„Wie wollen wir leben?“ hieß das Thema des Philosophischen Gesprächs im Archäologischen Hegau-Museum in Singen. Zahlreiche Gäste waren der Einladung gefolgt und zeigten sich dann überrascht, dass neben den Stühlen und den Mikrofonen auch Gitarren und Verstärker aufgebaut waren, sodass das Podium eher an einen Konzertabend denken ließ als an eine Gesprächsrunde.
Tatsächlich griff Beat Claude Sauter zu Beginn, in der Pause und nach Ende der Zuschauer-Fragerunde gekonnt in die Saiten und spielte Bluesimprovisationen. Sein Philosophenkollege Carlo Schultheiss begleitete ihn kongenial auf der Blues-Mundharmonika, und nicht zuletzt der Gastgeber, Wolfgang Trautwein (der schließlich auch Vorsitzender des Singener Museumsvereins ist), vervollständigte das musikalische Trio als zweiter Gitarrist.
Grundlage der Diskussion war ein Buch des Schweizer Philosophen Peter Bieri
Für Museumsleiter Ralph Stephan war das Format ein voller Erfolg: „Die Veranstaltung war sehr gut besucht“, lautet seine Bilanz. Geplant sei daher, dieses neue Format mit einer weiteren Veranstaltung fortzusetzen.
Doch zunächst wurde in erster Linie philosophiert, und hier kam auch Volkbert Mike Roth ins Spiel, der wie Carlo Schultheiss an der Uni Konstanz Philosophie lehrt. Roth, Sauter und Schultheiss sind unter anderem auch im Netzwerk philopraxis.ch aktiv. Die drei Philosophen diskutierten über das Thema „Wie wollen wir leben?“ auf der Grundlage des Buches des Schweizer Philosophen Peter Bieri. Bei der Nachfrage ans Publikum mussten die Diskutanten zwar feststellen, dass kaum jemand das 120 Seiten starke Werk kennt – was allerdings keine Rolle spielte, denn die wesentlichen Inhalte erläuterte Beat Claude Sauter, von seinen Kollegen unterstützt.
Algorithmen, die genutzt werden, um Klick-, Such- oder Kaufverhalten von Nutzern zu analysieren, können als Angriff auf die Würde des Menschen aufgefasst werden
In dem Buch werden essenzielle philosophische Themen behandelt – und folgerichtig kam auch die Frage der Fragen aus dem Publikum, nämlich die nach dem Sinn des Lebens. Carlo Schultheiss antwortete darauf frei nach Jean-Paul Sartre, dass man sich diesen Lebenssinn selber geben müsse, denn schließlich sei der Mensch wenn er erst einmal in die Welt geworfen sei, als Individuum für alles verantwortlich, was er tue. Selbstbestimmtes Leben setze die kritische Sicht der Menschen auf sich selbst voraus, doch diese Selbstreflexion sei zum Beispiel bei einem Narzissten wenig bis gar nicht ausgeprägt, wie Roth erläuterte.
Großes Thema in der Zuschauerfragerunde waren die modernen Medien und deren Einfluss auf den Menschen. Neben vielem Positiven gebe es auch negative Seiten. Als Beispiel nannte Beat Claude Sauter die Algorithmen, die genutzt würden, um Klick-, Such- oder Kaufverhalten von Nutzenden zu analysieren. Es sei zwar positiv, dem Internetnutzer auf ihn zugeschnittene Inhalte präsentieren zu können, das fördere aber auf der anderen Seite den gläsernen, durchschaubaren und damit manipulierbaren Menschen, der dann in seiner eigenen Blase gefangen und von anderen Sichtweisen abgeschnitten sei.
Dieses taktische Auswerten von Gefühlen und Neigungen sei ein Angriff auf die Würde des Menschen, so die Philosophenrunde. Ziel des Einzelnen könne es nur sein, ein möglichst täuschungsfreies Leben anzustreben.