Der Teufel hat Pech gehabt. Merlin, sein Sohn, der die Menschheit zum Bösen verführen soll, will nicht so recht spuren. Als Zauberer und Seher verfügt er zwar über übermenschliche Kräfte. Doch Zukunft und Vergangenheit geraten gerne durcheinander. So gelingt es ihm zwar, die Ritter der Tafelrunde um König Artus an einen riesigen runden Tisch zu holen; der Tisch ist jedoch mehr als der Schauplatz eines Heldenepos. Hier spielen die Dramen der Weltgeschichte, wie aktuell der Ukrainekrieg.

Tankred Dorst hat Anfang der 1980er Jahre sein achtstündiges Theaterstück „Merlin oder Das wüste Land“ geschrieben. Klaus Hemmerle spielte damals im Züricher Schauspielhaus den Sir Kay. Für die „Färbe“ hat er nun als Regisseur den Rotstift angesetzt. Entstanden ist ein äußerst kurzweiliges, zweistündiges Opus mit zahlreichen Effekten. Rapp, Tanz, Gesang, szenische Lesung, Liebe und Eifersucht, alles ist dabei. „Ein bombastisches Stück der Weltliteratur zur Spielzeiteröffnung“, verspricht Chefdramaturgin Cornelia Hentschel.
Im Zentrum steht die Drehbühne, dicht umgeben vom Publikum. Hier treffen sich die Ritter, hier heiraten König Artus und Ginevra, hier tötet Mordred einen Eremiten, hier spielt die heimliche Liebe zwischen der Königin und Lancelot und hier begeben sich junge Leute auf die Suche nach dem heiligen Gral. Wo könnte man näher am Geschehen teilnehmen?

„Merlin oder Das wüste Land“ ist so vielschichtig, dass einem schwindelig werden kann. Mit unglaublicher Spielfreude und Witz gelingt es dem Färbe-Ensemble, das Publikum in den Bann zu ziehen. Hautnah erleben die Zuschauer, wie die sechs Schauspieler in rasantem Tempo ihre Rollen wechseln. Sie sehen junge Talente wie Fionn Stacey jungen Artus, Bianca Waechter als Königin und Alexandra Born als Nebenbuhlerin Elaine im perfekten Zusammenspiel mit den erfahrenen Schauspielern Elmar F. Kühling als Merlin, Ralf Beckord als Teufel und Daniel Leers alten König Artus.
Als Herr im Zuschauerraum meldet sich Stefan Wallraven. Es wird getanzt, gerappt, gesungen, szenisch gelesen, geliebt, gehasst, gekämpft, gemordet. Die Ideen sprudeln nur so. Die Anspielungen an die Probleme der Gegenwart sind vielfältig. Am Ende schreit Merlin gen Himmel: „Du musst dein Leben ändern.“ Klaus Hemmerle lässt wie Tankred Dorst viel Spielraum zum Nachdenken. Brillant!