Dass das Hospiz nicht nur im Zentrum der Stadt, sondern auch in den Herzen der Singener angekommen ist, zeigt sich schon vor Beginn der Mitgliederversammlung des Vereins. Menschen strömen in den Gemeindesaal von Liebfrauen. Ein beinahe schon ungewohntes Bild in Zeiten von Corona. Martina Fahr-Rackow, Assistentin des Vorstandes, schleppt Stühle. Es geht um viel an diesem Abend.
Der Hospizverein Singen und Hegau will sich neu sortieren und die Bereiche des ambulanten Hospizdienstes mit der Trauerarbeit zum Jahresende an die Horizont gGmbH übergeben. Der Hospizverein selbst will als Förderverein für die ambulante und stationäre Hospizarbeit weitermachen. Entsprechend der Tragweite dieser Entscheidung hatten die beiden Vorsitzenden Irmgard Schellhammer und Martin Werner die Mitglieder um zahlreiches Erscheinen gebeten.
Veränderung bis zum Jahresende
Bereits im vergangenen Jahr hatte der Vorstand einen entsprechenden Vorstoß unternommen und in der damaligen Mitgliederversammlung auch breite Zustimmung erhalten. Ein Schönheitsfehler verhinderte zu dem Zeitpunkt jedoch, dass aus dem positiven Meinungsbild auch ein rechtskräftiger Beschluss werden konnte. Der Vorschlag hatte keinen Eingang in die Tagesordnung der Hauptversammlung im September 2020 gefunden.
Doch diesmal konnte der Verein Nägel mit Köpfen machen: Bei nur drei Enthaltungen stimmte die Versammlung für die Übergabe des operativen Geschäftes im Bereich ambulante Hospizarbeit an die Horizont gGmbH. Der Schritt soll zum Jahresende 2021 vollzogen werden. Was bisher ehrenamtlich geleistet wurde, wird nun in professionelle Hände gelegt.
Frage nach Nachfolge im Vorstand gelöst
„Unser Ziel ist, die Bereiche zusammen zu führen, die zusammen gehören: die ambulante und die stationäre Hospizarbeit“, erklärte Irmgard Schellhammer die Umstrukturierung des Vereins. „Das heißt, nachdem das lang ersehnte Ziel ‚stationäres Hospiz in Singen‘ erreicht ist und die Horizont gGmbH darüber hinaus auch die Trägerschaft für das Palliative Care Team ‚Palliativ daheim‘ übernommen hat, ist es stimmig, jetzt auch die Arbeit des ambulanten Hospizdienstes diesem Träger zu übergeben.“
Man konnte Irmgard Schellhammer die Erleichterung über diesen Beschluss nicht nur ansehen; die erste Vorsitzende ist froh, dass damit auch die quälende Frage nach der Nachfolge im Vorstand gelöst ist. „Wir müssen jetzt keine Geschäftsführung oder Nachfolge für mich finden. Der Verein kann das Hospiz und den Palliativdienst als Förderverein unterstützen.“
„Toll, dass Ihr uns das zutraut“
Horizont-Geschäftsführer Wolfgang Heintschel freut sich über die Umstrukturierung des Vereins. „Ich war erstaunt, als dieser Vorschlag kam“, sagte er in der Versammlung. „Toll, dass Ihr uns das zutraut.“ Wie ernst es der Hospizverein mit der Förderung meint, unterstrich Irmgard Schellhammer durch ihre Zusage, den Übergang von Hospizdienst und Trauerarbeit an die Horizont gGmbH mit 100.000 Euro zu unterstützen. Damit sollen Gehälter bezahlt werden, die die Horizont gGmbH als Träger ein Jahr lang vorfinanzieren müsste. Ohne das Geld vom Verein wäre der Übergang aber nicht zu stemmen.
Möglich ist diese große Geste dank des guten Kassenstandes. Auch das ist ein Zeichen für das hohe Ansehen des Vereins, der sich um die letzten Dinge des Lebens und ein würdiges Ende kümmert. 262.163 Euro Einnahmen vermeldete die neue Kassiererin Anne Grundmüller. Darunter Spenden in Höhe von 106.000 Euro. Die Ausgaben betrugen 2020 142.233 Euro, wovon 72.252 Euro Personalkosten anfielen.
Dank für Engagement des Vereins
Der Aufsichtsratsvorsitzende und Singener OB Bernd Häusler, bedankte sich nicht nur im Namen der Stadt, sondern auch für die Region für das jahrzehntelange Engagement des Vereins. Er bezeichnete die Entscheidung der Mitglieder, die ambulante Hospizarbeit an Horizont zu übergeben, als historischen Moment.
„Es ist uns gelungen, das Hospiz mitten in der Stadt anzusiedeln“, sagte Häusler. „Das bedeutet, dass die Menschen in ihrer letzten Lebensphase nicht abgeschoben werden, sondern bis zum Schluss am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können.“ Jetzt gehe es noch darum, auch Gäste aus Konstanzer zu gewinnen.
Rückblick und Ausblick
Zu einer Mitgliederversammlung gehören auch Rückblick und Ausblick. Beides war stark von den Corona-bedingten Einschränkungen geprägt. Vorträge, Fortbildungen, ein Tag der offenen Tür: Alles musste 2020 verschoben und im laufenden Jahr erneut vertagt werden.
Als besonders belastend bezeichneten die beiden Koordinatorinnen Susanne Grimm und Sonja Brüstle-Müller, dass die Trauergruppe und Gedenkfeiern nicht stattfinden konnten, dass die Veranstaltungen für ehrenamtliche Begleiter sowie die Supervisionen ausfielen und auch der „Letzte-Hilfe-Kurs“ zum Thema Sterbebegleitung vertagt werden musste. Seit zehn Jahren koordinieren die beiden Frauen die Einsätze im Hospizdienst. 2020 war für sie eine besondere Herausforderung.
Eindrucksvoll schilderte auch die stellvertretende Leiterin der „Spezialisierten ambulanten Palliativversorgung“ (SAPV), Eveline Fendrich, die Arbeit dieses Dienstes. Er sorgt dafür, dass unheilbar kranke Menschen in ihrer letzten Phase Unterstützung für ein selbstbestimmtes und qualitätvolles Leben erhält. Der SAPV berät und koordiniert Hilfen.