Motorsport zum Anfassen – das gab es in Singen am sogenannten Alemannenring von 1990 bis 1995. Entlang der zweispurigen Georg-Fischer-Straße wurde in diesen Jahren an jeweils drei Renntagen im September die Deutsche Tourenwagen-Meisterschaft (DTM) ausgetragen. Das Singener Großereignis lockte zu Spitzenzeiten bis zu 40.000 Zuschauer an die 2,8 Kilometer lange Rennstrecke im Industriegebiet. Thomas Warndorf war vier Jahre lang der Pressesprecher des Alemannenrings und somit mitten im Geschehen. Anlässlich des 30. Jubiläums spricht er mit dem SÜDKURIER über kuriose Fakten, besondere Erlebnisse und witzige Vorkommnisse.

1992 übernahm der Stockacher das Amt von Motorsportjournalist Peter Funken, der bis dahin die Öffentlichkeitsarbeit für den ADAC Südbaden machte. Hauptberuflich war Warndorf zur damaligen Zeit Studioleiter von Radio 7 in Tuttlingen, wie er mitteilt: „Ich bekam die Erlaubnis meines Arbeitgebers unter der Voraussetzung, dass Radio 7 das offizielle Fahrerlager-Radio wird.“

Thomas Warndorf war von 1992 bis 1995 der Pressesprecher des Alemannenrings. 30 Jahre später erinnert er sich an das Singener ...
Thomas Warndorf war von 1992 bis 1995 der Pressesprecher des Alemannenrings. 30 Jahre später erinnert er sich an das Singener Motorsportereignis. | Bild: Lara Reinelt

So kam die DTM nach Singen

Doch wie kommt eine kleine Stadt im tiefsten Süden überhaupt dazu, Austragungsort eines Motorsport-Großereignisses zu werden? Alles begann mit einem Brief, wie Thomas Warndorf erzählt: „Eine Privatperson aus der Schweiz wünschte sich, dass in Singen mal wieder ein Motorsportereignis stattfindet.“ Denn in den 1980er-Jahren hätten in der Singener Südstadt offizielle Motorradrennen stattgefunden.

Der Brief sei vom damaligen Oberbürgermeister Friedhelm Möhrle an den Sportamtsleiter Alfred Klaiber weitergereicht worden. Dieser hatte Warndorf zufolge im Hinterkopf, dass der ADAC Südbaden nach einer alternativen Motorsportveranstaltung suchte, da das Bergrennen in Freiburg im Sinne des Naturschutzes nicht weiter ausgetragen werden durfte. Zeitgleich habe die Interessengemeinschaft Tourenwagen Rennen (ITR) als Dachorganisation der DTM-Veranstaltungen nach einer Rennstrecke im Süden gesucht. „So schlug Alfred Klaiber Singen beim ADAC Südbaden vor, der bot es der ITR an, die von der Idee überzeugt war“, sagt Warndorf.

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„Was viele überraschen wird, ist, dass die Stadt Singen niemals Vertragspartner von ADAC und ITR war. Die Kommune hat also in den ganzen Jahren keinen einzigen Cent für die Veranstaltung ausgegeben“, verrät der Pressesprecher des Alemannenrings. Dennoch habe Singen alles äußerst wohlwollend begleitet und beispielsweise bei der Organisation geholfen.

Nach Angaben Warndorfs gab es rund 800 freiwillige Helfer, die von ansässigen Vereinen stammten. „Sie haben bis spät in die Nacht geschraubt und gehämmert – ohne sie hätten die Rennen niemals stattfinden können“, ist sich der Pressesprecher sicher.

Der Aufbau war nur provisorisch

Das erste DTM-Rennen in Singen sollte eigentlich 1990 stattfinden. Doch daraus wurde nichts, wie Warndorf erzählt: „Bei einer Vorbesprechung im Juni wurde dem ADAC klar, dass sie es bis zum Start im September niemals schaffen, alles aufzubauen und zu organisieren.“ Der Vertrag sei aber schon unterzeichnet worden, so habe sich das Organisationsteam auf das Folgejahr konzentriert.

Mit viel Zeit wurde dann der Aufbau der Tribünen, des Fahrerlagers und der Sicherheitsvorrichtungen geplant. Außerdem wurde die genaue Rennstrecke festgelegt: „Sie war nahezu identisch mit dem Kurs der früheren Motorradrennen. Eigentlich wurde die Strecke nur um eine 180-Grad-Kehrtwende erweitert, um für mehr Spannung zu sorgen“, erklärt der Pressesprecher des Alemannenrings.

