Herr Müller, gerade ist Ihre Ausstellung „Dig It“ in Köln gestartet. Worum geht es dabei?
„Dig It“ ist ein Stück aus dem Beatles Album „Let It Be“, der so viel bedeutet wie „Tu es“ oder „Mach es“. Das fand ich spannend. Ich fand den Titel gut. Er hat nicht direkt etwas mit der Kunst zu tun, sondern es geht um das Machen. Ich verwende gerne Film- oder Lied-Titel. Diese übertrage ich dann auf meine Werke. In der Ausstellung zeige ich Arbeiten von mir, die ich nochmal weiterentwickelt habe. Beispielsweise den Spiegelcut, aber auch einige andere Cuts und gefundene Bilder, die ich bearbeitet und auf farbigen Untergrund gehängt habe. Es ist eine Weiterführung meiner Ausstellung in der Kartause Ittingen beziehungsweise Interaktionen zwischen Fotografien und Farbe im Raum.
Was bedeutet diese Ausstellung für Sie persönlich?
Ausstellungen mache ich, damit ich über das, was ich mache, kommuniziere. Das ist die konventionelle Lösung dafür, die andere Lösung ist meine Halle, die auch für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Kommunikation ist ein zentrales Element bei mir. Die Liebe zum Wort, zur Literatur. Sprache ist ja wie Bilder, ein Teil von Kommunikation. So können Erfahrungen ausgetauscht werden. Das hat mir auch in der Schule gefallen.
Köln ist nun doch ein Stück entfernt. Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Galerist Mirko Meyer?
Es war ein recht kurzfristiger Entschluss. Das steht erst seit einem halben Jahr fest. An der Eröffnung meiner Ausstellung „Mondia“ haben wir das beschlossen. Den Galeristen Mirko Meyer kenne ich bereits, seitdem er 15 Jahre alt war. Damals war ich mit seinem Vater Rolf Meyer, einem großen Sammler aus Stuttgart, befreundet. Dieser hatte eine große Fotografien-Sammlung, die er an die Staatsgalerie Stuttgart verkauft hat. Das hat mein eigenes Interesse an Fotografie sehr stark beeinflusst. Nachdem Mirko seine Galerie in Köln gegründet hat, hatte ich eine Vielzahl von Ausstellungen dort. Uns verbindet eine gewachsene Freundschaft. Er ist der Kunstvermittler und ich der Künstler. Es bedeutet für mich sehr viel, dass es diese Kontinuität gibt. Dass die Dinge, die man macht, keine Eintagsfliegen sind.
Trotz überregionaler und auch internationaler Projekte ist Ihr Standort nach wie vor in Singen. Was schätzen Sie hier an der Region?
Warum lässt man sich hier nieder? Der wesentliche Grund ist, ich war über 40 Jahre in Singen als Lehrer tätig. Ich habe auf der Höri gelebt. Dann wollte ich mich räumlich verändern und habe nach mehr Platz gesucht. Es war mir gleich klar, dass es im Industriegebiet sein muss. Sämtliche Firmen sind hier. Ich arbeite gern mit der Industrie zusammen, nehme mein Material aus der Alu. Ich mag diese unspektakuläre Ehrlichkeit. Diese Industriezonen haben so eine Klarheit, Ehrlichkeit. Die sind nicht so parfümiert. Singen hat aber auch eine tolle Kultur, viel Kunst. Ich war immer Bestandteil dieser Kunst, habe hier ausgestellt. Durch die kunsterzieherische Tätigkeit war ich hier ebenfalls immer verbunden. Singen hat ein tolles Potenzial, was andere Städte für mich nicht haben. Es liegt genau zwischen Zürich und Stuttgart, wo ich viel arbeite. In Zürich habe ich meine Galerie. In Stuttgart habe ich einen Lehrauftrag und viele Architekturprojekte an der Uni. Außerdem kommt das Publikum hier von überall her. Ich habe ständig Kontakt, die Leute fahren vorbei. Die Vernetzung hat eine ganz hohe Qualität.
Was sind für Sie Quellen, aus denen Sie ihre Inspiration ziehen, Herr Müller?
