Der Haushaltskrimi in Singen hat vorerst ein Ende. Der Gemeinderat der Stadt hat in seiner jüngsten Sitzung dem überarbeiteten Haushaltsplan für 2024 einstimmig zugestimmt – zu einem sehr späten Zeitpunkt, wie Gemeinderat Markus Weber (Neue Linie) in der Sitzung herausstellte. Das lange Ringen um den Haushalt für dieses Jahr und die Finanzplanung für die nächsten Jahre war notwendig geworden, weil die Stadt große Beträge an Gewerbesteuer zurückerstatten musste oder gar nicht erst einnehmen wird.

22,26 Millionen Euro müssen daher allein dieses Jahr für die Jahre 2022 bis 2024 zurückerstattet werden, wie die Verwaltung schon mehrfach deutlich machte und wie Heike Bender nun auch im Gemeinderat erklärte. Sie leitet mit Barbara Lo Conte die Kämmerei. In den Jahren 2025 bis 2027 fallen jeweils 7,1 Millionen Euro an Gewerbesteuervorauszahlungen weg. Solche Schwankungen habe er in mehr als 20 Jahren Haushaltsplanung noch nicht erlebt, sagte Oberbürgermeister Bernd Häusler in der Sitzung.

Und Bender skizzierte noch weitere Risiken wie die Steuerschätzung im Mai oder den Zensus, der im Sommer veröffentlicht werde. Sollte Singen beim Letzteren eine geringere Einwohnerzahl haben als erwartet, würden manche Zuweisungen schrumpfen.

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Im überarbeiteten Vorbericht zum städtischen Haushalt 2024 steht auch, warum man mit deutlich höheren Gewerbesteuereinnahmen gerechnet hat. Ein Großbetrieb habe eine größere Vorauszahlungsanpassung angekündigt, sodass 2022 mit hohen Einnahmen gerechnet worden sei. Am Ende sei die sehr hohe Summe von mehr als 82 Millionen Euro geflossen. Da es bei der Erhöhung um die regelmäßigen Vorauszahlungen und nicht um einmalige Nachzahlungen gegangen sei, sei eine Verstetigung auf dem höheren Niveau prognostiziert worden.

„Es fällt uns sehr schwer, die Gewerbesteuer zu erhöhen. Aber wenn die Zahlen besser sind, kann man sie möglicherweise wieder ...
„Es fällt uns sehr schwer, die Gewerbesteuer zu erhöhen. Aber wenn die Zahlen besser sind, kann man sie möglicherweise wieder senken.“ Franz Hirschle, CDU | Bild: SK

Außerdem fallen durch die hohen Einnahmen 2022 in diesem Jahr Einnahmen aus dem landesweiten Finanzausgleich der Gemeinden deutlich geringer aus. Das Land habe dazu im ersten Quartal bereits eine Sicherheitsleistung einbehalten, erklärte Bender. In dieses Umfeld platzte im Januar die Nachricht, dass noch deutlich weniger Gewerbesteuer fließen werde.

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SÜDKURIER-Recherchen haben ergeben, dass Änderungen beim Pharmaunternehmen Takeda zum großen Teil im Hintergrund stehen dürften. Nun ist es Stadtverwaltung und Gemeinderat gelungen, einen Haushaltsplan aufzustellen, der bei der Aufsichtsbehörde, dem Regierungspräsidium Freiburg, genehmigungsfähig sei. Das Ziel sei gewesen, die städtischen Einrichtungen für die Bürger offenzuhalten, erklärte Häusler in der Sitzung. Und: „Das ist gelungen.“

„Außergewöhnliche Situationen erfordern außergewöhnliche Maßnahmen.“ Walafried Schrott, SPD, zur Erhöhung der Gewerbesteuer
„Außergewöhnliche Situationen erfordern außergewöhnliche Maßnahmen.“ Walafried Schrott, SPD, zur Erhöhung der Gewerbesteuer | Bild: SK

Eine Reihe von Projekten wird verschoben

Unter anderem senkt eine ganze Reihe von Verschiebungen die Ausgaben für die Jahre 2024 und 2025 so, dass der Haushalt finanzierbar bleibt. So spart es allein in diesem Jahr 1 Million Euro ein, dass die geplante Tourist-Information im früheren Sporthaus Schweizer nicht kommt – wobei auf der Einnahmenseite auch 247.000 Euro Zuschüsse wegfallen.

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Aufgeschoben werden laut Plan unter anderem auch die ökologische Neugestaltung der Knöpfleswies (2,1 Millionen Euro), die Erweiterung der Ganztagsschule an der Bruderhofschule (1,5 Millionen Euro) und der Neubau einer Kita an der Knöpfleswies (2,1 Millionen Euro). Geld soll auch durch neue Schulden in die Kasse kommen, erklärte Heike Bender. Für 2024 und 2025 plane man zusammen mehr als 20 Millionen Euro neuer Kredite.

