Man muss den Künstler Harald F. Müller nicht lange bitten. Gerne ist er bereit zu einem Treffen beim Friedrich-Wöhler-Gymnasium. Dorthin hatte er sich 1981 als Kunsterzieher beworben, weil es damals das modernste Gymnasium war. Modern war dann auch sein Kunstunterricht, den er heute als Laboratorium der freien Arbeit beschreibt. Generationen von Schülern wurden dadurch geprägt. Einige von ihnen sind dann selber Künstler geworden und haben sich auf der internationalen Kunstbühne einen Namen gemacht.
„Es war eine gute Zeit für die Kunst in der Stadt“, erinnert sich Harald F. Müller. „Die Stadt und ihre Bürger waren aufgeschlossen und großzügig.“ Unter dem damaligen Kulturamtsleiter Alfred Georg Frei hatte sich ein reger Austausch zwischen den Kulturschaffenden und der Bevölkerung entwickelt.

Harald F. Müller nutzte diese Stimmung, um die Schule über die Kunst mit der Stadt zu verbinden. Selbst geprägt vom Geist der Kasseler Documenta und der Aktionskunst des Joseph Beuys, setzte er mit seiner Kunst-AG neue Maßstäbe. Mit den Schülern pflanzte er Eichen, gestaltete eine Beuys-Stele, schuf einen neuen Schriftzug für das Gymnasium und gestaltete die Klassenzimmer und Flure mit ihnen.

Begeistert nahmen die 14- bis 18-jährigen Nachwuchskünstler acht Nachmittagsstunden in der AG in Kauf. Und so brauchte es keine Überredungskunst für die Idee, sich mit ihren Arbeiten in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Müller kann sich noch gut an den Einsatz der Schüler erinnern. „Einige von ihnen waren richtig begabt“, sagt er.

Gefördert vom Land und unterstützt vom damaligen Schulleiter Hans Zimmermann, nutzte Müller seine guten Kontakte zu den bildenden Künstlern und lud diese immer wieder in den Unterricht ein. Heute macht er es in seinem Atelier „stratozero.net“, einer Industriehalle im Singener Süden mit den Kunststudenten verschiedener Hochschulen kaum anders. Er fördert den Austausch und die Beteiligung. 1987 beteiligte sich die Kunst-AG des Friedrich-Wöhler-Gymnasiums mit einem Aufsehen erregenden Kunstwerk in der neu gestalteten August-Ruf-Straße.

„Es musste ein begehbares Kunstwerk werden“, so der Gedanke. Die Aktionsfläche auf der Kreuzung mit der Schwarzwaldstraße war dafür der richtige Standort. Die Fußgänger konnten aus allen vier Himmelsrichtungen durch das Kunstwerk hindurchspazieren. In der Schule wurden Modelle gebaut. Harald F. Müller zeigt auf den Platz vor dem heutigen Fahrradkeller für die Lehrer: „Hier haben wir die große Arbeit probeweise aufgestellt.“ Die Firma Alusingen hatte tonnenweise Alucobondplatten für das Projekt gestiftet. Die Stadt war großzügig mit weiterem Material. „Es herrschte nicht nur große Begeisterung bei den Schülern, sondern auch in der Öffentlichkeit“, sagt Müller. Auch wenn es heute keine Schulkunst im Sinne der 80er Jahre mehr gibt, so verfügt Singen doch über einen beachtlichen Kunstschatz. „Singen ist in der Bodenseelandschaft ein strahlender Stern, was Kunst angeht“, sagt der Künstler Harald F. Müller.
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