Der Mann lebt den Zug- und Busverkehr. Früher beruflich, heute noch als Nebenjob und Hobby. Roland Schlatter war 44 Jahre lang für die Deutsche Bahn tätig. 24 Jahre auf der Schiene, 20 Jahre für die früher unter Bahn-Flagge fahrenden Unternehmen Bahn- und Südbadenbus. Sein Vater war Bahnchef in Singen. Roland Schlatter hat auch viele Sonderverkehre organisiert, wie Ausflüge von Vereinen. Der 69-Jährige gilt auch als ausgewiesener Fachmann für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Dazu gehören auch die Buslinien in und rund um Singen. Wie ist nun aber der ÖPNV in Singen ausgestellt? Diese Frage gilt es auch im Vorfeld der Singener OB-Wahl zu beantworten. Amtsinhaber Bernd Häusler und der Engener Helmut Happe treten am 11. Juli an.

Die Singener Buslinien, wie auf dem Bild eine Verbindung in die Südstadt, werden von Schülern und Erwachsenen gut genutzt.
Die Singener Buslinien, wie auf dem Bild eine Verbindung in die Südstadt, werden von Schülern und Erwachsenen gut genutzt. | Bild: Tesche, Sabine
  • Modernste Drehscheibe: „Der neue Busbahnhof wertet den Singener ÖPNV gravierend auf. Neben Freiburg ist er der modernste“, betont Schlatter. Die verschiedenen Linien sind bei einem Vor-Ort-Termin schnell erkennbar an der elektronischen Anzeige ausgewiesen, ebenso die alphabetisch ausgewiesenen Ein- und Ausstiegszonen und die Abfahrtszeiten. „Einziges Manko ist noch, dass die Abfahrtzeiten nicht mehr aufgeführt werden, wenn ein Bus Verspätung hat. Die gilt es noch zu beheben“, sagt Schlatter.
  • Etwas abgehängt: „Tagsüber gibt es innerstädtisch überwiegend einen Halb-Stunden-Takt. Das passt. Dies gilt auch für die Verbindungen in die Stadtteile Friedingen und Beuren an der Aach. Die profitieren davon, dass die vom Landkreis Konstanz in Auftrag gegebene Überland-Linie an der Strecke Singen in Richtung Stockach liegt“, schildert Schlatter. Er sieht aber die Verbindungen zwischen Singen und den Stadtteilen Schlatt und Hausen sowie in Richtung Überlingen am Ried und Bohlingen etwas abgehängt. Diese Linien bedient der Singener Stadtbus durch das Unternehmen Jörg Schmidbauer. Die Federführung obliegt den Singener Stadtwerken. „Eine bessere Taktung wäre wünschenswert und wichtig. Bisher scheitert dies aber an den Kosten“, erklärt Schlatter.
Auch in Corona-Zeiten ist der Stadtbus ein wichtiges Beförderungsmittel.
Auch in Corona-Zeiten ist der Stadtbus ein wichtiges Beförderungsmittel. | Bild: Tesche, Sabine
  • Viele Pendler nutzen Linie: Die Line Singen – Bohlingen führe über die Seehas-Haltestelle Industriegebiet. „Von dort aus nutzen viele Pendler den Stadtbus für den Weg zur Arbeit. Im Umfeld gibt es viele Firmen wie Industriebetriebe“, sagt Schlatter. Der Seehas sei das Rückgrat des ÖPNV. „Auf ihn müssen die innerstädtischen Nahverkehre abgestimmt werden“, so Schlatter.
  • Verkehre prallen zusammen: Auch in Sachen flüssiges Fahren sieht er den Busverkehr noch etwas ausgebremst. „Ein Zentralrechner müsste das Ampelsystem steuern, damit die Busse zügiger vorankommen. Es kommt derzeit nur ein Einzelrechner zum Einsatz. Der verhindert grüne Wellen. Die Busfahrer können solche nur mit Voranmeldungen über W-Lan-Internetverbindungen steuern“, sagt Schlatter. Probleme gebe es auch auf der Strecke Friedrich-Ebert-Platz in Richtung Obi-Kreisel. „Dort prallen der Individual-Verkehr und die Buslinien aufeinander. Es kommt vor allem im Stoßverkehr zu großen Rückstaus.“
  • 300 Meter als Schmerzgrenze: Wichtig ist für Schlatter, dass die Abstände zwischen den einzelnen Bushaltestellen stimmen. „300 Meter Abstand gilt als Schmerzgrenze. Die Fahrgäste müssen die Haltestellen gut sichtbar wahrnehmen können. Dann nutzen sie das Angebot auch besser“, so Schlatter. Beim Betrieb der grenzüberschreitenden Linie Singen – Stein am Rhein mischt er selbst noch nebenberuflich mit. Es ist eine der wenigen verbliebenen Verbindungen, welche das Unternehmen Südbadenbus noch fährt. Für alle anderen hatten sie sich bei der Neuvergabe im vergangenen Jahr nicht mehr beworben. „Die Linie wird gut benutzt, auch von Pendlern, wie gegenseitig aus Deutschland und der Schweiz“, so Schlatter.
  • Für Pendler katastrophal: „Für mich ist die Linie zwischen Singen und Überlingen eine Katastrophe“, sagt Sven Krause. Er arbeitet in Rottweil, derzeit aber auch coronabedingt oft im Heimbüro. „Durch den Stundentakt erreiche ich mitunter den Anschluss an den Zug nach Rottweil nicht. Manchmal muss ich bis zu einer Stunde warten.
Sven Krause nach dem Ausstieg auf dem Singener Busbahnhof. Er pendelt zwischen dem Singener Stadtteil Überlingen am Ried und Rottweil.
Sven Krause nach dem Ausstieg auf dem Singener Busbahnhof. Er pendelt zwischen dem Singener Stadtteil Überlingen am Ried und Rottweil. | Bild: Bittlingmaier, Albert
  • Auch bei der Rückfahrt gibt es mitunter solche Probleme“, berichtet Krause. Er kommt ursprünglich aus Nordrhein-Westfalen. „Dort waren wir verwöhnt von einem ganz kurz getakteten Bus- und S-Bahn-Verkehr. Mit einer Dichte von etlichen Millionen Menschen, die Stadt an Stadt wohnen, lässt sich die Region sicher nicht mit der hiesigen vergleichen. Ich würde mir aber schon eine bessere Abstimmung an Bahn-Verbindungen, wie in Richtung Stuttgart wünschen. Schließlich sind die auch tariflich als Nahverkehrszüge ausgewiesen“, sagt Krause. Noch schlimmer sei es an den Wochenenden. Auch angeforderte Ruftaxen, die außerhalb von stark frequentierten Zeiten eingesetzt werden, seien manchmal nicht gekommen.
  • Hindernisse sind weg: „Die Lage hat sich entspannt, nachdem der städtische Busverkehr im vergangenen Jahr zahlreiche Baustellen und die Umgestaltung des Busbahnhofes für Behinderungen gesorgt hatte“, erklärt Jörg Schmidbauer. Der Bus-Unternehmer stellt 13 Fahrzeuge, um die Singener Linien zu bedienen. „Unser Sorgenkind ist die Linie 4, die durch die Singener Südstadt führt. Da die Rielasinger Straße und die Georg-Fischer-Straße stark befahren sind, kommt es rund um den Friedrich-Ebert Platz zu Engpässen“, schildert Schmidbauer. Die Taktung sei vor allem in der Nordstadt gut.