Es ist die Horrormeldung für jeden kommunalen Kämmerer: Während Einnahmen sinken und Ausgaben steigen, kommt auch noch die Nachricht, dass eine große Summe an Gewerbesteuer zurückerstattet werden muss – und dass in den nächsten Jahren noch dazu mehrere Millionen Euro an Gewerbesteuer, auf die man sich eingestellt hatte, gar nicht erst eingehen. Vor dieser Situation stand die Singener Kämmerei Anfang des Jahres. Auf 43,6 Millionen Euro beziffert die Stadtverwaltung den Betrag, der an Gewerbesteuer erstattet werden muss oder gar nicht eingeht – für die Jahre 2022 bis 2027. Allein in diesem Jahr müssen davon 22,26 Millionen Euro zurückgezahlt werden.
Nun zeichnet sich ab, wie Stadtverwaltung und Gemeinderat das Gewerbesteuerloch bewältigen wollen. Der Verwaltungs- und Finanzausschuss (VFA) des Gemeinderats hat in seiner zweiten Vorberatung des städtischen Haushalts eindeutige Empfehlungen ausgesprochen. Auf der Liste der Streichungen steht die geplante neue Tourist-Info, die in zwei Stockwerken des früheren Sporthauses Schweizer hätte entstehen sollen, ganz oben. Das Projekt wird komplett gestrichen, „gemäß Empfehlung des VFA“, wie es in der Sitzungsvorlage heißt. Dieser Vermerk dürfte sich auf die nicht-öffentliche Haushaltsvorberatung im Ausschuss im Januar beziehen.
Mehr als 1 Million Euro spart das in diesem Jahr ein, weitere laufende Kosten wie Miete müssen auch in den nächsten Jahren nicht bezahlt werden. 247.000 Euro Zuschüsse für eine neue Tourist-Info fallen auf der Einnahmenseite dann allerdings ebenfalls weg.
Bei den Personalkosten sollen von 2024 bis 2027 knapp 1,6 Millionen Euro gespart werden. Zwei Feuerwehrfahrzeuge sollen erst später gekauft werden, was 2025 und 2026 2,5 Millionen Euro einspart, und auch beim Kauf von Grundstücken sollen 2025 und 2026 etwa 1,4 Millionen Euro gespart werden. Weitere große Posten auf der Sparliste sind die Erweiterung der Ganztagsschule an der Bruderhofschule, die aufgeschoben werden soll (1,5 Millionen Euro), der Neubau einer Kita an der Knöpfleswies (2,1 Millionen Euro) und der Kauf von Ökopunkten als Ausgleich für das Baugebiet Tiefenreute/Bühl (1,4 Millionen Euro).
Die letzten beiden Maßnahmen sollen in den nächsten Jahren erneut geprüft und wieder aufgenommen werden, wenn es die Finanzlage erlaubt. Zu diesen Einsparungen zählt auch die ökologische Aufwertung der Knöpfleswies in der Nordstadt. 2,1 Millionen Euro, die für 2024 und 2025 im Haushalt stehen sollten, fliegen raus. Die Pächter sollen die Flächen bis Oktober 2025 weiter bewirtschaften dürfen, die Kündigungen von Pachtverträgen bleiben aber bestehen, heißt es in der Vorlage weiter.
Stadt investiert trotz Sparprogramm
Außerdem darf die Stadt in diesem und dem kommenden Jahr insgesamt 2 Millionen Euro mehr an Krediten aufnehmen. Außerdem sei man alle Etatposten durchgegangen und habe überprüft, ob diese in derselben Höhe weiter gebraucht werden, erklärt Heike Bender, die mit Barbara Lo Conte die Kämmerei leitet, auf Anfrage. Auf diesem Weg sind laut dem Konsolidierungspapier noch einmal fast 13 Millionen Euro zusammengekommen, die nicht im Haushaltsplan stehen und für die die Stadt daher auch kein Geld vorhalten muss.
Ab 2026 kommen der Stadt dann wieder die Regeln des kommunalen Finanzausgleichs zu Hilfe, und man erwartet dann Einnahmen aus diesem Mechanismus von fast 2 Millionen Euro, wie Bender erklärt. Für die vier Jahre von 2024 bis 2027 ergibt sich beim Finanzausgleich eine Verbesserung von 28 Millionen Euro.
Doch neben all den Einsparungen und Streichungen investiert die Stadt trotzdem weiter, und zwar etwa 18 Millionen Euro. „Das zeigt, dass die Stadt Finanzkraft hat“, betonte Oberbürgermeister Bernd Häusler vor den Ausschussmitgliedern. An der Scheffelhalle und der Hohenkrähenstraße wird weitergebaut, die Kita an der Radolfzeller Straße soll angegangen werden und der barrierefreie Umbau der Bushaltestellen soll weitergehen, zählte Bender in der Sitzung auf. Und auch das Geld für den Kauf von Grundstücken für eine geplante neue Klinik sei im Haushalt vorhanden, so Häusler.
Einstimmige Empfehlung aus dem Ausschuss
Die Ausschussmitglieder stimmten diesen Plänen einstimmig zu und empfahlen den vorgesehenen Haushaltsplan damit für den gesamten Gemeinderat, der am Dienstag, 19. März, darüber abstimmen soll. Sitzungsbeginn ist um 16 Uhr im Ratssaal. Gesichter und Wortmeldungen der Gemeinderäte waren aber eher besorgt als erleichtert.
Er hoffe, dass die Lage 2026 wieder besser wird, sagte etwa CDU-Fraktionschef Franz Hirschle, der die Zustimmung seiner Fraktion in Aussicht stellte. Ähnlich äußerte sich Walafried Schrott für die SPD: „Wir haben vieles nicht im Haushalt, was uns lieb und teuer ist.“ Doch er sei zuversichtlich, dass man 2026 wieder Dinge beschließen könne.
Eberhard Röhm (Grüne) sagte, die Steuerrückerstattungen würden die Stadt um Jahre zurückwerfen. Er mahnte an, in den nächsten Jahren wieder über die Prioritäten zu diskutieren. Hubertus Both (Freie Wähler) warf einen Blick auf die Kreisumlage. Diese werde für dieses Jahr mit einem Hebesatz von 34 Prozent angesetzt, sagte Kämmerin Heike Bender, in den folgenden Jahren mit 35 Prozent. Meistens sei es weniger Kreisumlage als ursprünglich geplant, ergänzte Häusler, der auch dem Konstanzer Kreistag angehört.
Kirsten Brößke (FDP) dankte der Verwaltung für die Suche nach Finanzreserven. Als Gemeinderätin habe sie schon einiges mitgemacht, aber so etwas noch nie: „Es ist wirklich bitter.“ Und Markus Weber (Neue Linie) sagte, er sei froh, dass ein genehmigungsfähiger Haushalt zustande gekommen sei.