Weil es nur eine vorübergehende Rennstrecke war, die Straße also unter dem Jahr dem normalen Autoverkehr diente, musste jedes Mal alles auf- und abgebaut werden. „1991 hatte der Aufbau noch viele Macken, aber es ist dann von Jahr zu Jahr besser gelaufen“, so Warndorf.

Thomas Warndorf hat noch zahlreiche Erinnerungsstücke von seiner Zeit als Pressesprecher des Alemannenrings.
Thomas Warndorf hat noch zahlreiche Erinnerungsstücke von seiner Zeit als Pressesprecher des Alemannenrings. | Bild: Lara Reinelt

Gerade der provisorische Charakter habe den Alemannenring so einzigartig gemacht, findet Warndorf. Eine weitere Besonderheit ist für ihn die Nähe zu den Fahrern: „Im Normalfall kommt man nicht an die Prominenz ran, aber hier in Singen konnte man wirklich hinter die Kulissen blicken.“ Das Fahrerlager sei zugänglich gewesen, außerdem seien die Tribünen so nah an der Strecke gewesen, dass man die Fahrer in den Autos sehen konnte.

„Generell war der Kurs des Rennens völlig verrückt. Die Straße war nur neun Meter breit und es gab keine Ausweichstrecken“, erinnert sich Thomas Warndorf. So sei das Überholen sehr riskant gewesen. Es mussten sogar Hindernisse eingebaut werden, damit die Fahrer vor der Kurve abbremsen, wie er erzählt: „Die Leute konnten wirklich Action sehen – die Gefahr war so nah.“

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Das bleibt in Erinnerung

Wenn Thomas Warndorf an den Alemannenring zurückdenkt, kommt ihm sofort der erste Trainingslauf im September 1991 in den Sinn: „Weil Mängel an der Tribüne und einer Holzbrücke festgestellt wurden, musste das Training von 15 auf 17 Uhr verschoben werden – da begann es schon zu dämmern.“ Da keine entsprechende Beleuchtung angebracht worden sei, habe es ein eindrucksvolles Spektakel gegeben: Das Glühen der Bremsscheiben wurde sichtbar.

Außerdem erzeugte die Reibung Funkenstreifen, die bis zu zehn Meter lang waren und in der Dunkelheit zum Vorschein kamen, so Warndorf: „Sowas habe ich vorher noch nie gesehen!“

„Ich dachte, als Pressesprecher muss ich ganz vornehm gekleidet sein. Aber dann habe ich gemerkt, dass die anderen alle in Jeans und ...
„Ich dachte, als Pressesprecher muss ich ganz vornehm gekleidet sein. Aber dann habe ich gemerkt, dass die anderen alle in Jeans und Pullover herumlaufen“, so Thomas Warndorf. v.l.n.r. Mercedes-Pilot Jörg Van Ommen, Mitarbeiter ADAC Südbaden, Alemannenring-Pressesprecher Thomas Warndorf, Opel-Pilot Manuel Reuter | Bild: ADAC-MediaService

Durch seine Zeit beim Alemannenring hat Thomas Warndorf auch die ein oder andere Anekdote auf Lager: „Zum Beispiel gab es jedes Jahr einen Wettbewerb, welches Rennteam sein Zelt im Fahrerlager am saubersten hinterlässt.“ Der Gewinner habe sogar eine Urkunde erhalten. Und alle Teams, die sich vorbildlich verhielten, hätten am Ende einen Korb mit Äpfeln geschenkt bekommen.

Wie in Monaco

„Das ganze Motorsportereignis war menschlich, lustig und umgänglich“, erinnert sich der damalige Pressesprecher. Der Alemannenring habe die Stadt Singen einen riesigen Schritt vorwärtsgebracht. ZDF-Reporter Rainer Braun habe Singen sogar mit Monaco verglichen. „Als duftender Maggi-Standort hatte Singen ja nicht gerade den Flair einer mittelalterlichen Küstenstadt – die Stadt aber trotzdem mit Monaco zu vergleichen, das muss was heißen“, sagt Warndorf mit einem Augenzwinkern.

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Im Jahr 1996 habe sich der ADAC Südbaden dann allerdings entschieden, ein Flugplatzrennen in Lahr zu veranstalten und dem Alemannenring somit ein Ende gesetzt. Thomas Warndorf bedauert es noch heute: „Damit war der schöne DTM-Traum in Singen ausgeträumt.“