurecht oder Auftragsvergaben. Kurzfristige Anpassungen seien daher nicht möglich. Im Interesse der Fahrgäste sei es allerdings klar das Ziel, Arbeiten möglichst optimal zu bündeln.

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Buhl weist außerdem darauf hin, dass zum Ende des Jahres noch mehr Sperrungen auf der Gäubahn-Strecke bevorstehen, wenn die Bahn digitale Technik für den Knoten Stuttgart einbaue. Das schreibt auch die Bahn in ihrer Baustellenmeldung zur Gäubahn. Und Buhl warnt davor, dass nur „schockierend wenige“ Fahrgäste den Ersatzverkehr auch tatsächlich nutzen.

Ihm ist der Frust über den langsamen Fortschritt bei der Gäubahn anzumerken: „Nach vielen Jahren baut man nun fünf Kilometer Gleis.“ Für den Fahrplan würde dieses zweigleisige Teilstück zudem gar nicht viel bringen. Doch die Bahn plane bei der Infrastruktur, was Bund und Land beauftragen und finanzieren. Dabei würden viele Beteiligte mitsprechen, sodass niemand mehr richtig zuständig sei. Buhl kommt mit Blick auf den deutschen Bahnbau im Allgemeinen zu dem Schluss: „Das ist organisierte Verantwortungslosigkeit.“