Gegen 11 Uhr ging es los: Die Sirenen heulten los, Handys vibrierten und schrillten in sämtlichen Taschen. Straßenschilder reflektieren im Blaulicht, als Feuerwehrmann Stefan Schüttler durch die Singener Innenstadt fährt. Er ist verantwortlich für Bevölkerungsschutz und Krisenmanagement in Singen. „Dies ist ein Probealarm im Rahmen des heutigen bundesweiten Warntages. Es besteht keine Gefahr“, sagte eine Stimme auf dem Dach des Fahrzeugs. Es ist eine mobile Sirene, die auch Sprach-Signale verwendet. Sie dröhnt nicht nur, sie spricht auch. Trotz der besänftigenden Worte sorgt das für Aufsehen – und zeigt Probleme an ganz anderer Stelle auf

Fuhr die sprechende Sirene an den Passanten vorbei, sahen diese auf, schauten dem Auto hinterher. Viele hielten sich die Ohren zu.

Mit Sirene auf dem Auto durch die Singener Innenstadt Video: Rasmus Peters

Erster Einsatz für mobile Sirenen

Für die mobile Sirene sei heute Premiere, sagt Schüttler. Mit den auf dem Fahrzeugdach angebrachten Lautsprechern könne man gezielt Randbereiche anfahren und bei Feuerwehreinsätzen oder Hochwasser entsprechende Sprachansagen an die Bevölkerung richten, so Schüttler. Schon deshalb ist er im Vergleich zum Warntag 2020 zuversichtlich, dieses Mal klappe es „bedeutend besser“.

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Beginn der Tour war auf dem Hohentwiel, um zu testen, wie gut das Signal in der Stadt von der erhöhten Position aus zu hören ist. Die Route führte vom Singener Hausberg über die Innenstadt und die Bahnhofsstraße, in die Nordstadt und ins Bruderhof-Gebiet. Wohin das Fahrzeug fuhr, wiederholte sich das Bild der aufschauenden Blicke und der zugehaltenen Ohren. Schüttler fällt auf, dass niemand schimpft. Ein Bauarbeiter zeigt sogar den Daumen hoch.

Fahrt durch die Innenstadt mit Alarmsignal Video: Rasmus Peters

Das Signal erreiche grob einen Radius von etwa 500 Metern, schätzt Schüttler. Dadurch, dass auch ein Lautsprecher nach oben gerichtet ist, erreiche man auch höhere Etagen und sei in Wohnbaugebieten besser zu hören. Passantin Brigitte Seiler aus der Nordstadt hat das Signal dennoch nicht gehört, erzählt sie. Die Warnung am Handy habe sie allerdings bekommen.

„Katastrophale Netzabdeckung“

Albert Borgardt, Schüler der Robert-Gerwig-Schule, sagte, der Alarm erreichte die Schüler während einer Klassenarbeit. Eine Warnung habe er erst später als seine Mitschüler erhalten und vermutet die Ursache bei seinem Netzbetreiber, denn der sei eine Katastrophe in der Singener Nordstadt. Die mobilen Sprach-Sirenen, seien allein schon deshalb eine gute Idee, weil man damit auch die Vodafone-Kunden in der Nordstadt erreiche, so der Schüler.

Stefan Eret, Lehrer an der benachbarten Hohentwiel-Gewerbeschule, berichtete hingegen aus seinem Klassenzimmer von plötzlich lossirrenden Mobiltelefonen.

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Deutlich wohlwollender kommt die Stimme der Sirene an. Feuerwehrkommandant Mario Dutzi berichtete vom Anruf einer älteren Dame aus der Südstadt, die sich erst beschweren wollte, dass sie nichts höre. Nach wenigen Minuten rief sie zurück, sie höre nun das Signal, nehme alles zurück und möge die „warme Stimme“ der Sirene. Außerdem schilderte sie gegenüber Dutzi ein gutes Gefühl, weil man sich kümmert.

Mario Dutzi (links) und Stefan Schüttler nach ihrem Einsatz am Warntag 2022.
Mario Dutzi (links) und Stefan Schüttler nach ihrem Einsatz am Warntag 2022. | Bild: Rasmus Peters

„Der Staat kümmert sich“

Das Stadtgebiet Singen soll bis Dezember 2023 mit Sprach-Sirenen ausgestattet werden, und die Ortsteile dann ein Jahr später, so Stefan Schüttler. Von deren Einsatz ist er überzeugt: Innerhalb circa einer Stunde könne man mit den beiden mobilen Sirenen das gesamte Stadtgebiet abdecken.

Sein Kollege Dominic Flohr bestätigte die Aussage. Er war mit Dutzi in der Südstadt und in Überlingen am Ried im Einsatz. Schüttler zieht das Fazit: „Ich hätte mit mehr Ärger gerechnet“. Die Ereignisse in der Ukraine und im Ahr-Tal sensibilisierten die Menschen für Alarmsituationen, so der Feuerwehrmann: „Die Leute merken, es passiert etwas, der Staat kümmert sich um sie. Jeder weiß, worum es geht, das hätte ich so nicht gedacht.“