Es hat ein Potenzial, wenn du etwas findest. Wie kann man das nutzen? Ich war in vielen Archiven und habe viele Bilder studiert. Das nehme ich als Inspiration. Oder eben Filme. Auch da geht es um Farben. Da lass ich mich inspirieren. Ich bin viel unterwegs und schaue, was draußen passiert und was ich finde. Das Roadmovie „En Route“ steht dafür. Fabian hat eine Videokamera gehabt und ich habe das Auto geführt. Wir haben uns treiben lassen, vom Zufall gesteuert. Das haben wir fotografiert und gefilmt, haben die Architektur beobachtet. Das war wahnsinnig inspirierend. Ich nehme immer Dinge, die ich finde, nehme ein Element und setz es woanders ein. Deshalb auch der Cut. Das Element, das mich interessiert, schneide ich aus und kombiniere es oder setze es woanders ein. Ich kann mir Bilder gut merken, im Gegensatz zu Namen. Bilder kann ich im Kopf zusammensetzen. Die Vorstellungskraft, wie eine Farbe in einem Raum aussieht, das kann ich.
Ursprünglich sind Sie als Lehrer am Friedrich-Wöhler-Gymnasium tätig gewesen. Wie haben Sie sich zum Vollzeit-Künstler entwickelt?
Am Wöhler-Gymnasium war ich Kunsterzieher von 1988 bis vor ungefähr 10 Jahren. Ich war eigentlich immer Künstler, der die Kunst an die Schule gebracht hat. Meine künstlerischen Ideen habe ich dort weitergeführt. Ich habe das nicht getrennt. Mit vielen Ausstellungen hier in der Region haben wir die kunsterzieherischen Ideen nach außen getragen. Mit den vorhandenen Möglichkeiten habe ich das Thema Kunst vermittelt und versucht die Schüler beispielsweise mit AGs zu fördern. Meine Schüler konnten auch mal die Schule anmalen. Es war dort ein interdisziplinärer Ort. Oder ich habe Künstler eingeladen, um dort ebenfalls zu unterrichten. Ich war nie der reine Kunstlehrer. Der Übergang danach war fließend. Als meine Tochter geboren wurde, habe ich auf ein halbes Deputat reduziert. Der weitere Ausstieg war schleichend. Dann ist die Kunst immer mehr geworden.
Wenn man sich ihre Arbeiten ansieht, dann fällt auf, dass Farbe dabei stets eine wichtige Rolle spielt. Woher kommt diese Passion dafür?
Farbe ist ja eigentlich Lebenselixier. Bunt wie das Leben, entgegen dem grauen Alltag. Ich kann mir ein Leben ohne Farbe nicht vorstellen. Kunst ist immer irgendwie an Formen und Farben geknüpft. Farben sind wesentlicher Bestandteil unseres Lebens. Ich habe als 16-Jähriger auch richtig Malerei betrieben, danach habe ich mit Objekten gearbeitet. Auf den Kunstgeschichtsexkursionen hatte ich Tesafilm und ein Buch dabei. Damit habe ich die Farben von Hauswänden abgenommen, vornehmlich in Italien. Wenn dort ein Haus eine schöne Farbe hatte, musste ich eine Farbprobe abnehmen. Wenn einer vorbeikam und gefragt hat, habe ich ihm das erklärt, dafür hat mein italienisch noch ausgereicht. Schon im Studium war Italien mein Schwerpunkt. Irgendwann kam Frankreich dazu. Mit Architekturprojekten ging es weiter. Heute setze ich Farben wieder bei Gebäuden ein. Dafür habe ich auch meine Halle. 20 Meter Abstand braucht man schon, um die Farbe beurteilen zu können.
Ihre Ausstellung in Köln läuft bis zum 30. April. Auch in der Kartause Ittingen sind Ihre Arbeiten noch bis zum 26. Juni zu sehen. Was haben Sie darüber hinaus geplant?
Weitere Ausstellungen stehen gerade nicht an, was ich machen muss. Im Augenblick bin ich im Schloss Morsbroich. Da werde ich die farbige Gestaltung des Museums machen. Außerdem habe ich das ein oder andere Projekt an der Uni, eins in Berlin, eins in Tübingen. Es geht um Farben und Architektur. Das wesentliche sind aber interdisziplinäre Projekte im Stratozero mit Freunden, Bekannten, Künstlern oder Musikern. Die Halle ist mein Atelier, soll aber immer mehr ein Ort des Austauschs sein. Im April wird deshalb das Stück „Event“ von der Färbe dort aufgeführt. Im Mai wird Options/8 dort Musik machen und im weiteren Verlauf des Jahres wird Fabian Winkler computerbasierte digitale Zeichnungen mit einem Roboter ausführen.