„Jetzt fehlen 43 Millionen Euro. Um das für kommende Generationen verträglich zu machen, stimmen wir der Erhöhung der ...
„Jetzt fehlen 43 Millionen Euro. Um das für kommende Generationen verträglich zu machen, stimmen wir der Erhöhung der Gewerbesteuer zu.“ Eberhard Röhm, Grüne | Bild: SK

OB Häusler trat allerdings mit deutlichen Worten dem Eindruck entgegen, es werde etwas gestrichen: „Das ist blanker Unsinn.“ Die Verwaltung habe nur manches verschoben, was schön wäre, aber: „Davon geht die Welt nicht unter.“ Auch bei der Tourist-Info sagte er, dass sich möglicherweise später an anderer Stelle die Gelegenheit dafür ergebe. Aber es wäre der Bevölkerung nicht zu vermitteln, eine Tourist-Info zu bauen, wenn man dafür möglicherweise die Musikschule schließen müsste – was auch nicht passiert.

Und Häusler kritisierte das Land Baden-Württemberg. Dort würden regelmäßig Dinge beschlossen, die die Gemeinden leisten müssen, ohne mit Geld ausgestattet zu werden: „Das ärgert mich.“

„Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein wichtiger Punkt für Fachkräfte. Dies muss finanziert werden.“ Ramona ...
„Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein wichtiger Punkt für Fachkräfte. Dies muss finanziert werden.“ Ramona Halmer, Freie Wähler, begründet die Zustimmung ihrer Fraktion zur höheren Gewerbesteuer | Bild: SK

Trotz der schwierigen Lage investiere die Stadt etwa 18 Millionen Euro, so der Verwaltungschef – mehr als in manch einem anderen Jahr. Scheffelhalle, Hohenkrähenstraße und Alpenstraße würden weitergebaut und der Bau der neuen Kita in der Radolfzeller Straße werde begonnen, ebenso die Bauarbeiten im Masurenquartier, wo unter anderem ein Nahwärmenetz entstehen soll. Mit anderen Einrichtungen zusammen werde die Stadt 140 neue Kita-Plätze schaffen, so Häusler.

„2022 hätten wir einer Gewerbesteuererhöhung niemals zugestimmt. Aber jetzt ist die Lage anders.“ Markus Weber, Neue Linie
„2022 hätten wir einer Gewerbesteuererhöhung niemals zugestimmt. Aber jetzt ist die Lage anders.“ Markus Weber, Neue Linie | Bild: SK

Höhere Gewerbesteuer gehört auch ins Gesamtpaket

Zum Gesamtbild gehört aber auch, dass zum 1. Januar 2025 die Gewerbesteuer in Singen steigen wird. Dadurch sollen jährlich etwa 3,7 Millionen Euro in die städtische Kasse kommen. Zuletzt war der Hebesatz zum 1. Januar 1996 von 350 auf 360 Punkte angehoben worden, wie es in der Sitzungsvorlage heißt. Nun soll es auf 390 Punkte hochgehen, womit man immer noch im Mittelfeld ähnlicher Städte in der Region sei.

„Es gibt schon viele Belastungen für Unternehmer. Da wollen wir nicht noch mehr draufpacken.“ Kirsten Brößke, FDP, begründet ...
„Es gibt schon viele Belastungen für Unternehmer. Da wollen wir nicht noch mehr draufpacken.“ Kirsten Brößke, FDP, begründet die Ablehnung ihrer Fraktion zur höheren Gewerbesteuer | Bild: Thomas Wöhrstein

Zu der Anhebung hatte sich der Verwaltungs- und Finanzausschuss nach einer intensiven Diskussion durchgerungen und im Großen und Ganzen waren nun weder Gemeinderat noch OB damit zufrieden. Häusler: „Das ärgert mich sakrisch.“ Doch am Ende äußerten sich die meisten Fraktionssprecher so, dass man die Erhöhung zähneknirschend für notwendig halte.

Birgit Kloos (SÖS) wies allerdings darauf hin, dass Personengesellschaften eine Gewerbesteuer bis 400 Punkte Hebesatz auf die Einkommenssteuer anrechnen können. Das bedeutet: Einzelunternehmer oder Personengesellschaften können mit der Gewerbesteuer bis zu einem bestimmten Punkt ihre Einkommensteuer senken – im Gegensatz zu Kapitalgesellschaften wie AGs. Laut Kloos gelte nach der Erhöhung des Hebesatzes in Singen also: „Vor allem Großbetriebe zahlen mehr.“

„Die SÖS hat schon mehrfach den Antrag gestellt, die Gewerbesteuer zu erhöhen.“ Birgit Kloos, SÖS
„Die SÖS hat schon mehrfach den Antrag gestellt, die Gewerbesteuer zu erhöhen.“ Birgit Kloos, SÖS | Bild: SK

Und Kirsten Brößke (FDP) formulierte die Ablehnung ihrer Fraktion. Es gebe schon viele Belastungen für Unternehmer, da wolle man nicht noch mehr draufpacken. Die drei FDP-Räte Brößke, Johannes Danassis und Christine Gaiser stimmten mit Klaus Niederberger (CDU) gegen die Gewerbesteuererhöhung. 2027 soll laut OB Häusler überprüft werden, ob man die Gewerbesteuer wieder senken könne.