„Was für ein Abend.“ Diese von Glück beseelte Bemerkung war beim Eröffnungskonzert zum diesjährigen Hohentwiel-Festival immer wieder zu hören. Die beiden städtischen Blasorchester von Singen und Tuttlingen hatten sich zusammengetan, um das Publikum vor großer Kulisse der Festungsruine mit Filmmelodien von John Williams zu verwöhnen.
Beglückt waren auch die Veranstalter selber, denn das Konzert war restlos ausverkauft. Trotzdem sei man am Tag selbst alles andere als entspannt gewesen, erklärt Festleiter Roland Frank. Der Grund war ein anrollendes Gewitter, das den Himmel hinter der Bühne auf der Karlsbastion zunehmend verdunkelte. Schon einmal musste der Berg wegen eines Unwetters evakuiert werden. Doch das blieb den Veranstaltern diesmal erspart. Petrus wartete mit seinen ersten Tropfen bis zum letzten Ton der zweiten Zugabe. Doch zurück zum Anfang.
Historischer Moment vor historischer Kulisse
Von einem „historischen Moment“ war im Publikum die Rede. Von „Goldstandard“ sprach Moderator Dieter Kleibauer, der geistreich durch das Konzertprogramm führte. Was zunächst als fixe Idee der beiden Dirigenten gewertet werden könnte, hat einen tieferen, historischen Hintergrund. Im ohnehin verwirrenden geopolitischen Grenzraum gehörte der Hohentwiel früher zu Tuttlingen. Eine ehemalige württembergische Exklave in Baden, wie Oberbürgermeister Bernd Häusler in seiner Eröffnungsrede erinnerte.

Als der Hausberg der Singener 1969 dann tatsächlich der Gemarkung Singen zugeordnet wurde, war das die Geburtsstunde des Hohentwiel-Festes. Die beiden Städte sind sich freundschaftlich zugetan. Und so bedankte sich Häusler bei seinem Tuttlinger Kollegen Michael Beck für die „kostenlose Übergabe“ des Berges an die Stadt Singen. Es sei ein großer Wunsch beider Orchester gewesen, ein gemeinsames Open-Air-Konzert auf dem Hohentwiel auszurichten. Auf dem Hegau-Vulkan, dem Himmel so nah.
Picknick vor der Konzertbühne
Also ran an die Instrumente. Die Tuttlinger Musiker in grauen Westen, die Singener in hellblauen, sitzen erwartungsvoll in der Abendsonne auf der riesigen Bühne. Häusler erzählt noch, welch großer Aufwand für dieses Konzert betrieben wurde. Weil 140 Instrumentalisten auf der normalen Bühne nicht genug Platz haben, musste eine Vorbühne aufgebaut werden. Die stürmischen Tage zuvor hatten den Aufbau erschwert. Doch nichts von alldem war zu spüren. Stattdessen wartete ein gut gelauntes Publikum auf die von Dieter Kleibauer angekündigte intergalaktische Reise durch das Universum des preisgekrönten Komponisten John Williams. Stehplätze verwandelten sich mit Hilfe einer Decke schnell in Sitzplätze. Wo – außer unter freiem Himmel – ist es schon möglich, zum Orchesterklang zu picknicken? Mit der Fanfare für die olympischen Spiele 1984 in Los Angeles eröffnete David Krause das Programm. Ein mächtiger Sound, der durch Mark und Bein geht und dem Publikum gleich zu Beginn einen Eindruck davon vermittelt, was es an dem Abend zu erwarten hat. Wer aber denkt, dass nur Trompeten, Waldhörner, Tuben, Posaunen, Klarinetten, Oboen oder Querflöten zu hören sind, der bekommt schnell von der Perkussionsriege etwas auf die Ohren.
Man kann die Musiker der einzelnen Gruppen gar nicht zählen, so dicht sitzen sie auf der Bühne. Filmmusik ohne Film, das ist musikalische Action pur. Da ist es wichtig, dass David Krause die Musiker gut zusammenhält und Dieter Kleibauer ein bisschen bei der inhaltlichen Orientierung hilft. Vor allem im zweiten Teil, wenn es um die Star-Wars-Filme geht. Sehr wohltuend sind in dem Getümmel die sanften Harfenklänge, das klar gesetzte Trompetensolo von Clemens Höpfner in „Theme from JFK“ oder das Geigensolo von Hannes Wagner in „Schindlers Liste“. Auch im Orchester blitzen hübsche Soli mit Querflöte oder Oboe hervor.
Man spürt, dass viele Kenner im Publikum sitzen. Franziska Willmann aus Geisingen spielt selber Klarinette im Musikverein. „Ich würde am liebsten mitspielen“, sagt sie. Von dem vollen Klang ist sie total hingerissen. Und Adrian Riss, einer von 21 Trompetern, erzählt wie es sich im Getümmel auf der großen Bühne anfühlt. „Wir hören uns gut. Die Tontechniker haben eine Meisterleistung vollbracht“, schwärmt er. „Vor so einer Kulisse zu spielen, ist etwas ganz Besonderes.“ Damit meint er nicht nur die Festung, sondern auch das jubelnde Publikum im restlos ausverkauften Konzert.