Vielen Bahnfahrgästen stecken sie noch in den Knochen, die Streiks bei der Deutschen Bahn, die es kürzlich im Zuge von Arbeitskämpfen gab. Dabei mussten auch die Züge verschiedener anderer Bahngesellschaften im Depot bleiben, deren Mitarbeiter gar nicht im Streik waren. So blieben mitunter auch der Seehas zwischen Engen und Konstanz oder der Rhyhas zwischen Singen und Schaffhausen sehen. Beide werden von der deutschen Tochtergesellschaft der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) betrieben. Auch das Seehäsle zwischen Radolfzell und Stockach, das von der Südwestdeutschen Landesverkehrs-GmbH (SWEG) betrieben wird, war mitunter von den Bahnstreiks betroffen, obwohl die eigenen Lokführer gar nicht im Ausstand waren.
Was war da los? Das Zauberwort in diesem Zusammenhang heißt Infrastruktur. Denn Züge brauchen Signale und Weichen. Wenn niemand da ist, der Signale und Weichen steuert, können Züge auch dann nicht fahren, wenn grundsätzlich Zugführer verfügbar wären. Ein entscheidender Punkt für den Bahnverkehr in der Region ist der Bahnhof Singen. Dort stehen Stellwerke, von denen aus der Durchgang durch den Singener Bahnhof gesteuert wird. Stehen die Stellwerke in Singen still, ist kein Durchkommen mehr. Fragen und Antworten zum Bahnbetrieb in Singen:
Was machen die Singener Stellwerke und wie funktionieren sie?
Gesteuert wird der Bahnhof Singen von zwei Stellwerken, die miteinander verbunden sind, wie eine Bahnsprecherin erklärt. Bahnreisende, die genau hinsehen, erkennen die beiden Gebäude, die jeweils an den Einfahrten in den Bahnhof stehen. Im östlichen Bereich aus Richtung Radolfzell steht demnach das Wärterstellwerk, im westlichen Bereich aus Richtung Schaffhausen und Engen das Fahrdienstleiterstellwerk. Diese beiden Stellwerke funktionieren elektromechanisch.

Laut der Pressestelle der Bahn bedeutet das: Die Fahrwegelemente wie Weichen und Signale werden elektrisch verstellt, ihre technische Sicherung funktioniert allerdings mechanisch. Grob gesagt, wird mechanisch sichergestellt, dass die Einstellungen zueinander passen. Und das kann bei dieser Technik nicht einfach aus der Ferne gesteuert werden.
Die Mitarbeiter in den Stellwerken regeln den Verkehr im eigentlichen Bahnhof Singen und sie regeln die Ein- und Ausfahrten von Zügen auf den Strecken in Richtung Engen, Schaffhausen und Radolfzell. Außerdem regeln sie die Zufahrt zum Singener Güterbahnhof und zum Containerterminal. Die Fahrdienstleiter überwachen laut der Sprecherin zudem den Bahnübergang in der Schaffhauser Straße.
Wie viele Menschen arbeiten dort und wie viele Züge steuern sie?
Die beiden Stellwerke im Singener Bahnhof sind durchgehend besetzt, wobei tagsüber drei und nachts zwei Mitarbeiter dort sind, heißt es bei der Pressestelle der Bahn. Etwa 300 Zugfahrten stehen demnach im Fahrplan für den Bahnhof Singen. „Außerdem gibt es mehrere Rangierbewegungen“, schreibt die Pressesprecherin.
Wer bestimmt, ob ein Zug in einen Streckenabschnitt einfahren darf?
Ob ein Zug in einen Streckenabschnitt einfahren kann, sei unabhängig von der Stellwerkstechnik, schreibt die Bahn-Sprecherin: „Darüber entscheidet sowohl der Fahrdienstleiter, in dessen Bahnhof sich der Zug befindet, als auch der Nachbarfahrdienstleiter.“ An dieser Zuständigkeit ändere sich auch nichts, wenn die Stellwerke modernere Technik bekommen würden. Die angrenzenden Strecken hätten zudem eine Gleisfreimeldeanlage, die die Fahrdienstleiter entlaste.
Welche Pläne gibt es für die Digitalisierung?
In der Vergangenheit wurde die Bahn dafür kritisiert, dass in Singen noch keine digitale Technik eingebaut werde, während Züge in den neuen Stuttgarter Hauptbahnhof Stuttgart 21 nur mit dem digitalen Kontrollsystem ETCS – die Abkürzung steht für European Train Control System, übersetzt Europäisches Zugkontrollsystem – einfahren können. Die Befürchtung: Die Region wird abgehängt, denn auch in die Schweiz geht es für Züge nur mit ETCS. Die Bahnsprecherin stellt nun klar: „Auch der Bahnhof Singen ist damit ausgerüstet.“ Wobei sie ergänzt, dass die Technik voraussichtlich erst bis Ende dieses Jahres vollständig in Betrieb geht.
Zudem sei der digitale Knoten Stuttgart das erste Pilotprojekt dazu in größerem Rahmen. Dort soll ETCS Level 2 eingesetzt werden, bei dem man auf Signale verzichten kann. Das System in der Schweiz – und im Stellwerk Singen – sei hingegen ETCS Level 1, das zwar digital funktioniert, bei dem aber zusätzlich die bekannte Stellwerkstechnik genutzt wird. Schweizer Fahrzeuge können dann bis Singen uneingeschränkt fahren, so die Pressesprecherin.
Auch am Stellwerk im Konstanzer Bahnhof plant die Bahn laut den Auskünften der Pressestelle eine Modernisierung. Die bestehende Relais-Anlage soll durch Rechner wie in einem elektronischen Stellwerk ersetzt werden. Das bedeutet, dass die Fahrdienstleiter Signale, Weichen und Gleise am Computer steuern. „In bundesweit sieben Betriebszentralen (BZ) wird der Zugverkehr größerer regionaler Bereiche überwacht“, schreibt die Sprecherin weiter.